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Bonhoeffer

Bonhoeffer, Illegale Theologie, Part III. LAD Rosary

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e) Fünfter Kurs. Fertigstellung der „Nachfolge“, Verbot des Seminars und Ende des Bruderhauses
18. April–11. September 1937

A. VORLESUNG

28. VORLESUNG „GEMEINDEAUFBAU UND GEMEINDEZUCHT IM NEUEN TESTAMENT“.1 VORLESUNGSTEILE ZUM RAUM DER VERKÜNDIGUNG UND ZUM RAUM DER ÄMTER (MITSCHRIFT)

Der Raum der kirchlichen Verkündigung und ihres Bekenntnisses2

Der legitime Raum der christlichen Verkündigung ist Synagoge. Mit einer Ausnahme3 predigt Paulus nur in Synagoge. Synagoge in Beziehung zum Tempel keine Kultstätte (kein Opfer), sondern Stätte der Gesetzeslehre. NT legt Gewicht darauf, daß Verkündigung in der Synagoge geschieht. Raum der Verkündigung nicht die Straße, sondern die Synagoge. Christliche Gemeinde will gerade auch in der Frage des äußeren Raumes der legitime Nachfolger des alttestamentlichen Volkes sein.4 Pfingsten wartet die Gemeinde im Tempel zu Jerusalem Acta 2,2 3,11 5,12 5,25 Synagoge 9,20 13,5.14 (am Sabbath) 13,42 14,1 17,1–2 κατὰ τὸ εἰωθός5 Paulus tut’s also regelmäßig. 17,17.19 in Synagoge und auf dem Markt, eine der ganz seltenen Stellen. 17,19 auf Areopag geführt. 18,4–8 Übergang von Juden zu Heiden läuft parallel mit Abschied von Synagoge und Übergang zu Haus des Krispus. 19,9 und 10. Nach Ablehnung in Synagoge in Privathaus des Tyrannus.6 „Rein gehe ich von nun an zu den Heiden“.7 Solange wird Anspruch auf Synagoge erhoben, bis Widerstand unerträglich. Von der Synagoge, deren legitime räumliche Erben sie sein wollten, gehen sie erst in Häuser der Christen. Einheit mit Israel wurde von Paulus auch im gemeinsamen Gottesdienst gesucht. Acta 13,14.15 20,7. Am Sabbath kommt Paulus. Christliche Gemeinde hält sich wohl auch an jüdische Form des Gottesdienstes.8
Der Verkündiger, der Apostel tut seinen Dienst umsonst, nach dem Gebot Jesu.9 Matth. 10,8 1. Kor. 9,12.15 2. Thess. 3,8. „Umsonst habt ihr’s empfangen“.10 Auf seiten der Gemeinde entspricht dem die selbstverständliche Gastfreundschaft. „Arbeiter seines Lohnes wert“11, bekommt aber keinen Lohn, sondern nur Nahrung für Tag.12 Paulus legt dem sehr großes Gewicht bei. Übt selbst Beruf aus. Zeichen der falschen Apostel (2. Kor. 11,7.13 ff Tit. 1,12 1. Petr 513), daß sie ein Geschäft daraus machen. Paulus rechnet es sich zum Ruhm an, nur Philipperbrief anders.14 Paulus will die Reinheit der Verkündigung und ihre Glaubwürdigkeit nicht belasten. Glaubwürdigkeit immer wieder in Frage gestellt durch Beruf, also monatliches Gehalt. Sagen immer wieder, keine innere Nötigung, sondern um des Geldes willen (cf. Kierkegaard).15
Der Gebrauch der Sakramente. Gibt Sakramente, weil Christus in seinem Leib gegenwärtig ist. Weil Christi Leib sichtbar, deshalb Sakramente. Joh. 19: Wasser und Blut fließt aus seiner Seite.16 Seit altersher dieses bezogen auf Taufe und Abendmahl. Aus gekreuzigtem Leib fließen Wasser und Blut. Beide Sakramente in besonderer Beziehung zum Tod Christi. Rm. 6, Kol. 3 Taufe in Tod Christi hinein 1. Kor. 11 „Sooft ihr esset, verkündiget des Herrn Tod“.17 Hineingetauft werden in Tod Christi bedeutet eingetaucht werden in Leib Christi. 1. Kor. 12,13 Eph. 4,5 1. Kor. 1,13 Gal. 3,27. 1 Kor. 12,13: Taufe kein opus operatum und völlige passio unsererseits.18 Philem. (V. 15 biblischer Beweis für „Wiedersehen im Jenseits“. Auch 1. Thess. 2,17) V. 16 ἐν σαρκί und ἐν κυρίῳ19 beides nebeneinander. Nicht möglich zu sagen: „In Christus sind wir eins“, „aber im gewöhnlichen Leben sind wir noch getrennt.“ Wenn durch die Taufe ein Leib, dann auch die Beziehungen „im Fleisch“, in den Ämtern u. s. w. entscheidend geändert. Anspruch der Taufe auch auf das Fleisch. (Steglitzer Synode: Unser Verhältnis zu jüdischen Brüdern, zu getauften Juden.)20 Taufe konstituiert die Einheit des Leibes Christi, das Abendmahl konstituiert durch wiederholten Gebrauch die Gemeinschaft, die κοινωνία.21 Mit dem empfangenen Leibe Christi wird die κοινωνία des Leibes Christi, also Gemeinschaft der Brüder empfangen (Sermon von 151922). Die durch Abendmahl konstituierte Gemeinschaft. Die engste Gemeinschaft der Gläubigen beim Abendmahl. Man gehört sich bedingungslos.23 In Taufe durch einen Geist zu einem Leib. Im Abendmahl durch einen Leib zu einem Geist. Gegenüber von Christus und Gemeinde hier am deutlichsten.24 Sakrament heißt sichtbar Teil bekommen am Leib Christi.

Der Raum der Ämter und der Charismata25

„Leib Christi“ schließt in sich, daß keine Scheidung von Wesen und Erscheinung der Kirche; etwa Predigt und Sakramente Wesen und Ämter etc. Erscheinung. Das vom „Leib Christi“ her unmöglich. Im „Leib Christi“ herrscht das Gesetz des Dienstes, wie der Leib im Dienst gekreuzigt worden. Im Leib Christi bin ich nicht, um etwas für mich zu haben, sondern zu dienen. διακονία [das] entscheidende Wort. Von dem einen διάκονος „Christus“.26 Neben διακονία die οἰκονομία Eph.27 1. Kor. 4,1 Tit. 1,7. In beiden Begriffen Dienst, nicht irgendwelche Rechte ausgesprochen. Dadurch unterscheiden sie sich von „Amt“. „Amt“ bald Titel und Ehrenbezeichnung. διακονία und οἰκονομία können niemals Titel und Ehrenbezeichnung sein. ἐπίσκοπος, πρεσβύτερος,28 διάκονος nur Dienst- und keine Ehrenbezeichnungen. Diese διακονίαι von Gott eingesetzt, oder von Christus und heiligem Geist. 1. Kor 12,28 von Gott; Eph 4,11 von Christus Acta 20,28 durch Heiligen Geist. Acta 6,5 13,2 durch Gemeinde unter Beistand des Geistes. Tit. 1,5. 1. Tim 5,22 f durch Apostel.29
Diese διακονίαι treten immer da ein, wo Bedürfnis vorhanden. In verschiedenen Gemeinden darum jeweils verschieden.
Versehung der διακονίαι liegt nicht im Belieben der Einzelnen. Man kann sich nicht selber dafür berufen, sondern der heilige Geist durch Charismen.
Das Charisma ist die durch heiligen Geist ermöglichte subjektive Voraussetzung für den objektiven Dienst an der Gemeinde.
1. Kor. 12,4 ff. Verhältnis von Charisma und Dienst, χαρίσματα und πνεῦμα30 zusammengeordnet, weil χαρίσματα Gabe des einen Geistes.
διακονίαι und κύριος31 hier zusammen, weil der κύριος der erste διάκονος.
V. 6. Was durch Amt und χάρισμα gewirkt wird in der Gemeinde, geschieht durch Gott.
V. 7. In dem allem geschieht eine φανέρωσις32, Sichtbarwerdung des Geistes.
V. 8–10 die Fülle der χαρίσματα. V. 11: Von dem einen Geist das alles.
V. 8 göttliche Weisheit, die Torheit des Kreuzes als Weisheit versteht. 1. Kor. 1,24 2,6 ff Kol 1,9 2,3 4,5 Ephes. 1,8 (Theologie des Kreuzes).
λόγος γνώσεως33 Verschieden beurteilt im NT die Gnosis. „Gnosis bläht auf“.34 Aber auch ganz anders. Hier35 gegenüber σοφία36 das formalere χάρισμα.
πίστις37 ein χάρισμα. Analogie 1. Kor. 13,2. Nicht voller Sinn des Heilsglauben[s], sondern besonders stark glauben, Glaube in besonderer Kraft. Luther: „Hängt nicht an der Kraft, sondern an der Gewißheit unseres Glaubens.“38
χαρίσματα ἰαμάτων39 Plural; einzelne Handlungen und Taten. Keine Kontinuierlichkeit, also keine immanente Gabe, Befähigung. Jeweilige Eingriffe Gottes beschrieben. Von Mal zu Mal Gottes Wundertaten erfahren.
προφητεία40
διακρίσεις τῶν πνευμάτων.41 Das ist ein χάρισμα, das uns heute wieder geschenkt ist.

Die Ämter:

Reihenfolge: Apostel, Propheten, Lehrer. Was sind das für Ämter nach dem Willen des dreieinigen Gottes.
Für Apostelamt konstitutiv der persönliche Auftrag durch persönliche Berufung oder Erscheinung.42 Die Jünger, die im Erdenleben Auftrag bekommen haben, bekommen diesen Auftrag vom Auferstandenen bestätigt.43
2. Kor. 8,23 Titus und die Brüder hier auch ἀπόστολοι44 genannt, Gesandte der Gemeinden, ἀπόστολοι in ganz weitem Gebrauch. Rm 16,7 Andronikos und Junias ἀπόστολοι genannt. Gal. 1,19. Herrenbruder Jakobus wird Apostel genannt. 1. Kor. 15,7 „nach den 500“ πᾶσιν ἀποστόλοις.45 Eine ganz große Zahl Apostel demnach. Acta 14,4 und 14,14 auch Barnabas Apostel genannt. Acta 1,20 f das genannt, was zum Apostel gehört.46
1. Kor. 9,1 ff.; auch die Begründung genannt.47
Aufgabe des Apostels ist Mission und Gemeindegründung. 1. Kor. 9,2 1. Thess. 2,7 2. Kor. 12,2 Gal 4,13 1. Kor. 4,14 ff Eph. 2,20 die Autorität ausgedrückt.
Acta 8 (im Zusammenhang mit Joh. 20)48 Kann allein der Geist von den Aposteln übertragen werden?
Lukas 10: Aus den 12 werden 70 Apostel. Auch von ihnen gilt: „Wer euch hört, hört mich; wer euch verachtet, der verachtet mich.“49
1. Kor. 12,28 Mt 10,41 Eph. 2,20 3,5 4,11 (:) Hier überall Apostel mit Propheten u. s. w. zusammen genannt. Was Amt der Propheten, unklar. Wahrscheinlich Vorhersagung. Agabus Acta 1150 Acta 13,1 Barnabas auch Prophet genannt. Rm 12,6 1. Thess. 5,20 1. Kor 14: In Urchristenheit überall im Urchristentum vorhanden. Hat in den schon gegründeten Gemeinden ihre Aufgabe = Weissagung von Christus. Begriff προφῆται51 aus der Apokalypse Ap. 22,9 18,20.
διδάσκαλος52 1. Kor. 12,8 Rm. 12,753 1. Kor. 14,26 Acta 13,1 (hier Barnabas auch διδάσκαλος) Hebr. 13,7.17.24. Jak. 3,1. διδάσκαλος übt Amt der Unterweisung, neben der Prophetie; hier der kerygmatische Charakter, διδάσκαλος im NT allerhöchste Würde. Hebr. 13,7.17.24. Hier ἡγούμενος54 in derselben Bedeutung wie διδάσκαλος. Einsetzung, Wahl, freiwillige Meldung zu einem Amt alles noch durcheinander in der 1. Zeit.
ἐπίσκοπος ist zunächst ein Glied des Presbyterialkollegiums. Bis Ignatius die Gemeinde presbyterial verfaßt, mit der Ausnahme von Jerusalem. Dort monarchische Verfassung, Jakobus. Acta 20,28, die Presbyter gesetzt als ἐπίσκοποι, πρεσβύτερος stellt Würde des Amtes dar, ἐπίσκοπος usw. als Dienst und Funktion. 1. Petr. 5,1–2 Phil. 1,1 ἐπίσκοποι55. Also kein monarchischer Episkopat. Neben ἐπίσκοπος in Phil. 1,1 die διάκονοι. πρεσβύτερος wahrscheinlich beiden übergeordnet. Das andere nur eine oder 2 Funktionen des πρεσβύτερος–Amtes. 1. Tim.56 die ἐπίσκοποι und διάκονοι hintereinander genannt. Acta 20,28 mahnt der scheidende ἀπόστολος die πρεσβυτέρους, in seiner Abwesenheit das Amt der ἐπίσκοποι zu versehen. 1. Tim. 5,17 Episkopat mit Lehramt verknüpft. Ebenso 1. Tim. 357
Diakonat ursprünglich neben (1. Tim., Phil. 1,1), später unter ἐπίσκοπος. Diakonat entsteht (Acta 6) aus der sozialen Not innerhalb der Gemeinde. Gehört mehr als Tischdienst dazu. Stephanus predigt. Auch weiblicher Diakonat. Röm 16,1 (Phöbe), ebenso 1. Tim. 3,11 (Luther falsch übersetzt58). Diakonie und Episkopat also zunächst nebeneinander, zusammen mit Lehrämtern, haben wahrscheinlich das Presbyterium gebildet, im Anschluß an das A. T. (Num.! 1159). Presbyter sollen überall in Gemeinde eingesetzt werden. Tit. und Acta 14,23.
Aufgabe der Presbyter, Acta 11,30. Älteste in Jerusalem bekommen und verwalten die Gelder; auch Acta 12,25. In Jerusalem die Apostel und Ältesten zusammen genannt. Acta 15,2.4.6.22.23. Älteste sind angesehen. Würdenträger. Möglich, daß Diakone (Acta 6) das erste Presbyterium, in das dann die anderen angesehenen Ämter eingegliedert werden. Acta 20,1860. Jak 5,14 Seelsorgerliche Funktion der Ältesten. 1. Tim 5,17.19. Presbyter zum Teil haben Auftrag der Verkündigung und der Lehre, aber nicht alle. Diese πρεσβύτεροι könnten die sein, die sonst ἐπίσκοποι heißen bei Paulus. Einige Ämter, Lehre und Verkündigung treten schon aus der Reihe der Ämter im Presbyterium als hervorragend heraus. Monarchischer Episkopat auch angebahnt.
προϊστάμενος61 Rm 12,8, 1. Thess. 5,12. Fraglich, wo sie unterzubringen sind. Gesamtbegriff πρεσβύτερος oder für ἐπίσκοπος.
Besondere Stellung haben die Ersten, Erstbekehrten, Rm 16,1, Phoebe. Auch an anderen Stellen.
Dienst der Frauen in Gemeinde. Rm 16,1 Phoebe. Weibliche Prophetie, Acta 21,9 (Töchter des Philippus). Auch Paulus rechnet damit, daß Frauen Prophetie üben, 1. Kor. 11,3 ff. Sollen dabei verschleiert sein. Generell (1. Kor. 14,33) der Meinung, daß Frau in der Gemeinde schweigen soll. Wenn Geist über sie kommt, dann soll ihm allerdings nicht gewehrt werden.
Direktes Amt für Frau im NT die χήραι62. Beamtete Verkündigung im NT gehört dem Mann.
Im NT gewisse Weisungen für Aufbau der Gemeinde. Ob heute verbindlich, hängt mit Auffassung der Schrift zusammen. Im NT Vielgestaltigkeit der Ämter. Durch dreieinigen Gott gesetzt. Von innen her kann die Ordnung der Gemeinde variabel sein, je nach den Bedürfnissen. Aber niemals von außen eine Ordnung zu setzen.
Raum des Leibes Christi geht über Ämter, Verkündigung hinaus und greift in das Leben jedes einzelnen Christen ein und beansprucht sein ganzes Handeln, Denken, im Beruf und so weiter, Leib Christi über Verkündigung und Sakramente, auch über die Ordnung der Kirche hinaus das tägliche Leben, christliche Lebensbeziehung untereinander.63

B. VORTRAG

29. VORTRAG UND DISKUSSIONEN ÜBER SCHLÜSSELGEWALT UND GEMEINDEZUCHT1

29.1. VORTRAG BONHOEFFERS ÜBER SCHLÜSSELGEWALT UND GEMEINDEZUCHT IM NEUEN TESTAMENT2

Sätze über Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament

1. Christus hat seiner Kirche Gewalt gegeben, auf Erden Sünden zu vergeben und zu behalten in göttlicher Vollmacht (Mt. 16,19; 18,18; Joh. 20,23). Ewiges Heil und ewige Verdammnis entscheidet sich an ihrem Wort. Wer unter dem Wort der Verkündigung vom sündigen Wege umkehrt, Buße tut, der empfängt die Vergebung. Wer bei seiner Sünde beharrt, empfängt Gericht. Die Kirche kann nicht den Bußfertigen von der Sünde lösen ohne den Unbußfertigen bei der Sünde zu behaften und zu binden. Der Löseschlüssel selbst hat keinen ewigen Ernst, wenn nicht auch der Bindeschlüssel ewigen Ernst hat.3 Will die Kirche im Auftrag und in der Vollmacht Jesu Christi Sünden vergeben, so muß sie Sünde Sünde nennen, nicht nur, wenn sie vergibt, sondern auch, wo sie nicht vergeben kann. Will die Kirche allein den Löseschlüssel üben, dann kann sie mit ihrer Sündenvergebung keinen Glauben finden; denn das Wort von der Sündenvergebung ist dann ein allgemeiner Lehrsatz geworden, aber nicht mehr der lebendige, rettende Eingriff Gottes selbst. Will die Kirche allein den Löseschlüssel üben, dann raubt sie denen, die glauben, die Gewißheit der Vergebung; denn was ist eine Vergebung, die nicht Rettung aus der Verdammnis ist?4 Will die Kirche allein den Löseschlüssel üben, so setzt sie sich mit dem Auftrag ihres Herrn in Widerspruch und geht damit des gesamten Auftrages und seiner Verheißung verlustig. |

2. Das Schlüsselamt der Kirche schließt einen doppelten Gebrauch ein, die öffentliche Predigt und die Privatbeichte mit Absolution bzw. Retention.5 Die öffentliche Predigt übt beide Schlüssel aus, indem sie denen die Vergebung zusagt, die Buße tun und glauben, denen aber, die nicht Buße tun, Gericht und Verdammnis. Vergebung kann daher niemals vollmächtig gepredigt werden ohne konkrete Buß- und Gerichtspredigt.6 Dabei erweist sich der Bindeschlüssel als dem Löseschlüssel untergeordnet. Denn daß das Wort die Hörer bei ihren Sünden behaftet und verurteilt, ist zugleich der Ruf zur Buße, das heißt zur Vergebung und zur Gemeinschaft. Dabei ist das Urteil des Bindeschlüssels göttliches Urteil und gilt in Ewigkeit, wenn der Hörer nicht Buße tut. Gebunden werden allein die, die das Wort hören, auf daß sie durch das Wort Buße tun und gelöst werden möchten. Die Privatbeichte (Jak. 5,16; Mt. 18,18) tritt zur öffentlichen Predigt hinzu um der Gewißheit der Absolution willen. Weil in der Predigt die Zusage der Vergebung an Buße und Glaube geknüpft ist, kommt der Einzelne in Gefahr, an seiner Buße und seinem Glauben und damit an sich zu verzweifeln oder aber sich selbst zu vergeben. In der Privatbeichte wird ihm angeboten, seine Sünden persönlich vor Gott zu bekennen und bei Namen zu nennen, durch Gottes Wort strafen zu lassen und die persönliche Absolution durch den Bruder zu empfangen. Der Einzelne bedarf der Privatbeichte, um der Vergebung gewiß zu werden. Die Kirche bedarf der Privatbeichte, um die Absolution dem Einzelnen vollmächtig sagen zu können und um der Aufrichtigkeit der Buße gewiß zu werden.7 „Deswegen soll mit Ernst verboten sein, daß die Pfarrherrn das Volk nicht bei Haufen insgemein absolvieren … so jemand die Absolution ins Ungewisse über das Volk bei Haufen hinspricht, den soll der Superintendens, wenn er vermahnt ist und nicht abläßt, als einen untreuen Mietling | vom Predigtamt absetzen“ (Pommersche Kirchenordnung).8 Das Wort der Vergebung darf nicht verschleudert werden.

3. „Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselben nicht zertreten und sich wenden und euch zerreißen“ (Mt. 7,6).9 Die Zusage der Gnade darf nicht verschleudert werden, sie bedarf des Schutzes vor den Gottlosen. Es gibt solche, die des Heiligtums nicht wert sind. Die Verkündigung der Gnade hat ihre Grenze.10 Wer die Gnade nicht erkennt, nicht unterscheidet und nicht begehrt, dem darf sie nicht verkündigt werden. Nicht nur wird dadurch das Heiligtum selbst besudelt, nicht nur müssen die, die sich versündigen, noch schuldig werden am Heiligsten, sondern der Mißbrauch des Heiligen muß sich gegen die Gemeinde selbst wenden. Die Welt, der die Gnade als Schleuderware hingeworfen wird, wird ihrer überdrüssig, zertritt nicht nur das Heilige, sondern zerreißt auch die, die es ihr aufdrängen.11 Um des Heiligen willen, um der Sünder willen und um der Gemeinde willen soll das Heilige geschützt werden vor billiger Preisgabe. Der Schutz des Evangeliums ist die Bußpredigt, die Sünde Sünde nennt und den Sünder schuldig spricht. Der Schutz des Löseschlüssels ist der Bindeschlüssel. Nur im Schutz der Bußpredigt gibt es Gnadenpredigt.

4. Es ist ein Unterschied zwischen Missionspredigt und Gemeindepredigt. Im Neuen Testament ist er noch ganz deutlich. In beiden ist der Gebrauch des Schlüsselamtes da, aber in verschiedener Weise. Die Missionspredigt ruft zur Gemeinde. Wer Buße tut und glaubt, dem wird die Tür zur Gemeinde aufgetan durch die Taufe. Wer gebunden wird, dem wird die Tür verschlossen. Über diesen12 hat das Wort keine andere Gewalt als eben diese Versagung der Zulassung zur Taufe. Zur Taufe gehört das Bekenntnis der Sünden, die Absolution | und das Bekenntnis zu Jesus Christus. Die Wortverkündigung in der Gemeinde der Getauften gebraucht die Schlüssel in der Weise der Gnadenverkündigung an den Bußfertigen und der Gemeindezucht an den Unbußfertigen.13 Gnadenverkündigung heißt vollen Teil haben an der Gemeinschaft des Leibes Christi. Gemeindezucht heißt der Weg, der zum teilweisen oder gänzlichen Ausschluß aus dieser Gemeinschaft führt. Gemeindezucht ist also Ausübung der Bindegewalt der Kirche an den Gliedern des Leibes Christi. Wie die Bußpredigt der Schutz der Evangeliumsverkündigung, so ist die Wortverkündigung der Schutz der Taufe, so ist die Gemeindezucht der Schutz des Abendmahls.14

5. Gemeinde ist nur da, wo Wort und Sakrament ist (C.A. VII). Leib Christi ist die Gemeinde erst durch Taufe und Abendmahl. Das Wort ist missionarisch, die Wortgemeinde erfährt keine Beschränkung, sofern nur beide Schlüssel gepredigt werden. Die Sakramentsgemeinde ist die durchs Wort gewonnene Gemeinde der Gläubigen. Zum Wort hat auch der Ungläubige Zutritt, zum Sakrament nicht.15

6.16 Die Taufe ist die Eingliederung in den Leib Christi (Gal. 3,27 f.). Sie ist einmalig, nicht wiederholbar. Der Leib Christi ist die Gemeinde (1. Kor. 12 ff.; Röm 12 f.)17. Der Eintritt in die Gemeinde des Heils ist einmalig, nicht wiederholbar. Darum würde vollkommener Ausschluß aus der Gemeinde ewige Verdammnis bedeuten. Eben darum aber kann Gemeindezucht nicht Ausschluß aus der getauften Gemeinde, sondern immer nur Ausschluß aus der Gemeinschaft der Taufgemeinde sein.18 Voraussetzung der Taufe ist Hören des Wortes, Buße und Glaube; das heißt für gemeindliche Praxis Unterweisung, Bekenntnis der Sünde, Absolution, Bekenntnis zu Jesus Christus (Act. 8,35; 2,38; Röm. 6,2 usw.). Kindertaufe ist darum – ob im Neuen Testament vorhanden oder nicht – niemals Taufe an Ungläubigen, was unmöglich ist, sondern Taufe von solchen, die in der Gemeinde zum Glau- | ben kommen sollen.19 Kindertaufe gibt es darum nur als besondere Gnadengabe Gottes in der Bekenntnisgemeinde. Sie kann niemals über den Umfang der Bekenntnisgemeinde hinausgehen. Die Gemeinde ist vor dem Sakrament, vor dem Kind und vor sich selbst verantwortlich dafür, daß das Kind durch Unterweisung der Gemeinde zugeführt wird (Patenamt).

7. Das Abendmahl ist die wiederholte Speisung der bekennenden Gemeinde der Getauften mit dem wahrhaftigen Leib und Blut Christi. Die Gläubigen werden ihrer leiblichen Verbundenheit mit dem Herrn und untereinander gewiß gemacht und empfangen Vergebung der Sünden durch Christi Leib. Das Abendmahl ist nicht missionarisch sondern Gemeindemahl im strengen Sinne. Es setzt dabei keinen engeren Kreis voraus als die Gemeinde der Getauften. Allerdings setzt der Empfang des Abendmahls eine Bedingung voraus: Wer zum Abendmahl kommt, muß unterscheiden können (διακρίνειν: 1. Kor. 11,29) zwischen dem Leib Christi und irgendeinem anderen Mahl, das heißt er muß kommen, um wahrhaftig Leib und Blut Christi zu empfangen. Wer hier nicht „unterscheidet“, empfängt das Mahl in unwürdiger Weise und ißt sich das Gericht. Nicht seine falsche Einstellung sondern Leib und Blut Christi wirken in ihm durch Essen und Trinken das Gericht. Weil Leib und Blut im heiligen Abendmahl im Essen und Trinken bleiben was sie sind, ob sie würdig oder unwürdig gegessen werden, muß die Gemeinde Sorge tragen, daß sie nicht unwürdig empfangen werden. Würdiger Empfang aber setzt „Unterscheidung“ der Gabe voraus, das heißt für die gemeindliche Praxis: Unterweisung über das heilige Abendmahl (nicht natürliche Speise, nicht symbolisch, nicht Gedächtnismahl, sondern wahrhaftiger Leib und Blut Christi zur Vergebung der Sünden und zur Gemeinschaft seines Leibes 1. Kor. 11,24; 10,16).
Daraus folgt das Glaubensverhör: Prüfung (δοκιμαζέτω20!), | ob einer bereit ist, das Sakrament als das zu empfangen, was es ist, das heißt im Begehren nach der Vergebung der Sünden, ob er seiner Sünde absagt. Die Wahrhaftigkeit der Selbstprüfung, von der die Schrift redet, kann dem Zweifel entnommen werden durch die Beichte vor dem Bruder. Wo die Gemeinde Zweifel an der Selbstprüfung hat, kann sie auf der Prüfung durch die Gemeinde bestehen (Anmeldung etc.).21 Um des Heiligtums des Leibes Christi willen, um der Menschen willen und um der Gemeinde willen muß die Gemeinde den vom Abendmahl ausschließen, der den Leib nicht unterscheidet. Es ist ein Unterschied zwischen dem, der sich am Wort versündigt und dem, der sich am Leib Christi versündigt. Der Ungetaufte, der das Wort nicht hört, bleibt außer[halb] des Leibes Christi und steht noch unter dem Ruf zur Gemeinde; wer das Sakrament im Unglauben empfängt, der wird schuldig am Leibe Christi selbst; er hat keine Hilfe mehr, weil er die Hilfe mißbraucht hat. Zwar kann sich die Gemeinde niemals vor den Heuchlern schützen, aber um den Menschen vor seiner eigenen Heuchelei zu schützen, schützt sie das Heiligtum durch die Zucht des Wortes und der Gemeinde.

8. Gemeindezucht ist die notwendige sichtbare Folge der rechten Ausübung des Schlüsselamtes innerhalb der Gemeinde. Die neutestamentliche Gemeinde kennt hier eine lange Stufenreihe der Zuchtübung.22 Der Ursprung aller Zuchtübung ist die Predigt des Wortes nach beiden Schlüsseln. Diese Verkündigung ist aber nicht beschränkt auf die gottesdienstliche Versammlung. Vielmehr ist der Amtsträger, „der im Hause Gottes wandelt“ (1. Tim. 3,15), nirgends von seinem Auftrag entbunden. „Predige das Wort, halte an, die Zeit sei günstig oder ungünstig, strafe, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre“ (2. Tim. 4,2). Der Amtsträger, der die Schlüsselgewalt übt, soll als Seelsorger im täglichen Umgang mit seiner Gemeinde die Zucht üben. Das gehört zu seinem Amt.23 Es ist der Beginn der Kirchenzucht. Dabei | ist deutlich, daß die Gemeindezucht im Unterschied von der Schlüsselgewalt nur die Sünden strafen kann, die offenbar geworden sind. „Etlicher Menschen Sünden sind offenbar, daß man sie zuvor richten kann, bei etlichen aber werden sie hernach offenbar“ (1. Tim. 5,24). So ist die Gemeindezucht eine Verschonung vor der Strafe des letzten Gerichtes. Ist bereits auf dieser ersten Stufe eine Lücke festzustellen, so kann das gesamte Verfahren der Gemeindezucht in Frage gestellt werden; denn wie soll das zweite – nämlich die brüderliche Vermahnung der Gemeindeglieder untereinander – lebendig bleiben, wenn der Amtsträger sein Amt vernachlässigt? Die Schrift aber fordert „lehret und vermahnet euch untereinander“ (Kol. 3,16; 1. Thess. 5,11 u. 14). Allein so kann ja der Sünde und dem Abfall in der Gemeinde gewehrt werden. Zur Vermahnung gehört auch das Trösten der Kleinmütigen, Tragen der Schwachen, Geduld üben gegen jedermann (1. Thess. 5,14). Wo solche Auswirkung des Schlüsselamtes in der Gemeinde nicht mehr lebt, da wird auch schwerlich die dritte Stufe recht erreicht werden. Fällt nämlich ein Bruder in offenbare Sünde des Wortes oder der Tat, so muß die Gemeinde die Kraft haben, das eigentliche Gemeindezuchtverfahren gegen ihn einzuleiten. Dieses besteht in drei Stücken: Die Gemeinde muß die Kraft haben, sich von dem Sünder zu trennen. „Habt nichts mit ihm zu schaffen“ (2. Thess. 3,14), „Weichet von ihnen“ (R. 16,17). „Ihr sollt auch nicht mit ihm essen“ (Abendmahl?), (1. Kor. 5,11), „Meide solche“ (2. Tim. 3,5; 1. Tim. 6,5). „Wir gebieten euch aber, liebe Brüder, in dem Namen unseres Herrn Jesu Christi (!), daß ihr euch entziehet von jedem Bruder, der da unordentlich wandelt und nicht nach der Satzung, die ihr von uns empfangen habt“ (2. Thess. 3,6). Dieses Verhalten der Gemeinde ist dazu da, den Sünder „schamrot“ werden zu lassen (2. Thess. 3,14), und ihn dadurch zurückzugewinnen. Gewiß schließt | dieses Meiden des Sünders auch seinen zeitweiligen Ausschluß aus den Handlungen der Gemeinde in sich. Doch soll solches Meiden des offenbaren Sünders nicht schon die Aufhebung jeder Gemeinschaft sein. Vielmehr soll die Gemeinde, die sich vom Sünder trennt, diesem begegnen mit dem Wort der Vermahnung „Haltet ihn nicht als einen Feind, sondern vermahnet ihn als einen Bruder“ (2. Thess. 3,15).
Der Sünder bleibt noch Bruder und erfährt eben darum Strafe und Vermahnung der Gemeinde. Es ist barmherzige Brüderlichkeit, die die Gemeinde Zucht üben läßt. Mit aller Sanftmut müssen die Widerspenstigen gestraft, die Bösen getragen werden, „ob ihnen Gott nicht dermaleinst Buße gäbe, die Wahrheit zu erkennen, daß sie wieder nüchtern werden und der Schlinge des Teufels entgehen und sich von Ihm einfangen lassen in seinen Willen“ (2. Tim. 2,26).24 Der Weg dieser Vermahnung wird je nach der Sünde und je nach dem Sünder ein verschiedener sein, aber er wird immer dasselbe Ziel haben, zur Buße und zur Versöhnung zu führen. Kann die Sünde verborgen bleiben zwischen dir und dem Sünder, so sollst du sie nicht offenbaren, vielmehr sollst du ihn allein strafen und zur Buße rufen, „so hast du einen Bruder gewonnen“.25 Hört er dich aber nicht, sondern verharrt in seiner Sünde, so sollst du abermals nicht sogleich die Sünde offenbaren, sondern sollst dir einen oder zwei Zeugen suchen (Mt. 18,15 f.). Des Zeugen bedarf es sowohl wegen des sündigen Tatbestandes – d. h. ist derselbe nicht zu erweisen und wird er von dem Gemeindeglied geleugnet, so befehle man die Sache Gott; Zeugen, nicht Inquisitoren sind die Brüder – als auch wegen der Verstockung des Sünders gegen die Buße. Die Heimlichkeit der Zuchtübung soll dem Sünder die Umkehr erleichtern. Hört er auch jetzt nicht oder ist die Sünde sowieso schon offenbar vor der ganzen Gemeinde, dann ist es Sache der ganzen Gemeinde, den Sün- | der zu ermahnen, zur Umkehr zu rufen (Mt. 18,17; cf. 2. Thess. 3,14). Ist der Sünder Träger eines Amtes der Gemeinde, so soll er nur auf zweier oder dreier Zeugen Anklage hin verklagt werden.26 „Die da sündigen, die strafe vor allen, auf daß sich auch die anderen fürchten“ (1. Tim. 5,20). Nun ist die Gemeinde aufgerufen, mit dem Amtsträger zusammen das Schlüsselamt zu verwalten. Der öffentliche Spruch bedarf der öffentlichen Vertretung der Gemeinde und des Amtes. „Ich beschwöre dich vor Gott und dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln, daß du solches haltest ohne eigenes Vorurteil und nichts tust nach Gunst“ (1. Tim. 5,21), denn nun soll Gottes eigenes Urteil über den Sünder ergehen. Tut dieser aufrichtige Buße, bekennt er öffentlich seine Sünde, so empfängt er die Vergebung aller seiner Sünden im Namen Gottes (cf. 2. Kor. 2,6 ff.27), beharrt er bei seiner Sünde, so muß ihm die Gemeinde im Namen Gottes seine Sünde behalten. Das aber bedeutet den Ausschluß aus jeder Gemeinschaft der Gemeinde. „Halte ihn für einen Heiden und Zöllner“ (Mt. 18,17), „Wahrlich, ich sage euch;28 was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein“ … „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt. 18,18 ff.29). Im Ausschluß aus der Gemeinde aber wird nur bestätigt, was schon Tatsache ist, nämlich daß der unbußfertige Sünder ein solcher ist, der „sich selbst verurteilt hat“ (Tit. 3,1030). Nicht die Gemeinde verurteilt ihn, er selbst hat das Urteil gesprochen. Diesen vollkommenen Ausschluß bezeichnet Paulus mit „dem Satan übergeben“ (1. Kor. 5,5; 1. Tim. 1,20). Der Schuldige wird der Welt zurückgegeben, in der der Satan herrscht und den Tod wirkt. (Daß hier nicht an einen Akt der Todesstrafe wie Act. 5 gedacht ist, beweist ein Vergleich von 1. Tim. 1,20 und 2. Tim. 2,17; 4,15). Der Schuldige ist aus der Gemein- | schaft des Leibes Christi ausgestoßen, weil er sich selbst getrennt hat, kein Anrecht an die Gemeinde steht ihm mehr zu. Dennoch bleibt auch dieses letzte Handeln noch ganz im Dienste des Heilszieles mit dem Betroffenen, „daß der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu“ (1. Kor. 5,5), „daß er gezüchtigt werde, nicht mehr zu lästern“ (1. Tim. 1,20). Die Rückkehr zur Gemeinde oder die Erlangung des Heiles bleibt das Ziel der Gemeindezucht. Sie bleibt pädagogisches Handeln. So gewiß der Spruch der Gemeinde in Ewigkeit besteht, wo der andere nicht Buße tut, so ist dieser Spruch, in dem dem Sünder das Heil genommen werden muß, nur das letztmögliche Angebot der Gemeinschaft der Gemeinde und des Heils.
Fragen wir noch einmal nach der Begründung der Gemeindezuchtübung, so steht an erster Stelle der Auftrag der Verwaltung beider Schlüssel. Um des Heiligtums des Evangeliums willen muß der Bindeschlüssel geübt werden; d. h. vom Menschen her gesehen: um der Rettung des Sünders willen muß der Sünder gestraft werden; d. h. von der Gemeinde her gesehen: um der Reinheit der Gemeinde willen müssen die unreinen Gefäße hinweggetan werden (2. Tim. 2,21)31. Die Gemeinde, die dem Sünder Gemeinschaft gewährt ohne Zuchtübung, macht sich selbst mitschuldig an seiner Sünde (2. Joh. 11). Sie muß daher besondere Vorsicht üben, ehe sie einem Gemeindeglied eine Verantwortung in der Gemeinde gibt, der es nicht gewachsen ist (1. Tim. 5,22).32
Jenseits aller Gemeindezuchtübung, die immer im Dienst der Barmherzigkeit steht, selbst über die Auslieferung des hartnäkkigen Sünders an den Satan hinaus, kennt das Neue Testament als furchtbarste Strafe die Verfluchung, das Anathema.33 Sie ist nicht mehr verbunden mit dem Heilszweck. Sie tritt als Vorwegnahme des göttlichen Urteils auf. Im Alten Testament entspricht ihr der „Cherem“34, der an Gottlosen vollstreckt wird. Er bedeutet definitive Absonderung von der Gemeinde. Der Gebannte wird getötet. Da- | mit ist ein Doppeltes gesagt: Die Gemeinde vermag den Gebannten unter keinen Umständen mehr zu tragen und zu absolvieren. Darum wird er Gott allein hingegeben. Damit aber ist der Gebannte zugleich verflucht und doch heilig, heilig, weil er Gott ausgeliefert ist. Weil er aber Gott allein gehört als Verfluchter, darum kann die Gemeinde hier nicht mehr Heilsabsichten verfolgen. Daß Anathema Trennung vom Heil bedeutet, beweist R. 9,3. Daß Anathema eschatologisch bezogen ist, legt 1. Kor. 16,22 nahe. Daß vom Anathema der getroffen wird, der das Evangelium selbst durch seine Predigt willentlich zerstört, sagt Gal. 1,8 f. Es ist gewiß kein Zufall, daß die einzige Stelle, die über bestimmte Menschen das Anathema spricht, sich auf die Irrlehrer bezieht. Doctrina est coelum, vita terra (Luther).35

9. Die Lehrzucht ist von der Gemeindezucht insofern verschieden, als letztere aus rechter Lehre, d. h. aus rechtem Gebrauch der Schlüssel folgt, erstere sich aber gegen den Mißbrauch der Lehre selbst richtet. Durch falsche Lehre wird die Quelle des Lebens der Gemeinde und der Gemeindezucht verdorben. Darum wiegt die Versündigung gegen die Lehre schwerer als die Versündigung im Wandel. Lehrzucht erstreckt sich in erster Linie auf die Träger des Lehramtes in der Kirche. Voraussetzung von allem ist, daß bei der Übertragung des Amtes Gewähr dafür besteht, daß der Amtsträger διδακτικός, zur Lehre befähigt ist (1. Tim. 3,2; 2. Tim. 2,24; Tit. 1,9), „tüchtig auch andere zu lehren“ (2. Tim. 2,2), daß keinem die Hände voreilig aufgelegt werden,36 weil sonst dessen Schuld auf den zurückfällt, der ihn einsetzte (1. Tim. 5,22). Die Lehrzucht setzt also bereits vor der Berufung ins Lehramt ein. An der äußersten Gewissenhaftigkeit hängt hier Leben und Tod von Gemeinden. Die Lehrzucht aber hat mit der Berufung ins Lehramt kein Ende, vielmehr erst ihren Anfang. In unaufhörlicher Ermahnung muß selbst der bewährte Amtsträger – Timo- | theus – zur Bewahrung der rechten, heilsamen Lehre angehalten werden. Das Lesen der Schrift wird ihm dafür besonders nahe gelegt. Zu groß ist die Gefahr des Abirrens (2. Tim. 3,10; 3,14; 4,2; 2,15; 1. Tim. 4,13.16; Tit. 1,9; 3,8). Dazu muß aber noch die Ermahnung zum vorbildlichen Lebenswandel kommen „Habe acht auf dich selbst und die Lehre“ (1. Tim. 4,13 f.37; Act. 20,28). Zur Keuschheit, Demut, Unparteilichkeit, zum Fleiß ermahnt zu werden, ist für Timotheus keine Beschämung. So steht vor aller Gemeindezuchtübung die Übung der Zucht an den Amtsträgern. Es ist die Aufgabe des Amtsträgers, in seiner Gemeinde die rechte Lehre zu verbreiten und jeder Verkehrung entgegenzutreten. Treten Lehrverschiedenheiten in der Gemeinde auf, so soll die Gemeinde wissen, daß gewisse Unterschiede in der Weise der Verkündigung unvermeidlich sind. Aber ob apollisch, ob paulisch, ob petrisch, es soll in allen Dingen dem einen ungeteilten Christus gedient werden (1. Kor. 1,11 ff.38). Alle bewußten Schulbildungen freilich sollen vermieden werden, weil hier leicht jeder sein Eigenes sucht, aufgeblasen wird, und weil so die Schulbildung eine Brutstätte des Ungehorsams gegen Christus wird (1. Tim. 6,5.20; 2. Tim. 2,16; 3,7 f.; Tit. 1,10). Dazu kommt die Schwierigkeit, erlaubte Schulunterschiede und unzulässige Irrlehren zu unterscheiden (vgl. z. B. Offenbarung 2,6 und 2,15).39 Wo offenbare Irrlehre einzieht, dort soll der Amtsträger gebieten, „daß sie nicht anders lehrten“ (1. Tim. 1,3); denn er trägt das Lehramt und kann gebieten. Weiter soll er warnen und erinnern, das Wortgezänk zu meiden (2. Tim. 2,14). Ist einer als Irrlehrer offenbar, so soll er „einmal und abermals ermahnt“ werden. Hört er nicht, so soll mit einem ketzerischen Menschen die Gemeinschaft abgebrochen werden (Tit. 3,10; 1. Tim. 6,4 f.); denn er verführt die Gemeinde (2. Tim. 3,6 f.). „Wer nicht in der Lehre Christi bleibt, der hat keinen Gott“. Einem solchen falschen Leh- | rer soll auch die häusliche Gemeinschaft und der fromme Grußwunsch versagt werden (2. Joh. 1040). Im Irrlehrer kommt der Widerchrist. Nicht der Sünder in seinem Lebenswandel, sondern allein der Irrlehrer wird Antichrist genannt. Ihm allein gilt das Anathema von Gal. 1,9.41
Über das Verhältnis von Lehrzucht und Gemeindezucht gilt: Es gibt keine Gemeindezucht ohne Lehrzucht. Es gibt aber auch keine Lehrzucht, die nicht zur Gemeindezucht führen müßte. Paulus wirft den Korinthern vor, daß sie in ihrer Aufgeblasenheit Schismata42 anrichten wollen ohne doch Gemeindezucht zu üben (1. Kor. 5,2). Diese Trennung der Lehrfrage von der Frage des Wandels in der Gemeinde ist unmöglich.

10. Gemeindezucht setzt nicht nur ein intaktes Lehramt, sondern eine rechte Ordnung der Ämter in der Gemeinde voraus. Die Ordnung der Gemeinde muß im Dienst der rechten Verwaltung des Schlüsselamtes und aller daraus folgenden Handlungen der Gemeinde stehen. Die Gemeinde ist der Leib Christi, in dem bis in alle Gliederungen hinein allein sein Geist regiert. Das Neue Testament bezeugt die Einsetzung der kirchlichen Ämter durch Gott selbst (1. Kor. 12,28), durch Christus (Eph. 4,11), durch den Heiligen Geist (Act. 20,28), durch die Gemeinde unter dem Beistand des Heiligen Geistes (Act. 6,5; 13,2), durch die Apostel und Amtsträger nach sorgfältiger Prüfung (Tit. 1,5; 1. Tim. 5,2343). Die Einsetzung in kirchliche Ämter von außerhalb der Gemeinde her ist für das Neue Testament undenkbar. Denn die Gemeinde ist der Leib Christi. Zwar gibt es für den Aufbau der Ämterordnung in der Gemeinde keine festen Regeln. Die Gemeinde in Jerusalem ist anders geordnet als die kleinasiatischen. Hier besteht Freiheit, daß nur „alles geschehe zur Besserung“ (1. Kor. 14,26), das heißt zur rechten Auferbauung des Leibes Christi durch die Gewalt der Schlüssel.44

29.2. THESEN NACH DEM VORTRAG IN FINKENWALDE (NACHSCHRIFT)45

Thesen

1) Wichtig ist es, daß wir für unser kirchliches Handeln in Sachen der Gemeindezucht einen Auftrag haben müssen. Er liegt im Bindeschlüssel, ohne den der Löseschlüssel nicht gegeben ist.
2) Greift die Kirche nicht Gott mit dem Schlüsselamt vor und setzt sich an die Stelle des Heiligen Geistes? Antwort: Christus gibt ihr das gerade, die Vollmacht Gottes – Matth. 1846. Ohne den Schutz des Bindeschlüssels wird Gottes Gnade eine Idee.
3) Können wir uns in der Ausübung des Bindeschlüssels nicht irren? Antwort: Luther sagt: Wenn einer zu Unrecht gebannt wird, ist das die größte Gnade für ihn. Wir müssen es wagen.47
4.) Haben wir heute überhaupt eine Kirche, an der wir Zucht üben können? Muß man nicht warten, bis uns wieder Kirche gegeben wird? Und bis dahin die Mißstände tragen? Antwort: In dieser verrotteten Kirche ist die Una Sancta.48 Wir brauchen nicht auf sie zu warten, sondern müssen die vorhandene Kirche durch Kirchenzucht beschneiden, so kommt die Kirche. Wir müssen das Wort, das uns die Schlüsselgewalt gibt, als Verheißung ergreifen und so mit ihm arbeiten.
5.) Da bei Einführung der Kirchenzucht Unverständnis zu befürchten ist, muß man der Gemeinde das Versäumnis zeigen und ihr sagen, wie hier die Zucht einzusetzen hat.

29.3. AUSSPRACHE ÜBER DEN VORTRAG „SCHLÜSSELGEWALT UND GEMEINDEZUCHT IM NEUEN TESTAMENT UND BEI DEN REFORMATOREN“ (NACHSCHRIFT)49

Die Aussprache bewegt sich um folgende Fragenkreise: I. Verhältnis von Predigt und Beichte. II. Verhältnis von Wort und Sakrament. III. Bestimmung der konfessionellen Unterschiede in Bezug auf die Lehre von der Schlüsselgewalt. IV. Wege zur praktischen Durchführung.

Aussprache: Verhältnis Predigt und Beichte:

Bonhoeffer: Kein Unterschied in der Gabe, sondern ein Unterschied in der Gewißheit. Der Unterschied Wort – Sakrament ist auch ein Unterschied in der Gabe. Die Predigt ist volles Verkündigen des Heils, aber unter Vorbehalt des Glaubens. In der Beichte ist das unmittelbare Absolutionswort da, weil Erkundung des Glaubens vorhergegangen. Bei der Predigt ist Anfechtung möglich, von dieser Anfechtung und Sorge soll ich im Beichtgespräch frei gemacht werden.
Schniewind: Ist die Bedingung: wenn ihr glaubt – so ganz biblisch? Darf ich nicht glauben, daß das Wort Glauben wirkt, wenn es ergeht. Ebenso beim Gespräch. Ganz zufällige Worte benutzt Gott oft. Der Zweifel kann sich auch an das Beichtgespräch hängen. Das ganze Wort ist παράκλησις50, „seelsorgerliche Predigt“, das ist es, worauf heute alle warten. Jede wirkliche Predigt ist eine Art Beichte.
Bonhoeffer: Beichte ist eine besondere Gnade Gottes, die mir hilft in der Anfechtung, ob etwa ich mir selbst gnädig bin, ob ich Rechtfertigung der Sünde glaube und nicht Rechtfertigung des Sünders.
Schniewind: Die Einsamkeit des Einzelnen vor Gott kann auch in der Einsamkeit von Bruder zu Bruder nur geahnt werden. – Der Freispruch ist zugleich das Todesurteil. Du darfst dich für tot erachten, du bist vor Gottes Urteil tot.

II. Wort und Sakrament

Bonhoeffer: Die Gabe im Wort ist anders. Im Wesen identisch und doch nur im Sakrament die Teilhabe am Leibe Christi.
Schniewind: Dasselbe gilt auch vom Wort. Ich weiß nicht, ob wir über das verbum visibile51 hinauskommen können. Denn im Wort habe ich ihn52 selbst und ich kann ihn nie mehr haben als im Wort. – Gewiß nimmt das Abendmahl längst nicht mehr die Stelle ein bei uns wie im Urchristentum und im Neuen Testament. Christus handelt, leidet, redet in der Gemeinde, er ist garnicht anders da. Vom Wort her kommt dann das Leiden, die Heiligung, die Ordnung. Das Sakrament ist wie die irdische Gegenwart Jesu unter seinen Jüngern. Das Höchste ist das Wort.

III. Die konfessionelle Unterscheidung

Wird nicht ausführlich besprochen. Schniewind: Das Letzte im Unterschied liegt in der Stellung zum Gesetz. Die Reformierten kämpfen gegen den Antinomismus, die Lutheraner gegen den Nomismus.53 Reformiertes Charisma = die Warnung vor der securitas54; aber wehe, wenn wir darin stecken bleiben und nicht mehr hören: certissimus es!55

IV. Praktische Fragen

Giersch56: Frage: ob Kirchenzucht (oder Ordnung), hängt nicht am „Fall“ sondern am Handeln in diesem Fall.
Gibt es verschiedene Zucht bei der Bekennenden Kirche und bei denen, die draußen?
Bonhoeffer: Bei uns geht es an; Gericht am Hause Gottes.57 Wenn wir in die Buße gehen, wenn es bei uns Theologen in der Bekennenden Kirche anhebt, dann werden die Heiden spüren: Hier redet Gott. Dann werden auch sie kommen.
Schniewind: Bitte um den Heiligen Geist. Daß man mit Furcht und Zittern vor Gott steht,58 das ist die Sache, und mit großer Freude, (unendlicher Freude), denn das ist die Vergebung.
Bonhoeffer: Es geht zuerst durch uns und dann auf dem Weg der Predigt Schritt für Schritt weiter. Viel Geduld nötig!
Schniewind: (Es hatte einer davon gesprochen, ob er bisher Bußpredigt in seiner Gemeinde gehalten.) Ich „will“ gar nicht Bußpredigt halten. Kann garnicht Bußpredigt halten wollen. Wort Gottes = lebendig, schärfer denn ein zweischneidiges Schwert59. – Tholucks Predigten waren so nüchtern wie nur möglich, und jede Predigt ging in’s Zentrum! Aber man kann das nicht sagen wollen, sich vornehmen. „Wehe uns, wenn wir nicht …“, heißt es da.60

 

 

 

 

TEIL III

Predigten, Meditationen, Bibelarbeiten

 

a) Erster Kurs. Aufbau des Predigerseminars in Zingst und Finkenwalde
26. April–16. Oktober 1935

1. PREDIGT ZU PSALM 42. ZINGST, EXAUDI, 2. 6. 19351

Psalm 42

Eine Unterweisung der Kinder Korah, vorzusingen.
Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue?
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
Wenn ich denn des innewerde, so schütte ich mein Herz aus bei mir selbst; denn ich wollte gerne hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes, mit Frohlocken und Danken unter dem Haufen derer, die da feiern.
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, daß er mir hilft mit seinem Angesicht.
Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir; darum gedenke ich an dich im Lande am Jordan und Hermonim, auf dem kleinen Berg.
Deine Fluten rauschen daher, daß hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich.
Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens.
Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen? Warum muß ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt?
Es ist als ein Mord in meinen Gebeinen, daß mich meine Feinde schmähen, wenn sie täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott?
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Hast du in einer kalten Herbstnacht im Walde einmal das durchdringende Schreien eines Hirsches gehört? Der ganze Wald erschauert unter diesem Schrei des Verlangens. So schreit hier eine menschliche Seele, nicht nach einem irdischen Gut, sondern nach Gott. Ein Frommer, dem Gott ferne gerückt ist, verlangt nach dem Gott des Heils und der Gnade. Er kennt den Gott, zu dem er schreit. Er ist nicht der Sucher nach dem unbekannten Gott2, der nie etwas finden wird. Er hat Gottes Hilfe und Nähe einst erfahren. Darum braucht er nicht ins Leere zu rufen. Er ruft seinen Gott an. Wir können Gott nur recht suchen, wenn er sich uns schon offenbart hat, wenn wir schon einmal gefunden haben.3
Herr Gott, erwecke in meiner Seele das große Verlangen nach dir. Du kennst mich und ich kenne dich. Hilf mir, dich suchen und finden. Amen.

Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not,
erbarm dich mein, du treuer Gott!
Ich bin ja doch dein liebes Kind
trotz Teufel, Welt und aller Sünd.4 |

Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue?
Durst nach Gott. Wir kennen den leiblichen Durst, wenn kein Wasser da ist, wir kennen den Durst der Leidenschaft nach Glück und Leben. Kennen wir auch den Durst der Seele nach Gott? Ein Gott, der nur ein Gedanke oder ein Ideal ist, kann diesen Durst niemals stillen. Nach dem lebendigen Gott, dem Gott und Ursprung allen wahren Lebens, dürstet unsere Seele. Wann wird er unseren Durst stillen? Wenn wir dahin kommen, daß wir sein Angesicht schauen. Gottes Angesicht schauen, das ist das Ziel allen Lebens und das ewige Leben. Wir sehen es in Jesus Christus, dem Gekreuzigten. Haben wir es hier gefunden, dann dürsten wir danach, es in aller Klarheit in Ewigkeit zu schauen. Jesus spricht: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“ (Joh. 7,37).
Herr, uns verlangt, dich zu schauen von Angesicht zu Angesicht.5 Amen.

Süßes Licht, süßes Licht,
Sonne, die durch Wolken bricht!
O wann werd ich dahin kommen,
daß ich dort mit allen Frommen
schau dein holdes Angesicht?6

Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
Wo ist dein Gott? so fragt man uns unruhig, zweifelnd oder höhnisch. Tod, Sünde, Not und Krieg, auch Tapferkeit, Macht und Ehre – das sieht man. Aber wo ist dein Gott? Der Tränen, die darüber fließen, daß wir Gott noch nicht sehen, daß wir ihn unsern Brüdern nicht beweisen können, braucht sich keiner zu schämen. Es sind Tränen, die um Gottes willen geweint werden und die er zählt (Psalm 56,9). | Wo ist dein Gott? Was können wir antworten als auf den Mann zeigen, der sich in Leben, Sterben und Auferstehen als Gottes echter Sohn erwies, Jesus Christus. Er ist im Tode unser Leben, in Sünde unsere Vergebung, in Not unser Helfer, in Krieg unser Friede. „Auf diesen Menschen sollst du zeigen und sprechen: das ist Gott“ (Luther).7
Herr Jesus, wenn ich angefochten bin, weil ich Gott und seine Macht und Liebe nicht sehen kann in dieser Welt, so laß mich fest auf dich blicken, denn du bist mein Herr und mein Gott. Amen.

Such, wer da will, ein ander Ziel,
die Seligkeit zu finden;
mein Herz allein bedacht soll sein,
auf Christum sich zu gründen;
sein Wort ist wahr, sein Werk sind klar,
sein heilger Mund hat Kraft und Grund,
all Feind zu überwinden.8

Wenn ich denn des innewerde, so schütte ich mein Herz aus bei mir selbst; denn ich wollte gerne hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken unter dem Haufen derer, die da feiern.
Ich bin allein. Da ist keiner, dem ich mein Herz ausschütten kann. So tue ich es vor mir selbst und vor dem Gott, zu dem ich schreie. Es ist gut, sein Herz auszuschütten in der Einsamkeit und den Kummer nicht in sich hineinzufressen. Aber je einsamer ich bin, desto größer wird in mir das Verlangen nach der Gemeinschaft mit anderen Christen, nach gemeinsamem Gottesdienst, gemeinsamem Beten und Singen, Loben, Danken und Feiern. Ich sehne mich wieder nach der Kirche. Ich erinnere mich an sie, und die Liebe zu ihr wird groß in mir. Wer nach Gott ruft, ruft nach Jesus Christus, wer nach Jesus Christus ruft, ruft nach der Kirche.
Gott Heiliger Geist, schenke mir Brüder, mit denen ich im | Glauben und Gebet Gemeinschaft habe, mit denen ich alles tragen kann, was mir auferlegt ist. Führe mich zurück in deine Kirche, zu deinem Wort und zum Heiligen Abendmahl. Amen.

Herz und Herz vereint zusammen
sucht in Gottes Herzen Ruh.
Lasset eure Liebesflammen
lodern auf den Heiland zu.
Er das Haupt, wir seine Glieder,
er das Licht und wir der Schein,
er der Meister, wir die Brüder,
er ist unser, wir sind sein.9

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! Denn ich werde ihm noch danken, daß er mir hilft mit seinem Angesicht.
Betrübnis und Unruhe währen nur eine kurze Zeit. Sie sollen mein Herz nicht gefangen nehmen. Sprich auch du zu deiner Seele, laß es ihr nicht zu, daß sie sich quält und Sorgen macht. Sag zu ihr: Harre auf Gott! Harre nicht von einem Tag zum andern auf mehr Not, mehr Unheil, harre auch nicht auf plötzliche glückliche Wendungen aller Dinge, sondern harre auf Gott! Sein Angesicht, das ist Jesus Christus, wird mir gewiß helfen, und ich werde ihm gewiß dafür danken. Ist Jesus bei dir, dann kannst du nur noch danken.
Dreieiniger Gott, mache mein Herz fest und gründe es allein auf dich und deine Hilfe. Dann ist mir geholfen und ich will dir in Ewigkeit danken. Amen.

Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christum noch,
wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
den mir schon Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?10 |

Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir; darum gedenke ich an dich im Lande am Jordan und Hermonim, auf dem kleinen Berge.
Warum dieser Rückfall? Muß denn auf Trost immer wieder Traurigkeit folgen? Das ist das menschliche Herz, das sich nicht trösten lassen will, das von einer Betrübnis in die andere fällt und nur durch Gott festgehalten werden kann. Fern vom Tempel in Jerusalem, fern von der Kirche und der Gemeinschaft der Gläubigen bleibt die Sehnsucht ungestillt und wach. Die Gedanken gehen zu der geistlichen Heimat, in der Friede und Freude sein wird und das Herz bei Gott einkehrt. Wann werde ich sie wiedersehen?
Vater, wenn du mich in die Fremde schickst, dann erhalte mir die heilsame Sehnsucht nach meiner geistlichen Heimat, und richte meine Gedanken auf die ewige Heimat, in der du uns trösten wirst. Amen.

Jerusalem, du hochgebaute Stadt,
wollt Gott, ich wär in dir!
Mein sehnlich Herz so groß Verlangen hat
und ist nicht mehr bei mir;
weit über Berg und Tale,
weit über blaches Feld
schwingt es sich über alle
und eilt aus dieser Welt.11

Deine Fluten rauschen daher, daß hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich.
Fluten, Wogen und Wellen – hörst du, wie das Meer der Welt hier über den Frommen hereinbricht? Es will ihn verschlingen, er ist wie ein Ertrinkender, der keinen Grund mehr findet und dessen Kräfte versagen. So kann die Welt Macht über uns gewinnen. Kennen wir aber auch den, dem | Wind und Meer gehorsam sind (Matth. 8,23–27), der zu seiner Zeit aufsteht und das Meer bedroht, und es wird ganz stille?
Herr Jesus Christus, laß mich nicht versinken! Sprich dein starkes Wort und errette mich! Du allein kannst es. Amen.

Einst in meiner letzten Not
laß mich nicht versinken.
Soll ich von dem bittern Tod
Well auf Welle trinken,
reiche mir dann liebentbrannt,
Herr, Herr, deine Glaubenshand!
Christ Kyrie, komm zu uns auf die See!12

Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens.
Tag und Nacht, wie endlos lang und trostlos sind sie, wenn wir ohne Gott sind. Aber wie fröhlich wird der böseste Tag, wenn ich Gottes Güte darin festhalte und glaube, wenn ich weiß, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen13; und wie still und erlösend wird die tiefste Nacht, wenn ich in ihr zu Gott singe und bete, zu dem Gott, der nicht meinen Tod, sondern mein Leben will, zu dem Gott meines Lebens. Gottes Verheißungen gelten und erfüllen Tag und Nacht, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Wenn ich sie nur ergreife!
Gott, Heiliger Geist, mache alle deine Verheißungen wahr an mir. Ich bin bereit, Tag und Nacht. Erfülle du mich ganz. Amen.

Sollt ich meinem Gott nicht singen?
Sollt ich ihm nicht dankbar sein?
Denn ich seh in allen Dingen,
wie so gut er’s mit mir mein.
Ist’s doch nichts als lauter Lieben, |
das sein treues Herze regt,
das ohn Ende hebt und trägt,
die in seinem Dienst sich üben.
Alles Ding währt seine Zeit,
Gottes Lieb in Ewigkeit.14

Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen? Warum muß ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt?
Warum hast du mein vergessen? Jedem Christen kommt einmal diese Frage über die Lippen, wenn alles gegen ihn steht, wenn ihm alle irdische Hoffnung zerbricht, wenn er sich in dem Lauf der großen Weltereignisse gänzlich verloren fühlt, wenn alle Lebensziele scheitern und alles sinnlos scheint. Dann aber kommt es darauf an, an wen er diese Frage richtet. Nicht an ein dunkles Schicksal, sondern an den Gott, der mein Fels ist und bleibt, der ewige Grund, auf dem mein Leben ruht. Ich gerate in Zweifel, Gott bleibt fest wie ein Fels; ich schwanke, Gott steht unerschütterlich; ich werde untreu, Gott bleibt treu, Gott mein Fels.
Herr, mein Gott, sei mir ein fester Grund, auf den ich in dieser und in jener Zeit bauen kann. Amen.

Laß mich dein sein und bleiben,
du treuer Gott und Herr,
von dir laß mich nichts treiben,
halt mich bei deiner Lehr.
Herr, laß mich nur nicht wanken,
gib mir Beständigkeit;
dafür will ich dir danken
in alle Ewigkeit.15

Es ist wie ein Mord in meinen Gebeinen, daß mich meine Feinde schmähen, wenn sie täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? |
Schmach dulden und zum Gespött werden um des Glaubens willen, das ist eine Auszeichnung der Frommen seit Jahrtausenden. Es tut Leib und Seele weh, wenn kein Tag vergeht, ohne daß der Name Gottes angezweifelt und gelästert wird. Wo ist nun dein Gott? Ich bekenne ihn vor der Welt und vor allen Feinden Gottes, wenn ich in tiefster Not an Gottes Güte, in Schuld an die Vergebung, im Tod an das Leben, in der Niederlage an den Sieg, in der Verlassenheit an Gottes gnädige Gegenwart glaube. Wer Gott im Kreuze Jesu Christi gefunden hat, weiß, wie wunderlich sich Gott in dieser Welt verbirgt und wie er gerade dort am nächsten ist, wo wir ihn am fernsten glauben. Wer Gott im Kreuz gefunden hat, der vergibt auch allen seinen Feinden, weil Gott ihm vergeben hat.
Gott, verlaß mich nicht, wenn ich Schmach leiden muß; vergib allen Gottlosen, wie du mir vergeben hast, und bringe uns alle endlich durch das Kreuz deines lieben Sohnes zu dir. Amen.

Herr, unser Gott, laß nicht zuschanden werden
die, so in ihren Nöten und Beschwerden
bei Tag und Nacht auf deine Güte hoffen
und zu dir rufen.16

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
So laß nun allen Kummer fahren und warte! Gott weiß die Stunde der Hilfe und die wird kommen, so wahr Gott Gott ist. Er wird deines Angesichts Hilfe sein; denn er kennt dich und hat dich geliebt, ehe er dich schuf. Er will dich nicht fallen lassen. Du bist in seinen Händen. Zuletzt wirst du für alles, was dir widerfuhr, nur danken können, denn du hast gelernt, daß der allmächtige Gott dein Gott ist. Dein Heil heißt Jesus Christus. |
Dreieiniger Gott, ich danke dir, daß du mich erwählt und geliebt hast. Ich danke dir für alle Wege, die du mich führst. Ich danke dir, daß du mein Gott bist. Amen.

Weicht, ihr Trauergeister,
denn mein Freudenmeister,
Jesus, tritt herein.
Denen, die Gott lieben,
muß auch ihr Betrüben
lauter Freude sein.
Duld ich schon
hier Spott und Hohn,
dennoch bleibst du auch im Leide,
Jesu, meine Freude.17

2. PREDIGT ZU SACHARJA 3,1–5. FINKENWALDE, 5. SONNTAG NACH TRINITATIS, 21. 7. 19351

den 21. VII. 35.

Sacharja 3,1–5.

[Und mir ward gezeigt der Hohepriester Josua, stehend vor dem Engel des Herrn; und der Satan stund zu seiner Rechten, daß er ihm widerstünde. Und der Herr sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan! ja, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählet hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist? Und Josua hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel, welcher antwortete und sprach zu denen, die vor ihm stunden: Tut die unreinen Kleider von ihm! Und er sprach zu ihm: Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen. Und er sprach: Setzt einen reinen Hut auf sein Haupt! Und sie setzten einen reinen Hut auf sein Haupt und zogen ihm Kleider an, und der Engel des Herrn stund da.]

„- und mir ward gezeigt“ – wem etwas gezeigt wird, der bekommt etwas zu sehen mit seinen Augen. Der Prophet hat Augen – seht euch all die alten Propheten bilder an, die zu einer Zeit gemalt wurden als man noch etwas verstand von der Bibel – auf die Augen kommt’s an, die Augen machen den Propheten. Es ist ein dunkles Rätsel über uns, daß wir in göttlichen Dingen keine Augen haben, auf die Ohren kommt’s bei uns an, das Hören macht den Christen und den Glaubenden. „Nur die Decke vor den Augen kann nicht taugen, seine Klarheit kann nicht ein …“, „denn das ist die größte | Plage, wenn am Tage man das Licht nicht sehen kann.“2 Das sind wir – sagen können wir’s wohl, verkündigen, schreien, daß einem die Ohren davon gellen und hören können wir’s täglich in unserer verfallenen Welt, über unser von der Sünde zerfressenes Leben es uns sagen lassen – es ist eine neue Welt, es ist ein neues Leben, so hört doch – aber sehen können wir es nicht. Denn „die Decke vor den Augen kann nicht taugen“. Tod sehen wir und langsame Verwesung und Zersetzung, Krankheit und Leid sehen wir, Kampf und Mord und Trotz3 und Verzweiflung sehen wir – und wir hören gegen all das was wir sehen das wunderliche Geschrei4 – glaubt dem nicht, was ihr seht – glaubt aber dem, was ihr hört – es ist alles schon zu Ende gegangen, was ihr seht – der Tod ist tot, der Kampf ist geschlagen5, die Sünde ist selbst zur Sünde geworden – die Welt eurer Augen lebt nicht mehr – werdet Menschen des Hörens, Menschen, die Ohren haben, denn Gott redet zu euch durch eure Ohren.6
„– und mir ward gezeigt“ – sagt der Prophet, abermals: wir hören nur, daß er es sagt, er hat es gesehen. Nicht mit frechen, vorwitzigen Augen, die zu sehen begehren, was sie nicht sehen dürfen, sondern mit geöffneten Augen, vom Herrn geöffnet und erleuchtet, mit gehorsamen Augen. Die Decke vor den Augen ist hier einen Augenblick fortgetan, die Hülle der Welt und der Zeit fällt für einen Augenblick – und die Augen tun sich weit und staunend auf – „und mir ward gezeigt“ – von Gott gezeigt.
„Der Hohepriester Josua“ – seltsam! täglich konnte der Prophet ihn sehen im Tempel, in der Gemeinde. Jeder kannte ihn, das Haupt der jüdischen Gemeinde, die aus der Verbannung zurückgekehrt war; jeder wußte, daß er es war, der ans Werk ging, den vom Feind zerstörten Tempel, die verwüstete Gemeinde Gottes und die alten Gottesdienste wieder aufzurichten.7 Wenn irgend einer so | war er es, auf dessen Frömmigkeit und Gerechtigkeit, auf dessen Eifer um den Tempel Gottes, auf dessen unerschütterlichen Glauben an die Verheißung jeder Jude ehrfurchtsvoll sah und sich vor ihm beugte, auf den man alle Hoffnung setzte, der jedem ein frommes Vorbild war in jenen Tagen der Erneuerung der Kirche Gottes. „Der Hohepriester Josua“ – der erwählte Mann Gottes – vor dem Volk stehend, für es opfernd und im Gebet eintretend, warnend und tröstend und aufrufend – so hatte ihn jeder schon gesehen –.
„Der Hohepriester Josua, stehend vor dem Engel des Herrn“ – nicht vor dem Altar, nicht vor dem Volk, sondern nun gegenüberstehend dem Engel des Herrn. Dort wo jeder Mensch einmal stehen muß, nein, wo er eigentlich jeden Augenblick steht, ob er es weiß oder nicht, dort wo alles Licht ist und alles ans Licht kommt,8 dort wo der Mensch im Gebet täglich selbst hintritt – wie sollte dort nicht auch der Hohepriester Josua stehen? wie sollte der fromme und heilige Priester dort nicht gerade am rechten Ort sein? Was für ein herrlicheres und verheißungsvolleres Gesicht konnte einem Propheten gezeigt werden?
„– und der Satan stund zu seiner Rechten, daß er ihm widerstünde“ – der Satan neben Josua, dem Hohenpriester! was hat der Satan hier verloren? wer hat ihm den Eingang erlaubt? was hat der Satan an diesem Mann? Nicht scheu und enttäuscht und geprellt um eine kostbare Beute steht er da, sondern als der Ankläger, als der Feind, „daß er ihm widerstünde“, daß er furchtbare Dinge gegen ihn sagte, daß er ans Licht brächte, was verborgen blieb in der Welt, daß er ihn enthüllte, daß er ihn zum Sünder machte, zum Ungerechten – ihn, den Hohenpriester Josua! – „der Satan stund zu seiner Rechten“ – Josua hat das Heil nicht verdient, er ist ein Heilloser, wie alle anderen Menschen, sein Priesterkleid hat ihn nicht zu retten vermocht, er ist nicht der erste Priester und Papst und Pfarrer und Heilige, der mir gehört – so sagt | Satan. Der Satan hat Freude daran, den Heiligen zu verklagen – kommt da ein armer elender Sünder vor den Thron Gottes, so hat der Satan wenig Freude dran, kommt da aber einer mit dem Glanz der Frömmigkeit und der Gerechtigkeit, kommt da ein Kirchenmann, kommt da ein Kirchenreformer, einer, der vor der Welt ein Mann Gottes war, so fährt er herzu, so muß der Teufel dabei sein, so ist er unwiderstehlich selbst auf dem Plan, hier ist er grade am rechten Ort. Hier in Josua stand ja die ganze erneuerte Kirche Gottes vor dem Richterstuhl, die nach Zerstörung und Verwüstung im Glauben an die Verheißung neugebaute Kirche, da muß der Teufel herzu. Der Satan neben Josua dem Hohenpriester – ein furchtbares Gesicht.
Wird Josua sich verteidigen? darf er etwas sagen gegen seinen Ankläger? nein in dieser Stunde hat kein Mensch mehr ein Wort zu sagen, hier gibt es keine Selbstverteidigung mehr, hier reden nur zwei – an ihrem Reden hängt das Urteil – Satan und der ewige Fürsprecher, Christus.9 Josua muß stumm bleiben. Aber Christus, der Herr, redet.
„Und der Herr sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan, ja der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählt hat. Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist?“ Christus10 verteidigt Josua, seinen Hohenpriester. Der Herr schelte dich, Satan – weißt du nicht, daß du an diesem Mann kein Recht hast? Kennst du die Regeln deines Spieles so schlecht, daß du dich an diesem Hohenpriester vergreifst? Der Satan wird gescholten – seltsam, nicht wahr, den Satan zu schelten! – wie soll der Satan das begreifen, der doch nichts anderes will als von Gott gescholten sein? Der Herr schelte dich, du Satan – auch deine Satanei hat ihre Grenzen, die du respektieren solltest – hier ist Gottes Hoherpriester – die Finger weg, Satan,11 – hier ist Gottes Eigentum – „der Jerusalem erwählt hat“ – Jerusalem ist erwählt! es soll neu errichtet werden, der Tempel und die Mauern und die Gottesdienste, dieses | Jerusalem, in dem Josua der Hohepriester ist, ist Gottes Stadt und Kirche, aller Untreue, aller Schwäche, aller Sünde zum Trotz. Wo Gott erwählt hat, da hat der Satan kein Recht, wo Gott sich zu einer Kirche bekennt, da darf der Satan aller Sünde dieser Kirche zum Trotz nicht mehr anklagen – Gottes Erwählung ist stärker als die Anklage des Teufels, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählt hat. „Ist dieser nicht ein Holzscheit, das aus dem Feuer errettet ist“ – herausgerissen aus dem Brand, aus dem Feuer, daß es nicht mitverbrenne, herausgerissen und errettet, von Gott lieb und heilig gehalten, nicht der Verdammung anheimgegeben – wo Gott von einem Menschen sagt: errettet, da hat der Satan sein Recht verloren – erwählt, errettet, sagt der Herr – als Josua, sein Hohepriester vom Satan angeklagt wird.
Aber Josua hatte unreine Kleider an und stund vor dem Engel“ – der Hohepriester in unreinen Kleidern; den der Prophet täglich in den weißen glänzenden Kleidern und in dem heiligen Schmuck seines Amtes im Tempel vor dem Volk sah, er steht mit befleckten, unreinen Kleidern vor Gott. Was ist das für ein furchtbares Bild? Ist Josua, der Hohepriester ein verborgener, heimlicher Sünder? ist er einer von Jenen, die ihr heiliges Kleid zur Decke ihrer Schande und Bosheit tragen, ist er ein Heuchler und Schauspieler, ist er in all seiner Frömmigkeit selbst verwerflich geworden und nun bringt es das Gesicht des Propheten an den Tag? Josua, der Hohepriester, vor dem Engel des Herrn, der Satan ihm zur Seite, um ihn anzuklagen, der Herr für ihn eintretend – aber Josua hatte unreine und befleckte Kleider an.
Hat der Satan nicht recht mit seiner Anklage, hat er nicht ein Recht an diesem Mann, der da in unreinen Kleidern da steht? Was nützt es, wenn der Herr den Satan schilt – wenn er sagt: erwählt, errettet – Josua hatte unreine Kleider an – die Erwählung ist verloren, die Errettung hat nichts geholfen – der Satan hat seine Freude und zeigt auf sein Werk, siehe da „die | unreinen Kleider“! – und Josua, der Hohepriester steht vor Gott in unreinen Kleidern und darf kein Wort sagen.
Eine furchtbare Botschaft, die der Prophet seiner Gemeinde und dem Hohenpriester Josua selbst durch sein Gesicht bringen mußte – wenn Josua unreine Kleider anhatte an jenem Tage, wer sollte denn dann bestehen können, wer sollte dann hoffen dürfen, in reinen Kleidern vor Gott hinzutreten? Wenn Josua unreine Kleider hat, so hat ja die ganze Gemeinde12 selbst unreine Kleider, dann ist es ja mit aller Treue, mit allem Glauben, mit allem Bekenntnis vor der Welt nichts, dann ist ja auch diese heilige Stadt, diese gereinigte Kirche nichts, dann ist alle Heiligkeit vor Gott nur wie ein unreines Kleid.
„Josua hatte unreine Kleider an“ – nein, nicht weil er ein heimlicher Heuchler war, weil er verwerflich wurde hinter der Decke seiner Frömmigkeit – Josua hatte unreine Kleider, weil er vor Gott stand. Weil vor Gott alle unsre Heiligkeit, Frömmigkeit und Gerechtigkeit, all unsere Arbeit an der Kirche, an dem Bau der Stadt, die Gott erwählt hat – ist wie ein unreines Kleid. Wer will es denn wagen, zu sagen aus welcherlei verschiedenen unreinen Fäden das Kleid gewirkt ist, das wir uns und unserer Kirche zu arbeiten am Werk sind,13 wieviel menschlich fatale Unklarheiten dabei im Spiel sind, wie oft uns gerade in unserem kirchlichen Verhalten unser Fleisch und Blut einen bösen Streich spielen – kurz, wir verstehen schon – es gibt keinen Grund zu glauben, daß wir mit reinen Kleidern da stehen würden, wo Josua, der Hohepriester, mit unreinen Kleidern steht. Wo bleibt angesichts solchen Bildes die Hoffnung?
Allein dort, wo sie für Josua stand – er hatte nichts zu sagen, kein Wort der Verteidigung, er trug unreine Kleider, er hatte sein Recht verloren – seine Hoffnung ist der Gott, der ihn vertritt, der für ihn eintritt, der den Satan schilt und verwirft, seine Hoffnung ist der Gott, [der] den Unreinen rein macht – Christus. Gott spricht zum zweiten Mal, er selbst muß nun re- | den und sein Wort ist Tat:
„– tut die unreinen Kleider von ihm“ – reißt sie ab von ihm; Gott will seinen Hohenpriester, den Brand, den er aus dem Feuer gerettet [hat,] nicht so vor sich sehen. Josua soll rein sein – das ist Gottes Machtwort. Gott will es so, der Jerusalem erwählt hat, – und Gott allein kann es tun – „tut die unreinen Kleider von ihm!“ – dieses Werk des Satans, diese Erinnerung an seine Macht und Gewalt und List, – Josua soll rein vor Gott stehen – etwa weil er imgrunde doch rein war, weil die Anklage des Satans ihn nicht treffen konnte? Nein – nur aus einem einzigen Grunde:
„– siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen“ – das ist das rettende Wort, das ist das schöpferische Wort, das ist Gnade und Vergebung – „ich habe deine Sünde von dir genommen“ – ich habe sie genommen, Gott hat es getan, er hat sie getragen und wir sind frei, er tritt für uns ein und spricht uns frei14 – „siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen“ – Josua soll rein sein, frei sein, Josua soll nicht gerichtet werden, Josua soll leben. Von diesem Wort lebt Josua, von dem Wort der Vergebung – er hat unreine Kleider – tut die unreinen Kleider von ihm, sagt Gott, der Allmächtige – siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen, sagt Gott, der Gnädige. Wo Gott die Sünde und Unreinheit von uns nimmt, da ist Vergebung und neues Leben.
„– ich habe dich mit Feierkleidern angezogen“ – was ist dies Feierkleid? Es ist das Wort der Vergebung, das die Sünde und Unreinheit zudeckt, es ist die Gnade, mit der bekleidet15 wir vor Gott treten können. Das Wort Gottes selbst, uns gegeben, uns gesagt, ist das rechte und einzige Feierkleid.
„Und er sprach: setzt einen reinen Hut auf sein Haupt! und sie setzten einen reinen Hut auf sein Haupt und zogen ihm Kleider an und der Engel des Herrn stund da“ – das ist die sichtbare Beglaubigung, das Siegel, das Gott unter sein Wort setzt – das Kleid der neuen Heiligung und Gerechtigkeit. Das ist das Ja Gottes zu Jerusalem, das er erwählt, zu seinem | Hohenpriester, den er errettet hat. Jerusalem ist gereinigt von seiner Sünde, Josua ist geheiligt zu neuem Dienst; nicht aus der eigenen Heiligkeit und Gerechtigkeit, sondern aus der Tat Gottes, der seine Kirche, die er erwählt hat, täglich reinigt und heiligt, der seine Erwählung hält aller Unreinheit zum Trotz. Und der Engel des Herrn stund da: der Satan ist verschwunden, der Engel des Herrn behielt das Feld und tritt schützend zu Josua, dem Hohenpriester.
Dieses Bild und diese Geschichte des Josua ist das Bild und die Geschichte unserer Kirche – merken wir uns diese drei Bilder – ich sah Josua, den Hohenpriester stehend vor dem Engel des Herrn und der Satan stund zu seiner Rechten – die Kirche – in jedem Augenblick und in der letzten Zeit – stehend vor Gott und der Satan verklagt sie – Josua hatte unreine Kleider, die Kirche, unsere Bekennende Kirche steht in unreinen Kleidern vor Gott – Tut die unreinen Kleider von ihr, ich habe ihr Feierkleider angezogen – Gott, sprich so auch zu uns und zu dieser Gemeinde, dieses Wort ist unser Leben, mach uns recht fertig vor dir in reinen Kleidern zu stehen. Amen.

3. SKIZZE ZU PROVERBIA 3,27–331

Sprüche 3,27 ff

[Weigere dich nicht, dem Dürftigen Gutes zu tun, so deine Hand von Gott hat, solches zu tun. Sprich nicht zu deinem Nächsten: „Gehe hin und komm wieder; morgen will ich dir geben“, so du es doch wohl hast. Trachte nicht Böses wider deinen Nächsten, der auf Treue bei dir wohnet. Hadre nicht mit jemand ohne Ursache, so er dir kein Leid getan hat. Eifre nicht einem Freveln nach und erwähle seiner Wege keinen; denn der Herr hat Greuel an dem Abtrünnigen, und sein Geheimnis ist bei den Frommen. Im Hause des Gottlosen ist der Fluch des Herrn; aber das Haus der Gerechten wird gesegnet. Er wird der Spötter spotten; aber den Elenden wird er Gnade geben. Die Weisen werden Ehre erben; aber wenn die Narren hoch kommen, werden sie doch zu Schanden.]

1.) Weisheit [ist] etwas anderes als Wissen und Verstand2, Lebenserfahrung3. Gilt nicht nur für die Alten, sondern gerade auch für die Jungen4. Wissen ist menschlich, Weisheit göttlich. Viel Wissen ohne Weisheit, wenig Wissen und viel Weisheit. Weisheit ist das Geschenk, den Willen Gottes in den konkreten Aufgaben des Lebens zu erkennen. Weisheit ist nicht Lebens-, sondern Gottes-, Christuserfahrung im täglichen Leben. Sie ordnet die Beziehung des Menschen zu seinem Nächsten, des Mannes zur Frau, des Freundes zum Freund, [des] Vaters zum Kind, [des] Lehrers zum Schüler, zum Armen, zum Feind, zum Besitz, zu den Begierden. Das Nächstliegende. Die Weisheit stellt die Ordnungen Gottes in der Welt wieder her. Weisheit ist das Evangelium im täglichen Leben.
2. Vers 27. Wer ist der Dürftige? Jeder von uns. Wer ist [der,] der von Gott empfangen hat zu geben? Jeder von uns. Weigere dich nicht – auf die Bitte nicht sofort nach Gründen suchen, sie auszuschlagen – recht geben heißt Gottes Gaben weitergeben, daß sie nicht als meine, sondern als Gottes Gabe erkannt wird. Die größte Gabe Gottes: Christus. Weigere dich nicht – Trost und Ermahnung!
Vers 28. Nicht hinausschieben, was du heute tun kannst, du machst deinen Tag ärmer. Es kann morgen zu spät sein. So handelt Gott am Sünder!5 Hilfe ist nur dann Hilfe, wenn sie gebraucht wird, nicht wenn es mir gefällt, sie anzubieten. – Verschieben bedeutet ein Nicht–ernstnehmen der letzten Entscheidung [des] Todes6. Jede Bitte kann letzte Entscheidung über uns sein. Mit abgeschlagener Bitte sterben?7 – Mit geplanten guten Taten rechtfertigen wir uns häufig. Wir kommen uns gerecht vor, weil wir Gutes zu tun bereit sind, aber auf das Tun allein kommt es an.
Vers 29. Das Vertrauen nicht mißbrauchen, – durch böse, feindliche Gedanken oder Pläne, durch böse Worte. Nicht über den Bruder reden! Du kannst dann nicht mehr mit dem Bruder reden!8
Vers 30. Ohne Ursache hadern – die Antipathie, jene unbegründete Feindseligkeit, die nicht die Natur, sondern der Teufel in uns gebracht hat. Unter Christen gibt es keine Antipathien. Gott hat dich geliebt, hat den anderen geliebt.
[Vers] 31[f]. Nicht neidisch [sein], wenn es einem auf seinen Wegen besser geht als dir – das Geheimnis, Gott ist zwar verborgen, aber bei uns.
[Vers] 33. Fluch und Segen im Haus, in der Arbeit, in der Gemeinschaft.

4. SKIZZE EINER BEICHTANSPRACHE ZU PROVERBIA 28,131

Sprüche 28,13.
[Wer seine Missetat leugnet, dem wird es nicht gelingen; wer sie aber bekennt und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen.]2

– Beichtvorbereitung zu unserer letzten gemeinsamen Beichte: wir denken dabei an die letzten Monate und an unser Leben in der Gemeinschaft der Brüder. – „Gelingen“ – was denn? meine Wünsche, Vorstellung über meinen Christenstand; mein persönliches christliches Leben im Gehorsam gegen Gottes Wort – es gibt nur einen Weg, daß es gelinge bei Gott und Menschen: unsre Sünde nicht leugnen, sondern bekennen. Ist es bis heute nicht gelungen, es ist noch Zeit genug, daß es gelinge, nämlich wenn du vor Gott auf die Knie gehst und ihm alle deine Sünde bekennst.
Sünde leugnen; auf verschiedene Weise: 1. sie auf die anderen abschieben, den anderen belasten, um selbst von der Schuld frei zu werden, zum Verkläger der Brüder werden. Das ist Verruf und Mord zugleich! 2. sie auf mein Wesen, Eigenart, Veranlagung schieben: „ich bin nicht danach“, „es liegt mir nicht“, „ich brauche etwas anderes“ – das ist feige Ausflucht vor der Verantwortung, die Gott mir aufgelegt hat, zum Verkläger des Schöpfers [werden]3. 3. alles verharmlosen, „kameradschaftliche Lösung“ aller dieser Fragen und Sünden. Nichtachtung des Bruders, des gemeinsamen Stehens unter dem Wort, dem Gebet, der Andacht.
Warum leugnen wir unsere Sünde? 1. aus Angst, daß ich als Christ mich so geschlagen geben soll, daß ich alle Schuld auf mich nehmen soll 2. aus Angst vor Gott, daß ich es mit Gott zu tun kriege und mit der Frage nach seiner Barmherzigkeit 3. aus Angst vor den Folgen: wenn ich meine Sünde er- | kenne, so müßte ich ja mit ihr brechen und das hat sichtbare Folgen. Die Menschen werden es merken. Ich muß zu Menschen hingehen und sie um Verzeihung bitten, ich muß ja nun endlich anfangen den Kampf gegen mich selbst und die Sünde in mir aufzunehmen aller Ruhe und Bequemlichkeit zum Trotz; ich muß vielleicht den Gang zur Beichte wagen. Darum leugne ich, aber: es wird mir auch nicht gelingen, ich tue, was ich wolle.
„Bekennen und Lassen der Sünde, dem wird es gelingen“ – wie geschieht das? 1. erkennen, daß ich selbst an allem schuld bin; nicht die Umstände, nicht die anderen, nicht meine Anlagen müssen anders werden, sondern ich selbst. Sonst ist mir nicht geholfen. Ich habe die Andacht mißachtet, die Gebetszeit nicht genützt, die Brüder nicht geachtet, nicht für sie gebetet, sie nicht um Rat und Hilfe gebeten. Ich selbst! 2. Hingehen zum Bruder und ihn um Verzeihung bitten, daß nichts zwischen uns ist, was uns trennt. Mt 5[,22–24]. 3. Die Beichte. Letzte Ermahnung. Kannst du anders nicht mehr zum Sünder werden, so werde es in der Beichte; und es wird dir gelingen. … und lassen, der Haß gegen die Sünde wächst mit der Liebe zu Gott. Ein neues Leben anfangen mit Gottes Hilfe. Unsere Gemeinschaft wird rechte christliche Gemeinschaft und Bruderschaft wenn wir zusammen als Sünder und gemeinsam Vergebung in einem neuen Anfang gewinnen. Der neue Anfang führt in die Ewigkeit.

5. BIBLISCHE BESINNUNG: DER MORGEN1

Morgensegen. Andacht. Meditation. Gottesdienst. Gesetzlichkeit? Der Tag2. Unsere Launen, unser Übereifer, Sorgen.
Ps 30,6 46,6 55,18 (!) 73,14 127,2 Jes 5,11! Jes 50,4 Klag. 3,23 Hos 12,8 Am 4,4 5,8 Zeph 3,5 3 Mos 22,30 2 Mos 16,7 Joh 21,4 Ufer Jes 26,9 Ps 57,5 119,147 komme in der Frühe3

Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang unsers Lebens. Jeder Tag ist ein abgeschlossenes Ganzes. Der heutige Tag ist die Grenze unsers Sorgens und Mühens (Mt 6,34 Jac 4,14).4 Er ist lang genug, um Gott zu finden oder zu verlieren, um Glauben zu halten oder in Sünde und Schande zu fallen.5 Darum schuf Gott Tag und Nacht, damit wir nicht im Grenzenlosen wanderten, sondern am Morgen schon das Ziel des Abends vor uns sähen. Wie die alte Sonne doch täglich neu aufgeht, so ist auch die ewige Barmherzigkeit6 Gottes alle Morgen neu (Klag. 3,23). Die alte Treue Gottes allmorgendlich neu zu fassen, mitten in einem Leben mit Gott täglich ein neues Leben mit ihm beginnen zu dürfen, das ist das Geschenk, das Gott uns mit jedem neuen Morgen macht.
In der heiligen Schrift ist der Morgen eine Zeit voller Wunder. Er ist die Stunde der Hilfe Gottes für seine Kirche7 (Ps 46,6), die Stunde der Freude nach einem Abend des Weinens (Ps 30,6), die Stunde der Verkündigung des göttlichen Wortes (Zeph 3,5), der täglichen Austeilung des heiligen Mannas (2 Mose 16,13 f). Vor Tagesanbruch geht Jesus beten (Mk 1,35), in der Frühe gehen die Frauen zum Grab und finden Jesus auferstanden,8 im Morgengrauen finden die Jünger den Auferstandenen am Ufer des Sees von Tiberias (Joh 21,4). Es ist die Erwartung der Wunder Gottes, die die Männer des Glaubens früh aufstehn läßt (1 Mos 19,27 2 Mos 24,4 Hiob 1,5 und öfter). Der Schlaf hält sie nicht mehr. Sie eilen der frühen Gnade Gottes entgegen. |
Beim Erwachen vertreiben wir die finsteren Gestalten der Nacht und die wirren Träume, indem wir alsbald den Morgensegen sprechen und uns für diesen Tag für Hilfe dem dreieinigen Gott befehlen. Böse Launen, unbeherrschte Stimmungen und Wünsche und Sorgen9, die wir am Tag nicht mehr los werden, sind oft genug Nachtgespenster, die nicht beizeiten verjagt worden sind und uns den Tag vergällen wollen. In die ersten Augenblicke des neuen Tages gehören nicht eigene Pläne und Sorgen, auch nicht der Übereifer der Arbeit, sondern Gottes befreiende Gnade, Gottes segnende Nähe. Wen die Sorge frühzeitig aufweckt, zu dem sagt die Schrift: „es ist umsonst, daß ihr frühe aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Tränen“10 (Ps 127,2). Nicht die Angst vor dem Tag, nicht die Last der Werke, die ich zu tun vorhabe, sondern der Herr „weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr daß ich höre wie ein Jünger“; so heißt es vom Knecht Gottes (Jes 50,4). Bevor das Herz sich der Welt aufschließt, will Gott es sich erschließen, bevor das Ohr die unzähligen Stimmen des Tages vernimmt, soll es in der Frühe die Stimme des Schöpfers und Erlösers hören. Die Stille des ersten Morgens hat Gott für sich selbst bereitet. Ihm soll sie gehören.
Vor das tägliche Brot gehört das tägliche Wort. Nur so wird auch das Brot mit Danksagung empfangen. Vor die tägliche Arbeit gehört das morgendliche Gebet. Nur so wird die Arbeit in der Erfüllung des göttlichen Befehls getan. Für stille Gebetszeit und gemeinsame Andacht muß der Morgen eine Stunde hergeben. Das ist wahrhaftig keine vergeudete Zeit. Wie könnten wir anders gerüstet den Aufgaben, Nöten und Versuchungen des Tages entgegengehen? Und ob wir auch oft nicht „in Stimmung“ dafür sind, so ist es doch schuldiger Dienst an dem, der von uns angerufen, gelobt und gebeten sein will und der uns unsern Tag nicht anders als durch sein Wort und unser Gebet segnen will.
Es ist nicht gut von „Gesetzlichkeit“ zu reden, wo es um die | Ordnung unsers christlichen Lebens, um die Treue in den gebotenen Dingen des Schriftlesens und Betens geht.11 Unordnung zersetzt und zerbricht den Glauben. Das muß der Theologe besonders lernen, der Zuchtlosigkeit so leicht mit evangelischer Freiheit verwechselt. Wer einmal ein ausfüllendes geistliches Amt versehen und nicht in Betriebsamkeit sich und seine Arbeit zugrunde richten will, der lerne beizeiten die geistliche Disziplin des Dieners Jesu Christi. Der junge Theologe wird es als eine große Hilfe erfahren, wenn er sich für sein stilles Gebet und für die Andacht feste Zeiten setzt, die er in großer Beharrlichkeit12 und Geduld einhält.
Die stille Gebetszeit13 braucht jeder Christ. Der Theologe, der Christ sein will, braucht sie nötiger als irgend ein anderer. Er braucht mehr Zeit für Gottes Wort14 und für das Gebet, denn dazu ist er besonders [ein]gesetzt15 (Akta 6,4). Wie sollen wir den Tag über mit Gottes Wort umgehen, predigen und unterweisen lernen, anderer Menschen Last brüderlich tragen helfen, wenn wir nicht selbst Gottes Hilfe für den Tag erfahren haben? Wir wollen ja nicht Schwätzer und Routiniers werden. Es ist ratsam der stillen Gebetszeit ein Wort Gottes zugrunde zu legen. Das gibt dem Gebet Inhalt, festen Grund und Zuversicht. Es kann für eine Woche derselbe Schriftabschnitt sein.16 Dann wird das Wort in uns zu wohnen und zu leben beginnen und uns bewußt oder unbewußt gegenwärtig sein. Ein zu rascher Wechsel macht oberflächlich. Auf dem Grund der Schrift lernen wir in der Sprache, in der Gott zu uns gesprochen hat, zu Gott sprechen, wie das Kind zum Vater. Vom Worte Gottes ausgehend beten wir alles was das Wort uns lehrt, bringen wir den kommenden Tag vor Gott und reinigen unsre Gedanken und Vorsätze vor ihm, beten wir vor allem um die volle Gemeinschaft Jesu Christi mit uns. Wir wollen nicht vergessen für uns selbst zu beten. „Achte deine Seele hoch in Demut“ ([Jesus Sirach 10,31]17). Dann aber liegt vor uns das weite Feld der Fürbitte. Hier weitet sich der | Blick, er sieht nahe und ferne Menschen und Dinge, um sie der Gnade Gottes zu befehlen. Keiner, der uns um unsre Fürbitte gebeten hat, darf fehlen. Dazu kommen all die, die uns persönlich oder beruflich besonders anbefohlen sind und das sind viele. Schließlich weiß jeder von Menschen, denen sonst wohl kaum einer diesen Dienst tut. Nicht vergessen wollen wir, Gott für die zu danken, die uns durch ihre Fürbitte helfen und stärken. Wir wollen die stille Gebetszeit nicht beschließen, bevor wir mehrfach und schließlich mit großer Gewißheit18 das Amen gesprochen haben.19
Zur gemeinsamen Andacht suchen wir Hausgenossen oder Brüder aus der Nachbarschaft, um mit ihnen zusammen das Wort Gottes zu hören, zu singen und zu beten. In die Andacht gehören vor allem die gemeinsam gelesenen Psalmen, die nur dann zu unsrem Besitz werden, wenn wir sie täglich und reichlich und ohne Auslassung lesen und beten, auch dort wo sie uns schwer werden. Dann sollte ein nicht zu bescheidener20 Abschnitt im Alten und Neuen Testament fortlaufend zur Verlesung kommen. Das Lied der Kirche stellt uns in die große Gemeinde der Gegenwart und Vergangenheit. Das Gebet, das einer für die ganze Gemeinschaft spricht, bringt die gemeinsamen Anliegen der kleinen Hausgemeinde vor Gott.
Nun hat Gott in dem Schweigen des Morgens sein Wort geredet, nun haben wir mit ihm und mit der Gemeinde der Christen Gemeinschaft gefunden. Sollten wir nun nicht zuversichtlich an das Tagewerk gehen?

6. AUSLEGUNG ZU RÖMER 9–11 (MITSCHRIFT). FINKENWALDE, 28. 9. 19351

Römer 9–11 Judenproblem.

Wer ist der Jude? Israel nach dem Fleisch?
Kapitel 8 zu 9: Begriff der „Erwählung“. Juden „Brüder“2, 9,5 einzige Stelle, wo Christus Gott genannt.
Vers 6–13 Die Kinder Israel sind nicht = σπέρμα3, sondern nur die der Verheißung (nicht Ismael, sondern Isaak4). Das σπέρμα tut nichts, sondern das Wort Gottes, so zu dem σπέρμα kommt.5
V 1–5 wer: nach dem Fleisch6, die die Verheißungen usw. haben.7 Israel nach dem Fleisch hat alle [Gaben]8 empfangen der Verheißung. Israeliter sind nur Kinder aber der Verheißung. Kinder der Verheißung9 sind aber nur die Erwählten. Nicht durch das σπέρμα sind sie Kinder, sondern durch die Erwählung. Aber als die Erwählten die aus dem σπέρμα Ἀβραάμ.10 Realgrund ist die Erwählung. Erkenntnisgrund: σπέρμα. Nicht weil, empfangen sie das Reich Gottes. Sondern als solche, die hinzugetreten sind, hinzugehören. Lk 19 … sintemal auch dieser Same Abrahams ist.11
V 14 ff Weiter: Verstockung. Auf nichts als auf Gottes12 zurückgeführt. Die Verstockung auf die Erwählung zurückgeführt (vgl. Vers 12 Luthers Zusatz „aus Gnade des Berufers“, wo griechisch einfach ἐκ τοῦ καλοῦντος13).
Vers 17: Pharaos Verstockung soll dazu dienen, Gottes Ehre in allen Landen zu verkündigen. (Kapitel 11 auch: Israels Verstockung. Gott benutzt die Verstockung eines, um einen anderen zu bekehren.) Die Verstockung hat ein Ziel: Verkündigung des Namens. Vielleicht auch ein Ende damit.
Vers 30–Kapitel 10,3 Hier von ihrer Schuld geredet. Die Erwählungsverstockung ist zugleich Selbstverschuldung.
V 4–8 Das Wort des Evangeliums war ihnen schon (den Juden) nahe!
Verstockung: 1.) Gottes Wille 2.) Schuld Israels 3.) Berufung der anderen.
Kapitel 11 Verstoßen? Nein, nicht verstoßen. Beweis: er selber.14 Gott [hat] nicht verstoßen, aber verstockt15. λεῖμμα: Rest, Anbruch (Elia)16.
Vers 11 Angelaufen, damit sie nachher fallen? Nein. Sondern Fallen um der Heiden willen geschehen. Verstockung stellvertretend leidend für die Heiden, nicht ohne Schuld, darin Unterschied zum Knecht.17 Stellvertretungsgedanke bleibt. Aber Schuld doch.
Warum mußten die Juden verstockt werden, damit die Heiden das Heil bekämen? Damit sie Christus kreuzigten (und Deuterojesaja?18). Es bleibt so, daß Israel der Missionar der Welt ist, leidend stellvertretend, aber nun eben durch die Schuld! Kreuz19 ist schuldhafte Verstockung, die Israel aber nicht aus der missionarischen Aufgabe herausnimmt.
Stellvertretung: Das heißt Gott geht nicht ab von seinem Plan. Er benutzt die Schuld dazu. Moralisch das nicht zu verstehen.
Vers 15: Erst mit der Auferstehung der Toten wird Annahme Israels kommen.
Vers 17 ff: Wenn schon erwählte Zweige abgehauen, um wieviel mehr ein Heide abgehauen.20
Vers 25 ff: μυστήριον21 – Prophetie.
Vers 28 ganz deutlich Stellvertretung, Schuld, Wahl bleibt. An den Juden vollzieht sich ein nicht offenbarer Wille Gottes (Wahl), sie bleiben die Geliebten Gottes, aber ἐχθροί22, zum Heil ihnen und den anderen. Es muß geschehen (der Verrat), aber wehe dem, der es tut!23
Nun Frage: Israel nach dem Fleisch oder durch die Natur? oder durch das Gesetz?
Was ist ein Jude?

7. BIBELARBEIT: KÖNIG DAVID. FINKENWALDE, 8.–11. 10. 19351

König David.

Anleitung zum Lesen der Samuelisbücher. Beitrag zum Thema: Christus im Alten Testament – unaktuell, absichtlich – Versenkung in die Gedanken der Bibel.2

Vorbemerkung: Das Zeugnis des Neuen Testaments und der Propheten von David.3

1. Christus ist der Sohn und Same Davids nach dem Fleisch und nach der Verheißung (R 1[,3] Mt 1[,1] Joh 7,42 2 Tim 2,8. Mt 22,42). Die Genealogien4 Mt 1 und Luk 3, die über David auf Joseph führen, der doch nicht der leibliche Vater Jesu wurde, drücken5 den Verheißungscharakter der Sohnschaft nach dem Fleisch aus. Gott hat dem fleischlichen Samen Davids die Verheißung gegeben, aber damit nicht das Fleisch sich daraus eigenen Ruhm bereite, sondern die Gnade des Verheißenden allein gepriesen werde, bekundet sich die Treue Gottes gerade seiner dem fleischlichen Samen gegebenen Verheißung darin, daß die Kette der leiblichen Väter Jesu mit Joseph abbricht und Jesus als der Sohn der unbefleckten6 Verheißung verkündet wird7. Diese Verheißung kannte David nach dem Zeugnis des Neuen Testaments – „da er ein Prophet war und wußte, daß | ihm Gott verheißen hatte mit dem Eide, daß die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhl sitzen …“8 Akta 2,30 –. David weiß sich als den, durch den Christus auf die Welt kommen soll, und durch diese Verheißung, Christus sei die Frucht seiner Lenden, weiß er sich auf seinem Thron erhalten. Als der, in dem Christus schon ist, ist er zugleich sein Prophet und Zeuge. Durch die Verheißung weiß er schon von der Auferstehung Christi und bezeugt sie. Act 2,31 „hat geredet von der Auferstehung Christi, daß seine Seele nicht dem Tod gelassen ist und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat.“ David ist also Zeuge Christi und seiner Auferstehung – und zwar insofern von allen Propheten qualificierter Zeuge, als er Christus in seinen Lenden trägt, als er selbst durch diese Verheißung, das heißt eben durch den Christus in ihm lebt. Also, Christus war realiter9, nach Fleisch und Verheißung in David – und David war sein Zeuge.

2. Nicht nur in seiner Person, sondern auch in seinem Amt ist Christus nach dem Zeugnis des Neuen Testaments der Erbe Davids. Der Thron Davids, sein Königtum und Reich ist der Thron Christi, Sein Königtum und Sein Reich Luk 1,32.69. Der Thron Davids ist ein ewiger Thron (2 Sam 7[,13]). Die „gewissen Gnaden Davids“ (Jes. 55,3) sind dem Neuen Testament das Zeugnis für die Auferstehung Christi. Gottes Treue, die er dem David schwört, ist Unterpfand und Beweis, weil im strikten Sinne Gottesbeweis, Gottes eigener Beweis der Auferstehung Christi (Akt 13,34). Der ewige Stuhl Davids ist der Stuhl des auferstandenen Christus, um der Verheißung und der Treue Gottes willen. So ist das Reich des Christus–Messias kein anderes als das Reich Davids. Beim messianischen Einzug Jesu in Jerusalem schreit das Volk: „Gelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt im Namen des Herrn“ Mark 11,10. Amt und Reich Davids sind Amt und Reich Jesu Christi. In David ist Amt und Reich Christi vorgebildet. In Christus, dem Davidssohn, kommt es wieder10.

3. So versteht es sich, daß das Neue Testament die Worte der Psalmen Davids als Christusworte hört: Hebr 2,12 (Ps 22[,23]). Hebr 10,5 (Ps 40,7 ff[–9]) heißt es sogar, daß Christus in diesem Psalm Davids in die | Welt gekommen sei. Christus war real in den Worten Davids präsent, wie ja auch Jesus das Zeugnis des Alten Testaments bestätigt, David habe im Geist gesprochen (Mt 22,43. 2. Sam 23,2)11. Christus betet am Kreuze Worte aus den davidischen Psalmen, macht sie zu seinen eigenen, bestätigt sie als die seinen – „Vater, in deine Hände“ (Luk 23,46 Ps 31,6) – „mich dürstet“ (Joh 19,28 Ps 22,16) – „Mein Gott …“ (Mt 27,46 Ps 22,2). Schließlich: Christus nennt sich selbst die Wurzel des Geschlechts, den Stamm David (Offbg 22,16 5,5). Er ist vor David, er trägt David und er ist selbst der Stamm Davids. Ergebnis: David trägt nach Person und Amt Christus in sich. Christus ist in David.

4. Das prophetische Zeugnis kommt darin mit dem neutestamentlichen überein, daß es in David den sieht, den Gott wiedererwecken wird als den Messias seines Volkes. In David ist der Messias vorgebildet – der Messias wird ein neuer König David sein Hes 34,23 ff[–24] Hos 3,5 Jer 30,9.21; etwas anders Jer 33,15 Jes 9,7 11,1 Jes 55,3. Sach 12,8 ff[–12].

5. Das einhellige Zeugnis der Propheten und des Neuen Testaments erkennt in David den im Alten Bund vorgebildeten Messias. Christus ist in ihm, und nur dadurch ist er, was er ist. Wie der Opferkult der Schatten war, der von dem geschichtlichen, einmaligen12 Opfer Christi auf den Alten Bund fiel, aber nicht nur „Schatten“, sondern zugleich „Vorbild“ (Hebr 8,5 „Vorbild und Schatten“! 10,1), so muß nun analog David als „Vorbild und Schatten“ des Messias verstanden werden.13 Schatten gibt es nur wo es Körper gibt. Biblisch heißt das, daß es Schatten nur gibt weil es Inkarnation, Fleischwerdung des Wortes Gottes gibt. David ist der Schatten des fleischgewordenen Messias. Von der Inkarnation her fällt der Schatten auf David. Damit ist die Inkarnation als das Prius14 verstanden. Um der Inkarnation willen und von der Inkarnation her ist David messianischer König. Wie aber zwischen Körper und Schatten ein dimensionaler Unterschied besteht, so besteht er auch zwischen Christus und David. Die Dimension der Fleischwerdung ist das ἐπουράνιον, das Himmlische, das von oben her,15 die Dimension des Schattenbildes David ist das irdische16. Wie aber das | himmlische vor dem irdischen ist, so ist Christus vor David.
„Vorbild“ [ist] David17 [insofern,] als in ihm im Laufe der Heilsgeschichte Christus vorgebildet ist, als zeitliches Vorher18. Wie der Schatten das Bild des Körpers ist, so ist die Gestalt David ein Bild Christi. Ein Bild muß in seiner Ganzheit, in seinen Umrissen gezeigt werden können. Es kann angesehen werden. Indem David „Bild“ Christi ist[, ist] er nicht Wortzeugnis, sondern eben Bildzeugnis. Damit wird eine andere19 Schicht der Beziehung von Altem Testament und Neuem Testament aufgedeckt. Hinter der Schicht des Wortzeugnisses steht die Schicht des Bildzeugnisses. Nach der Unterscheidung der alten Dogmatik20 ist David ein Personaltypus Christi. Und es muß nun dort, wo das neutestamentliche Zeugnis ernstgenommen wird bei der Auslegung der Davidsgeschichten darum gehen21, David in seiner Person, seinem Amt, seinem Wort und seiner Geschichte als den, in dem nach dem Zeugnis des Neuen Testaments Christus selbst war, als Vorbild und Schatten Christi zu verstehen.22 David ist nur insofern wichtig, als er Zeugnis von Christus ist, nicht für sich, sondern für Christus und so für die Kirche Christi.

I. Salbung und Verfolgung Davids

Die Salbung

Die Geschichte und das Problem Davids ist von Anfang an durch die Tatsache seiner Salbung zum König bestimmt. Nichts wissen wir vorher von ihm, das erste Wort über ihn fällt in dem Befehl Gottes an Samuel, David, den Gott sich erwählt hat zum König, zu salben (1 Sam 16,1). Gottes Erwählung und die Salbung zum König gehen jedem andern Wort über David voraus. David ist wichtig und interessant allein als der von Gott von den säugenden Schafen (Ps 78,[71]23) wegberufene, erwählte und gesalbte König. Durch die | Salbung wird David biblische Gestalt. Daß David abgesehen von seiner Salbung von keinerlei Interesse und Bedeutung war, zeigt gerade der Bericht, demgemäß er dem Samuel anfangs garnicht mit vorgeführt wird 16,11. Er ist der Jüngste und hütet die Schafe. Und dem entsprechend wird er auch nachher von seinem älteren Bruder Eliab ausgescholten und verachtet 17,28, der die Salbung nicht ernst nimmt. Mit der Salbung empfängt David den Geist Gottes, der bei ihm bleibt „von dem Tag an und fürder“ 16,13. Noch in seinen letzten Worten bezeugt es David (2 Sam 23,2), daß Gottes Geist durch ihn geredet hat – und das neutestamentliche Zeugnis bestätigt es24 (Akt 2,30 Mt 22,43). Der Geist der Salbung ist der Geist des messianischen Königtums. Es ist der eine Geist Gottes, mit dem David gesalbt wurde und Christus – „Der Geist des Herrn ist bei mir darum, daß er mich gesalbt hat“ (Luk 4,18), ist der Geist, der bei der Taufe auf Jesus herabkommt und ihn zum messianischen König versiegelt.25 Der Geist, der am messianischen Königsamt hängt, kann nicht zugleich auf einem andern, Verworfenen bleiben. Darum „wich der Geist des Herrn von Saul“ [I Sam] 16,14 – und – seltsam genug! – Saul wird wahnsinnig. Die gesamte nun folgende Verfolgung Davids durch Saul ist nur als die Tat des vom „bösen Geist“ besessenen 16,14.23 wahnsinnigen Saul, der bei der Zauberin von Endor endet, zu begreifen. Zwar vermag es der gesalbte David zeitenweise Saul zu erquicken, daß es besser mit ihm wird und der böse Geist von ihm wich 1 Sam 16,23 – aber der Geist Gottes bleibt auf David.

David und Goliath

Die Salbung führt David sofort in den Kampf mit den Mächten26 der Welt. Es geht hier um die Bewährung der Salbung. Er weiß sich zum Kampf für sein Volk gefordert, dort wo kein anderer ihn wagt. Sein Volk ist in Schande | und Gefahr. Die Heiden höhnen es. Er tritt ins Mittel. Verlacht von seinem Bruder, für toll und übermütig gehalten (17,28), gewarnt von Saul (17,33) – läßt er sich nicht zurückhalten – „der Herr, der mich von dem Löwen und Bären errettet hat, wird mich auch erretten von diesem Philister“ Vers 37. Derselbe Herr, der ihn gesalbt hat, führt ihn auch in den Kampf.
Nun tritt die erste Versuchung an ihn heran. Er sieht den schwer gerüsteten Philister. Saul will ihn ebenso ausrüsten. Wehrhaft soll er dem Feind gegenübertreten. Er legt den Panzer an. Dann wirft er ihn ab. Nein, David darf nicht stark sein vor den Augen der Welt. Wehrlos, als der, als den ihn Gott berufen hat, als der Hirte, der die Salbung Gottes empfing, will er den Kampf aufnehmen. „Ich bin’s nicht gewohnt“ Vers 39. Er will nichts anderes werden. Das einzige, was jetzt anders mit ihm ist, ist seine Salbung. Ohne Waffen, wehrlos tritt er in den Kampf.
Es muß so sein, daß der Feind, daß die Welt den Wehrlosen verachtet und höhnt und ihm flucht Vers 42 f. Sie begreift ihn nicht, hält ihn für wahnsinnig oder übermütig, weiß nicht, daß es die rechte Demut gegen Gott und sein Wort ist, die den David wehrlos macht.
David sagt, was er zu sagen hat in der Gewißheit seiner Salbung27: „Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth, des Gottes des Heeres Israels, das du gehöhnt hast.“ – Jesus sagt: „ihr seid ausgegangen mit Stangen und Spießen mich zu fangen“28 – und er war wehrlos und sie sanken vor ihm in die Knie. „Der Herr hilft nicht durch Schwert und Spieß; denn der Streit ist des Herrn; er wird euch in unsere Hand geben“ Vers 47. Und der Herr bekennt sich zu seinem Gesalbten und hilft ihm zum wunderbaren Sieg.
In jeder Beziehung ist David hier „Vorbild und Schatten“ Jesu Christi. Er tritt unmittelbar nach seiner Salbung in den Kampf gegen die Feinde des Volkes Gottes. Er besteht die Ver- | suchung, groß und mächtig zu sein, ein Starker dieser Welt zu sein. Er wird wehrlos. Er wird von der Welt verachtet und gehaßt, um seiner Wehrlosigkeit, das heißt eben um seiner Salbung willen. Er hält sich in seinem Kampf allein an den Gott Israels, der ihn zum König seines Volkes berufen hat. Er weiß, Gott siegt nicht durch Schwerter und Spieße, sondern durch den Glauben seines Gesalbten. Als der zum messianischen Königtum Gesalbte, als Vorbild und Schatten Christi siegt David über Goliath. Es ist Christi Sieg in ihm. Denn Christus war in David.

Die Verfolgung

Der gesalbte David kann dem Haß und der Verfolgung um seiner Salbung willen nicht entgehen. Die Zeit bis zur Thronbesteigung ist eine Zeit der allseitigen fortgesetzten Feindschaft gegen ihn. Der Dämon in Saul haßt und flieht ihn. Er erkennt ihn als den Gesalbten, wie die Dämonen Christus erkannten, und weil er weiß, daß David an seine Stelle treten und die Herrschaft ihm gehören wird, geht der Kampf gegen David auf Tod und Leben. Saul oder David, die Dämonen oder Christus – obwohl Saul zweimal bekennen29 muß und es weiß 24,18, David, „du bist gerechter als ich; du hast mir Gutes bewiesen, ich aber habe dir Böses bewiesen“ – ja, gerade weil er das weiß, daß David ihm Böses mit Gutem vergilt, gerade wenn David durch seine Psalmen das Herz Sauls erquicken30 wollte, packt ihn der Dämon umso wilder, daß er nach David schießt,31 um ihn zu töten. Der Haß gegen David treibt Saul zur Abgötterei und Zauberei, und schließlich zum Selbstmord.
David ist ein Fremdling in seinem eigenen Land und im Land der Philister;32 er hat nicht, da er sein Haupt hinlege.33 Er ist der Ausgestoßene, Gefürchtete und Verdächtigte. Er hat wenig Gefährten. Jonathan, Sauls Sohn, macht einen Bruderbund mit ihm in Ewigkeit. Der Sohn des Verworfe- | nen erkennt, begreift und liebt den Gesalbten Gottes. Er hat ihn so lieb, wie seine eigene Seele 18,1.3. 20,17 – so lieb, wie der Mensch den Gesalbten Gottes haben soll – er liebt seinen Bruder David, wie sich selbst. David ist des Jonathan Liebe „sonderlicher denn Frauenliebe“ (2 Sam 1,26), wie die rechte Bruderliebe in der Erkenntnis des Gesalbten Gottes sonderlicher ist als die Liebe von Fleisch und Blut. In seiner Liebe zu David erkennt Jonathan, der Sohn Sauls, des Königs, an, daß die Erwählung und Salbung nicht durch Fleisch und Blut ererbt wird, sondern allein auf der freien Gnade Gottes ruht. Jonathan gerade als der Thronerbe34 wäre es gewesen, von dem die größte Feindschaft gegen David verständlich gewesen wäre. Aber eben der natürliche Feind wird dem David zum Bruder geschenkt.35 Er gibt ihm seinen Rock, Schwert, Gürtel – er gibt ihm, was dem Königssohn gehört 18,4. Er will der Nächste sein um David, wenn der36 König sein wird 23,17. Er will der Bruder sein des Gesalbten in selbstloser Liebe.
Von einer seltsamen Schar von Gefährten des Gesalbten und Verfolgten berichtet die Bibel. In der Höhle von Adullam, in die David nach vergeblichem Umherirren flieht, versammeln sich um ihn seine Brüder, die ihn einstmals verachteten und „allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten Herzens waren; und er war ihr Oberster“ 22,2. David wird der Sünder Geselle, der Freund und Vertraute der Mühseligen und Beladenen, der Hoffnungslosen und Betrübten. Er teilt mit ihnen ihr Leben, er ist ihr Oberster – ist David ein Räuberhäuptling, der in seiner Not es mit den Desperados hält wie andere auch? David ist für das biblische Zeugnis immer und überall der Gesalbte Gottes. In seinen Lenden ist Christus.
Die große Versuchung Davids während der Jahre der Flucht und Verfolgung ist es, sein Königtum mit Gewalt an sich zu reißen, Blut zu vergießen, das Reich vorzeitig aufzurichten, | bevor es Gott gefällt. War er der Erwählte, so konnte er ja jeden Tag, der der Aufrichtung des Reiches verloren ging, als sinnlos und verloren betrachten. Warum sollte er nicht den, der ihm im Wege stand, Saul, warum sollte er nicht jeden, der sich ihm in den Weg stellte, einfach in der Gewißheit seiner Berufung vernichten. So trug es der Teufel immer wieder an ihn heran. Aber die Aufrichtung des messianischen Reiches hat ihre Zeit, die ihr von Gott gesetzt ist und der David nur gehorchen kann. So erfüllt David die Zeit seiner ihm verordneten Leiden, und wartet „bis ich erfahre, was Gott mit mir tun wird“ (1 Sam 22,3). David leidet um seines Reiches willen – er kann das messianische Reich nur durch die Zeit seines Leidens ererben. Er bleibt frei von Gewalt und Blutschuld. Zweimal wird Saul in seine Hand gegeben. Aber noch ist Saul der Gesalbte, wenn auch der verworfene Gesalbte Gottes. „Das lasse der Herr [ferne] von mir sein, daß ich das tun sollte und meine Hand legen an meinen Herrn, den Gesalbten des Herrn; denn er ist der Gesalbte des Herrn“ 1. S. 24,7. Und als er nur den Zipfel vom Rock des Saul abgeschnitten hat, schlägt ihm sein Herz (24,6); denn er spürt die Macht der Versuchung und er sieht, wie der Teufel am Werk ist, das verheißene Reich im Keime zu verderben. Zum zweitenmal tritt der Versucher in der Gestalt des Abisai noch näher37 an ihn heran. „Gott hat deinen Feind heute in deine Hand beschlossen, so will ich ihn mit dem Spieß stechen“ 1 S 26,8. David soll Gottes eigenen Willen erkennen, dem Saul den Tod zu geben, und sein Reich aufzurichten, und der Zeit seines Leidens ein Ende zu machen. So argumentiert38 der Teufel vom Paradies bis zur Versuchung Jesu mit Gottes eigenem Wort, hier mit Gottes Wort aus der gegebenen – „gottgegebenen“ – Situation. Aber David weist den Versucher hinter sich – „wo der Herr ihn nicht schlägt – so lasse der Herr fern von mir sein“ – 1 S 26,10 [f]. David bleibt der Wehrlose, der Verfolgte und Leidende um des | Reiches willen. Und indem er so Böses mit Gutem vergilt, bringt39 er den Saul zweimal zur Erkenntnis seiner Sünde. Nicht durch Gewalt, sondern durch Liebe gewinnt er das Herz des verworfenen Saul. 24,18: „Du bist gerechter als ich. Du hast mir Gutes bewiesen; ich aber habe dir Böses bewiesen“. 26,21 ff[–25]: „ich habe gesündigt, komm wieder, mein Sohn David, ich will dir fürder kein Leid tun, darum daß meine Seele heutigestags ist teuer gewesen in deinen Augen.“ … David: „Der Herr wird einem jeglichen vergelten nach seiner Gerechtigkeit und seinem Glauben – er errette mich von aller Trübsal.“ Saul: „Gesegnet seist du, mein Sohn David, du wirst es tun und hinausführen“ – der David fluchte, muß ihn segnen, der Feind muß ihn lieben und sein Herz bekehren, um der Salbung, um des Leidens des David willen. Der Feind des Messias, der ihm nach dem Leben steht, liebt ihn in dunkler Liebe, die immer wieder Haß wird.
Aber, daß es deutlich werde, daß es allein Gottes gnädige Vorsehung ist, die David vor der Blutschuld bewahrt, wird David noch einmal hart an den Rand der Sünde geführt. Er will Nabal, der ihn gehöhnt und verachtet hat, töten (1 S 25). Da schickt Gott die Abigail, und Davids Hand bleibt von Blutschuld unbefleckt. Und David erkennt Gottes Führung und bekennt 25,32: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, der dich heutigestages hat mir entgegengesandt – gesegnet seist du, daß du mir heute gewehrt hast, daß ich nicht in Blutschuld gekommen bin und mir mit eigener Hand geholfen habe.“ Auf das letzte kommt es an, der Gesalbte Gottes darf sich nicht mit eigener Hand helfen. Er muß warten und leiden, bis sein Gott ihm hilft. So hat es David getan. Wo er im Krieg Blut vergießt, ist es Gotteskrieg, auf Gottes ausdrücklichen Befehl (23,2 ff[–5]!). Als Saul vom Herrn geschlagen ist und Jonathan mit ihm, da leidet David zum letzten Mal um ihretwillen. Er bricht nicht | in Freude aus, sondern er leidet und weint um ihren Tod. So wird er als der gehorsame Gesalbte und durch viel Versuchungen Bewährte, als der Verfolgte und Leidende, Böses mit Gutem Vergeltende, von Gott auf den Thron des messianischen Reiches erhoben.40

II. Der messianische König

Die zweite Salbung

Der göttlichen Salbung durch Samuel folgt eine zweimalige Salbung41 durch die Männer von Juda 2 S. 2,4, dann durch die Ältesten in Israel (5,3). Diese zweite Salbung ist die sichtbare Beglaubigung der ersten Salbung, die im verborgenen geschah. Nun ist David nicht mehr verborgener, leidender, sondern sichtbarer, triumphierender König. Durch diese sichtbare Salbung merkt David, daß Gott ihn nach den Zeiten der Versuchung und Verfolgung als König bestätigt hat. Er hat die Zeit der Versuchung bestanden. Gott sagt durch sein Volk Ja zu ihm. Das Volk fällt ihm zu und nennt ihn seinen König. Er ist König um des Volkes Israel willen (5,12), um der Kirche willen.42 Das heißt sein Königtum ist Dienst. Er kommt nicht, um sich dienen zu lassen43, sondern um zu dienen.44 Im Dienst am Volk Gottes besteht sein Königtum.

Einzug in Jerusalem

Seine erste Tat ist die Eroberung von Jerusalem, der Burg Zion. Das bisher unmögliche gelingt ihm, die von keinem vor ihm einnehmbare Stadt, die noch in letzter Stunde ihren | Spott gegen ihn hat 5,8, die letzte Festung des Feindes des Volkes Israel wird eingenommen und gerade sie muß nun zur Stadt Gottes für alle Zeiten werden. Dem gesalbten König kann kein Feind mehr trotzen. Er muß den Platz räumen und an seiner Stelle wird die Lade Gottes stehen45, wird Gott wohnen. David holt die Lade ein, „deren Namen heißt: Der Name des Herrn Zebaoth wohnt drauf über den Cherubim“ 6,2. In Jerusalem bekommt die Lade ihren festen Ort. War sie bisher mit den Kindern Israel umhergewandert – das Zelt ist grade das Zeichen der Wanderschaft –46, so bleibt ihr Ort nun fest. Das heißt das Reich Gottes ist errichtet, es steht fest, die Zeit des Wanderns und Umherirrens ist vorüber. Das Königtum Gottes steht fest in Davids Thron auf dem Berg Zion. Bei der Einholung der Lade muß das Volk Israel und David lernen 6,8, daß Gott zu seinem Werk keiner fremden Hilfe bedarf; als die Lade auf dem Wege ins Wanken gerät und Usa zugreift, stirbt er im selben Augenblick, vom Grimm Gottes getroffen 6,7. Gott bedarf zu seinem Weg keiner Menschenhilfe, auch nicht der fromm gemeinten. Gottes Heiligkeit verbietet den eilfertigen menschlichen Zugriff bei seinem Werk.
Als dann die Lade in die Stadt gebracht wird, demütigt sich David, denn „er tanzte mit aller Macht vor dem Herrn her und war begürtet mit einem leinenen Rock“. Im Kleid des Priesters führt er als der Priesterkönig den Gottesdienst an 6,14. Als Priesterkönig tritt er neben das Volk, unter Knechte und Mägde, in Demut und Gehorsam gegen Gott. Er ist einer von ihnen, der Erwählte Gottes, aber ihr Bruder. Und sein Lohn ist abermals der Spott durch Michal, die Tochter Sauls, die sich den Priesterkönig David in anderer Würde gedacht hatte, als in der Würde der Demut. Aber David sagt: „ich will noch geringer werden, denn also und will niedrig sein in meinen Augen und mit den Mägden | zu Ehren kommen“ 2 S. 6,22. Ein Triumphzug in Niedrigkeit und Sanftmut – so zieht David der König und Priester mit der Lade, der Gegenwart Gottes, in Jerusalem ein, als der dienende König seines Volkes. „Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn“ – schrie das Volk zu Jerusalem als Jesus einzog.47 „Der Name des Herrn“ – so heißt die Lade, mit der David einzieht. Gelobt sei der da kommt und mit ihm die Gegenwart Gottes, so gilt es für David und für Christus. Nun hat der König Ruhe in seinem Haus vor seinen Feinden (7,1), sein Thron ist fest gegründet.48

Der verheißene Tempel Gottes

Eben diese Ruhe versteht nun David als die Erfüllung der dem Mose gegebenen Verheißung – „Ihr werdet in dem Lande wohnen, das euch der Herr, euer Gott, wird zum Erbe austeilen, und er wird euch Ruhe geben von allen euren Feinden um euch her und ihr werdet sicher wohnen; wenn dann der Herr, dein Gott, einen Ort erwählt, daß sein Name daselbst wohne …“ Deut 12,10 [f]. Diese Verheißung versteht David als Befehl, Gott nunmehr den festen Ort zu geben, an dem er wohnen soll, ihm den Tempel zu bauen. Es ist sein Gehorsam gegen die Verheißung, der ihn zu diesem Vorhaben bringt. Der Tempel soll die Herrlichkeit des ihm von Gott gegebenen Reiches vollenden. Erst der Tempel erfüllt die Verheißung der Stadt Gottes. Königtum und Priestertum gehören zusammen (siehe Ps 78,68 ff[–72]). David beweist seinen demütigen Gehorsam darin, daß er nicht aus eigener Machtvollkommenheit selbständig ans Werk geht. Er fragt49 den Propheten, den ihm Gott gegeben hat, Nathan.
Nathan empfängt des Nachts das Wort Gottes, das sowohl ein Nein wie auch ein unermeßlich großes Ja auf Davids Frage enthält. David soll den Tempel nicht bauen. Zwei Gründe stehen dagegen: Erstens, Gott will im Zelt woh- | nen bleiben – das Zelt als das Zeichen der Wanderschaft besagt, daß die Verheißung von Deut 12,10, die David erfüllt glaubte, eben noch nicht erfüllt ist. David ist noch nicht der König, der Ruhe hat von allen seinen Feinden und sicher wohnen wird – 1 Kön 5,17 Salomo50: „… David konnte das Haus nicht bauen dem Namen des Herrn seines Gottes wegen des Krieges damit sie ihn umgaben.“51 1 Chron 28,3 „Du bist ein Mann des Krieges und hast Blut vergossen“ (und 1 Chron 22,8) – damit ist gesagt: Das Reich Davids ist noch nicht das Reich der ewigen Ruhe. Es wird aber ein König des Friedens und nicht des Blutvergießens sein, der den Tempel bauen soll. Der Tempel Gottes steht in einem Friedensreich. Wer ist dieser König? Salomo hat die Verheißung auf sich bezogen.52 1 Kön 5,453: „Jetzt gab mir der Herr, mein Gott, Ruhe ringsum und ist kein Widersacher, kein böses Hindernis mehr“. Und Salomo baute den Tempel – aber er fiel ab – der Tempel wurde zerstört – die Frage erhebt sich aufs neue: wer ist der König des Friedens?
Zweitens: Gott fragt: „solltest du mir ein Haus bauen?… Der Herr verkündigt dir, daß der Herr dir ein Haus bauen will“ 2 S. 7[,5 und] Vers 11. Was ist das Haus Gottes? was ist der Tempel, die Kirche? nicht ein Haus, das irgendein Mensch bauen kann, nicht einmal der gesalbte Priesterkönig David, sondern es ist Gottes eigenes Haus (1 Chron 17,14) und darum sein eigenes Werk, von oben her gebaut. Der Baumeister ist im Himmel. Das war das Mißverständnis Davids, daß er meinte, er könne dem Herrn selbst eine Kirche bauen. Es war ein frommer, aber doch ein gottloser Gedanke. Die Kirche baut Gott selbst. „Solltest du mir ein Haus bauen?“ – sollte der Mensch den Ort Gottes in der Welt54 bestimmen und die Weise, in der Er unter den Menschen wohnen will? Sollte nicht dein selbsterwähltes und selbsterbautes Haus ein Werk und Tempel deiner Religiosität sein, aber nicht der Verheißung Gottes? ein Haus, | in dem du anbetest ohne Verheißung55, sollte nicht das Haus, das du baust, unter allen Umständen dich und dein Volk eurem Gott abtrünnig machen? Kein Mensch bestimmt, was die Kirche sei und wie sie sein solle, sondern Gott allein. „Der Herr will dir ein Haus bauen“ – das ist das Ja zu Davids Frage. Der gnädige Gott beantwortet die gottlose Frage Davids mit einer nie dagewesenen Verheißung. Er verheißt ihm nicht nur sein Königtum, sondern ein Haus, ein Reich, eine Kirche, die Gott selbst baut. Wie wird dieses Haus aussehen?
Vers 12. David wird sterben. Wenn er schlafen wird mit seinen Vätern, dann wird sein Same, der von seinem Leibe kommt, erweckt werden. Das scheint in zukünftige Zeiten zu weisen. Dieser Same Davids soll das Reich behalten. Nicht mehr dem David selbst, aber doch ihm in seinem Samen, denn sein Same ist in ihm, soll das Haus Gottes gebaut werden.
Vers 13. Dieser Same Davids soll Gott nach seiner Verheißung ein Haus bauen und sein Reich wird in Ewigkeit bestehen. Also doch ein Mensch, der Gott sein Haus baut? und dessen Reich ewig sein wird? Auf wen geht diese Verheißung, die Salomo auf sich bezog, ohne von Gott gestraft zu werden.
Vers 14. Die Verheißung verdichtet sich. Es wird der menschliche Same Davids Gottes Sohn genannt werden und Gott wird sein Vater sein. Und durch diesen Samen wird der Tempel Gottes gebaut werden und dieser Tempel des Sohnes Gottes, der Gottes eigener Tempel sein wird, soll ewiglich bleiben Vers 16. Ist Davids Same Gottes Sohn, so ist seine Herrschaft Gottes eigene Herrschaft, so muß es schließlich offenbar werden, daß Gott seine Herrschaft durch den Davids[–]Sohn56 aufrichten will, und daß diese Herrschaft und dieser Tempel in Ewigkeit bleibt. So sagt es der Psalm Davids Ps 2[,7 f]: „Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt … Ich will dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigen- | tum.“ Und Ps 110[,2]: „Der Herr wird das Zepter deines Reiches senden aus Zion: herrsche mitten unter deinen Feinden.“ Davids Sohn wird Gottes Sohn sein, Davids Herrschaft wird Gottes Herrschaft und Reich sein und wenn David längst schlafen wird, wird sein Reich in Ewigkeit bleiben.
Der Same Davids soll nicht mehr durch Gottes Zorn vernichtet werden, sondern mit Menschenruten soll er gezüchtigt werden, wenn er sündigt. Wie der Vater sein Kind züchtigt, weil er es liebt, aber es nie vernichtet, so soll von Davids Samen „Gottes Barmherzigkeit nicht mehr entwandt werden, wie ich sie entwandt habe von Saul“ Vers 15. Sondern Vers 16 „dein Haus und Königreich soll beständig sein ewiglich vor dir und dein Stuhl soll ewiglich bestehen“. Das Haus Davids, das Gott selbst gebaut hat, wird das Reich und die Herrschaft Gottes sein. Der Tempel, den Salomo baute, war vergänglich – durch Menschenruten – er war nicht das ewige Haus – er ist nur der Schatten jenes unvergänglichen Tempels von dem Jesus, der Sohn Davids, bezeugt, daß er ihn abbrechen und nach drei Tagen wieder aufrichten werde Joh 2,19: „Er redete aber vom Tempel seines Leibes.“ Das Haus, das Gott sich bauen will, ist der Same Davids, ist der Leib Christi, seines57 Sohnes – und dieser Leib ist Christus und in ihm seine Gemeinde.58 Dieser Leib des Sohnes Gottes ist die neue Menschheit, die aus dem Samen Davids nach der Verheißung Gottes, durch den Christus Jesus und in ihm geschaffen ist. So empfängt David die Verheißung, daß in ihm der Leib Christi, die Kirche Christi schon verborgen sei. Auf wen geht die Verheißung? auf den Samen Davids – den menschlichen Samen – denn er wird sündigen59, also auch auf Salomo – aber das Reich wird ewiglich bleiben – das ist allein Gottes eigenes Reich – so geht die Verheißung über Salomo cf. I Kön 8,20 und das Haus Davids auf Jesus Christus. |
David empfängt im Glauben diese Verheißung. Er erkennt, daß sowohl er wie sein Volk damit von allen Königen und Völkern ausgesondert60 sind ohnegleichen. – „Wer bin ich, Herr, Herr, und was ist mein Haus, daß du mich bis hierher gebracht hast?“ Vers 18 Vers 23. Aber nicht nur die vergangene Gnade, sondern erst61 die gnädige Verheißung von „fernem Zukünftigen“ Vers 19 demütigt David. So wird David getrost sterben, denn er weiß, er wird leben, Ps 118,17. Ps 22,23 „Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern …“ Hebr 2,12. Er, das heißt sein Same wird erweckt werden zum Leben, und der Sohn Gottes und sein Haus, das ist, das Haus, das Gott ihm bauen wird, wird ewiglich bleiben. Im Dunkel bleibt der kleine Versteil – „und das nach dem Gesetz der Menschen“, „nach der Weise eines Menschen, Herr, Herr“ Vers 19 b. Luthers Randglosse: „Das ist, Du redest mit mir von solchem ewigen Reich, da niemand kann König sein, er muß Gott und Mensch sein, weil er mein Sohn und doch für und für soll König sein, welches allein Gott angehört.“62 Ist es die staunende, ehrfürchtige Anbetung, daß Gott sein Reich, seine Verheißung erfüllen wird in der Weise eines Menschen, als ein Mensch, als Menschgewordener? Ist es der dunkle Hinweis auf die Nacht, in der die Geburt Jesu Christi, des Sohnes Gottes, in der Stadt Davids63 von den himmlischen Heerscharen verkündigt wird?
Vers 23 ff [–29]: Das Volk Israel wird das Volk Gottes bleiben in Ewigkeit, das einzige Volk, das nicht vergehen wird, denn Gott ist sein Herr geworden. Gott hat in ihm Wohnung genommen und sein Haus gebaut. Die Kirche, das wahre Israel ist verheißen. Wie sollte David das Bekenntnis seiner Demut und des Dankes [anders] enden als mit der Bitte, Gott wolle sein Wort bekräftigen in Ewigkeit – Er wolle tun, wie Er geredet hat. Er wolle seinem Volk, seiner Kirche treu bleiben. |

III. David, der gerechtfertigte Sünder

Die Sünde

Der messianische König David fällt und wird zum Sünder. Seine Sünde ist die Sünde der Großen, die Gefahr der von Gott Begnadigten und Beschenkten, nämlich die falsche Sicherheit64 (securitas statt certitudo65). So beginnt unsere Erzählung damit, daß David nicht mehr, wie gewöhnlich mit seinem Heer zum Kampf auszieht, sondern Joab schickt und selbst in Jerusalem bleibt 2 S 11,1. Er fühlt sich sicher in der Stadt Gottes. Er beginnt die Furcht Gottes zu verlieren, dessen Ruf den Begnadigten gerade zur ununterbrochenen Tat zwingt66. Diese Tage67 in Jerusalem führen ihn zum Sturz. Er sieht vom Dach seines Königshauses die Bathseba und findet Gefallen an ihr. Er hört, sie sei das Weib Uria’s, des Chittiters. Abermals treibt ihn die gottlose68 Sicherheit seiner Macht zur Sünde. Er begeht Ehebruch, und Bathseba schickt zu ihm Boten: „ich bin schwanger geworden“ 11,5. Kann die Sünde so nicht verborgen bleiben, so muß eine weitere Sünde getan werden. David läßt Uria aus dem Feld zurückholen 11,6 und befiehlt dem Uria zu seiner Frau zu gehen, eben um seine Sünde zu verdecken. Uria als treuer Knecht Davids wacht aber in der Nacht an Davids Tür und geht nicht zu seinem Weibe 11,8–13. Jetzt mißbraucht David frevelhaft sein Recht als Feldherr und läßt Uria in der Schlacht vom Feind an gefährdeter Stelle töten. So wird er um seines Ehebruchs willen zum Mörder. David, der messianische König, ist Ehebrecher und Mörder geworden. Und er bleibt in seiner gottlosen Sicherheit, die die Wurzel dieses Falles war, unerschüttert. David nimmt Bathseba zum Weibe und lebt mit ihr und sie gebiert ihm einen Sohn. | David, zum Sünder geworden, erkennt seine Sünde nicht, sondern verhärtet sich in ihr ein Jahrang.
„Aber die Tat gefiel dem Herrn übel, die David tat“ (11,27). Gottes Verheißung ist dem David zu groß und schwer geworden. Er wurde an ihr zum Sünder. Er blieb nicht in der Demut, sondern er sündigte auf die Verheißung hin, er sündigte auf Gnade.69 Auch die Gnade Gottes will getragen sein, und je größer sie ist, desto leichter zerbricht der Mensch an ihr. Für solche Gnade, in sich den Christus der Welt zu tragen, war David zu schwach.
Aber Gottes Verheißungen können an der Sünde Davids nicht zuschanden werden. „Glauben wir nicht treu70, so bleibt er doch treu. Er kann sich selbst nicht verleugnen“ (2 Tim 2,13). Gottes Verheißung ist dem David für die Ewigkeit gegeben. Er hält an seiner Verheißung und an seinem Gesalbten [fest]. Und abermals handelt Gott durch seinen Propheten.
Die Verstockung Davids ist so groß, daß er es wagt, einen anderen Menschen um einer gewiß leichteren Sünde willen, als er sie begangen hat, des Todes schuldig zu sprechen, bis Nathan ihm sagt: Du bist der Mann.71 Es ist ja das Wesen der Verstokkung, daß wir uns selbst in einer andern Situation vor Gott sehen als den anderen. Wir stehen unter einem Sonderrecht.72 Was uns recht ist, ist dem andern noch lange nicht billig. Und nun bekommt David durch Nathan zu erfahren als wer er selbst wirklich vor Gott dasteht. Als der, den Gott zum König gesalbt, und dem die Verheißung Gottes zuteil wurde, den Gott errettet hat aus vielen Nöten73 und Gefahren, den er überschüttet hat mit Gütern – als der, an dem Gott seine ganze Gnade erwiesen hat, und noch viel mehr Gnade erweisen will 12,8, als der Mann unter der Gnade Gottes ist er zum Sünder geworden. Er hat das Wort des Herrn verachtet 12,9. Darum muß sich nun an David schon vollziehen, was Gott seinem Samen angedroht hat. Er will ihn schlagen mit Menschenruten, aber er will ihn nicht | vernichten. David hat unschuldiges Blut vergossen, „darum soll von deinem Hause das Schwert nicht lassen ewiglich“ 12,10. David hat die Ehe eines anderen gebrochen, darum sollen seine Weiber von anderen geschändet werden (12,11). Worin einer sündigt, damit wird er auch gestraft. Durch Davids Sünde kommt das Schwert über Davids Haus ewiglich – mit den letzten Jahren der Regierung Davids beginnt es, über Salomo und das davidische Haus geht es weiter. Davids Haus wird gezüchtigt durch das Schwert, das immer wieder aus Davids eigenem Haus herkommt und das eigene Volk Gottes zerfleischt.74 Davids Reich sollte ein Friedensreich sein, aber das Schwert ist seine dauernde Bedrohung. Der Kampf zwischen der Gewalt75, die das Schwert trägt und der Kirche Gottes ist angekündigt und bleibt nun „ewiglich“. Davids Sohn, Christus und seine Kirche werden geschlagen von der Gewalt, die das Schwert trägt; und das Schwert züchtigt und tötet wohl leiblich, aber es tötet nicht die Verheißung. Vielmehr – und das ist das Wunder der göttlichen Züchtigung – das Schwert, das gegen das Haus Davids gerichtet ist, – bringt der Kirche das Leben und die Verheißung wieder. Der gekreuzigte Christus steht auf, die Kirche unter dem Kreuz, unter der Züchtigung durch das Schwert, empfängt neues Leben. So ist in der Strafe Davids die ganze Gnade Gottes eingeschlossen, so bekennt sich Gott gerade durch sein Strafwort an das Haus David76 zu seiner Verheißung. Er bleibt dem Haus Davids in seinem Falle[n] treu. Und Vers 11: aus Davids eignem Haus soll ihm die Schande entstehen, aus seinem eignen Haus soll der aufstehen, der Davids Leib an seinen Weibern schändet (cf. 16,22). Aus der Kirche des Messias selbst soll der Sohn, der Absalom, sich erheben und die Kirche vor aller Welt – an der lichten Sonne (12,11) – entheiligen. Die Entehrung der Kirche Gottes kommt von innen, aus ihr selbst, Absalom – das ist der Schatten aller derer, die bis in die Gegenwart als Söhne der Kirche die Schänder der | Kirche sind. Und sie müssen ihr furchtbares Werk tun kraft der drohenden Verheißung Gottes – aber weh dem, durch den dieses Werk geschieht.77 Sie werden sich selbst zum Gericht und zum Fall, sie fangen sich selbst ein. Absalom bleibt mit seinen Haaren im Baum hängen und empfängt so den Tod. Das Schwert78 als dauernde Bedrohung des Bestandes seines Hauses – der Schänder von innen – das ist das Gericht Gottes über Davids Sünde.
David hat jetzt Gottes Wort zum ersten Mal seit seiner Sünde wieder gehört. Was er selbst nicht vermochte, nämlich seine Sünde einzusehen, eben um seiner verstockten Sicherheit willen, das vermag nun das ihm durch einen anderen Menschen gesagte Wort Gottes. David erkennt aus dem ihm verkündigten Wort Gottes und aus ihm allein seine schwere Sünde. Gott wartet lange, er läßt den gefallenen Menschen den Weg seiner Sünde voll zu Ende gehen, er läßt ihn sich verhärten und verstocken – das Wort Gottes hat seine Zeit. Dann schlägt es ein und richtet. Vers 13: „Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt wider den Herrn. Nathan sprach zu David: so hat auch der Herr deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“ Der König David bekennt seine Sünde unter dem Wort Gottes, und weil es so ein rechtes Bekenntnis und rechte Buße ist, gibt Nathan dem David zu wissen, daß Gott ihm seine Sünde schon vergeben habe. Das: „so“79 besagt, daß es das eine Wort Gottes ist, das den David richtet und freispricht. Es ist dasselbe Wort, das in die tiefste Buße und Demütigung treibt und begnadigt; denn es ist der eine Gott, der zu seinem Knecht zurückkehrt und das nur kann durchs Gericht. Gott kommt im Kreuz als der seine Kirche strafende und vergebende. Ist aber Gott wieder da, so kann David nicht sterben an seiner Sünde, sondern er lebt als vor Gott gerechtfertigter Sünder. Gott kommt in Christus zum Sünder. Weil aber Gott ein Gott ist, der die Sünde der Väter heim- | sucht an den Kindern,80 – darum muß der Sohn des Ehebruches sterben. Er soll nicht der echte Same Davids sein. „Und der Herr schlug das Kind, daß es totkrank ward, und David suchte Gott um des Knäbleins willen“ (Vers 15. 16). David kann jetzt wieder beten, er kann wieder Gott suchen, nachdem er ihn gefunden hat; es ist kein Unrecht, daß David Gott um seines Kindes willen bittet; es ist ein gläubiges sich demütigen vor Gottes Gerichten und sich an ihn halten in seiner Not mit Fasten und Beten. Durch Fasten und Beten aber allein werden die bösen Dämonen ausgetrieben (Mk 9,29). Daß David sich in diesen sieben Tagen der Buße nicht an Gott versündigt, wird daraus deutlich, daß er zu der Stunde, als er von dem Verlust,81 der Strafe Gottes, vom Tode seines Kindes hört, aufsteht, sich wäscht, salbt, in den Tempel geht und Gott anbetet (Vers 20). Er empfängt Gottes Gericht im Glauben und weiß, es ist ein gerechtes Gericht, und betet seinen Gott an. Er ist wieder mit Gott im Frieden.
Vers 24 [f]: „und da David sein Weib Bathseba getröstet hatte, ging er zu ihr hinein und schlief bei ihr. Und sie gebar einen Sohn, den hieß er Salomo. Und der Herr liebte ihn. Und er gab ihn in die Hand Nathans, des Propheten, und der hieß ihn Jedidjah‘ (das ist Liebling des Herrn) um des Herrn willen.“ David, der gerechtfertigte Sünder, erhält Bathseba zum zweitenmal zum Weibe. Bathseba bleibt das Weib seines Ehebruches, er darf sich von der Schuld seiner Vergangenheit nicht einfach trennen. Bathseba bleibt ihm die dauernde Erinnerung an seinen Fall, an seine Demütigung, an Gottes Gericht und Vergebung. Er muß sich damit begnügen, daß über seiner Ehe mit Bathseba, die er [nicht] von sich stoßen darf, der Friede Gottes82 ausgesprochen bleibt. Und so nennt er den Sohn, den er am Tag seines Friedensschlusses mit Gott, erzeugt – Salomo, denn er ist ein Sohn des Friedens. Und der Herr hatte Salomo lieb. Er bekennt sich zu seinem Frieden und David gibt den Salomo dem Propheten | Nathan, durch dessen Wort er den Frieden Gottes wieder empfangen hatte.
Salomo ist der Sohn einer Ehe, die mit Ehebruch und Blutschuld begann, Mt 1,6 „Der König David zeugte Salomo von dem Weibe des Uria“, er stammt aus dem sündlichen Fleisch des David und der Bathseba, aber er ist auch der Sohn, auf dem der Friede Gottes ruht. Der Same Davids, der seine Verheißung tragen soll, kommt in diese Welt im Fleisch der Sünde, ἐν τῷ ὁμοιώματι σαρκός R 8,383, aber als der König des Friedens. Wer ist dieser Same Davids?
David erkennt nun auch wieder sein Amt als König, mit dem Volk Gottes gegen die Feinde zu streiten. „Also nahm David alles Volk zuhauf84 und zog hin und stritt wider Rabba und gewann es“ Vers 29 und kehrte mit seinem ganzen Volk mit einer neuen Königskrone nach Jerusalem zurück Vers 30 f.

Die Strafe

Die letzten Jahre der Regierung Davids bringen David täglich die Wirklichkeit der Strafandrohung Gottes zu Bewußtsein. Die Vergebung der Sünde nimmt die Strafe der Sünde nicht von uns. Auch der Glaubende muß sterben, den Sold der Sünde85 bezahlen, auch David verfällt der Strafe seiner Sünde. Aber die Strafe wird nun nicht mehr erfahren als der Zorn Gottes, sondern als die gnädige Züchtigung Gottes, der uns alle Sünden vergibt. Freilich es gilt sich dieser Strafe tief zu beugen und ihr nicht zu widerstehen. Denn die Sünde will ihre Strafe, in dieser oder in jener Welt. David beugt sich, er ist wieder demütig geworden. Sein Sohn Amnon schändet das Haus, indem er seine Halbschwester schwanger macht. Absalom ermordet den Halbbruder. Die Sünden Davids wiederholen sich in seinen Söhnen. Amnon schändet die Ehe, Absalom ist Mörder. Dazu vollstreckt sich die Verheißung Gottes – Absalom greift zum Schwert gegen seinen Vater, | nicht nur nach Brudermord, sondern nach Vatermord steht er. Er schändet selbst die Weiber seines Vaters „an lichter Sonne“ und schändet damit das Haus Davids 16,21 ff[–22]. David widersteht nicht, sondern er beugt sich der Strafe. Er muß Jerusalem verlassen – der gestrafte David leidet außerhalb der Tore Jerusalems,86 „und das ganze Land weinte mit lauter Stimme“ 15,23. Er trägt den Fluch der Sünde, die Strafe seines Hauses „und der König ging über den Bach Kidron“ ([Vers] 23), denselben Bach, über den der Sohn Davids ging, als er die Strafe [für die Sünde] der Welt sich anschickte zu tragen, in der Nacht vor seiner Kreuzigung.87
Er muß dem Priester, der die Lade Gottes mitnehmen will, dies verweigern. Er weiß sich nicht im Recht. Er ist der Leidende. Über ihm ist Gottes strafende Hand88. Er kann Gottes Gnade nicht in Anspruch nehmen, nicht zwingen89 – und er gibt sich gerade dadurch ganz in Gottes Hand – „Werde ich Gnade finden vor dem Herrn, so wird er mich wieder holen und wird mich sie sehen [lassen] und sein Haus. Spricht er also: ich habe nicht Lust zu dir, siehe hier bin ich. Er mache es mit mir, wie es ihm wohlgefällt“ 15,[25.]26. Auf dem Auszug aus Jerusalem über den Bach Kidron, um die Strafe seines Hauses zu tragen, flucht ihm Simei mit furchtbaren Worten 16,7. David trägt auch dies. Wieder wird Abisai, der Sohn der Zeruja, ihm zum Versucher,90 sich gegen die Hand Gottes aufzulehnen, dieses Leiden nicht zu tragen – wer darf dem gesalbten König fluchen? der ist des Todes 16,9 – aber David widersteht: „Ihr Kinder der Zeruja, was habe ich mit euch zu schaffen? Laßt ihn fluchen; denn der Herr hat’s ihn geheißen: Fluche David. Wer kann sagen: warum tust du also?“ 16,10. David will die ganze Strafe Gottes auskosten und sich nicht schonen. Sie muß doch getragen sein. Er will sie tragen. Auf ihn falle der Fluch der Menschen, damit seinem Haus die Verheißung Gottes erhalten bleibe. |
Und abermals bekennt sich Gott zu David. Die Feinde werden vernichtet und David kehrt heim. Und sie sandten zum König: „komm wieder, du und alle deine Knechte. Also kam der König wieder“ (19,14 f). Komm wieder, König David, Gesalbter Gottes, geprüfter und gestrafter und bewährter – komm wieder, König David, der du die Strafe deines Hauses getragen hast. Und David kommt wieder zu seinem Volk.
Unsre Frage ist: wie ist jener David, der zum Sünder wurde, „Vorbild und Schatten Christi“? David ist Mensch, im sündlichen Fleisch, David ist nicht Christus, er ist nicht himmlisch, sondern irdisch. Wir verstehen, er ist nicht „Vorbild und Schatten“ Christi in seinen moralischen Qualitäten, in seiner Heiligkeit. Er war es so auch nie. Er ist und bleibt es durch die Erwählung und Salbung und die Gnade Gottes, die ihm treu bleibt. Als der, den Gott durch sein Gericht beugt und demütigt und straft, und der Gottes Gericht auch als Sünder trägt und die Strafe Gottes auf sich nimmt und so die volle Gnade empfängt, gerade als der gerechtfertigte Sünder ist David der gesalbte König „Vorbild und Schatten“ des gekreuzigten Christus.

Davids letzte Worte

„Es sprach David, der Sohn Isais, es sprach der Mann, der hoch erhoben ist, der Gesalbte des Gottes Jakobs, lieblich mit Psalmen Israels. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist auf meiner Zunge. Es hat der Gott Israels zu mir geredet, und seine Rede ist auf meiner Zunge: …“ (23,1 f). Die Tage Davids gehen zu Ende. Der Gesalbte, Versuchte,91 der Leidende, der Triumphierende, der gerechtfertigte Sünder – er ist durch seine Geschichte mit Gott hindurch der Gesalbte geblieben. Er ist der messianische König, und redet seine letzten Worte durch den heiligen Geist, der nicht von ihm genommen wurde. Seine letzten Worte richten sich nicht | auf Vergangenes, sondern sind Weissagungen des Geistes: „ein Gerechter – Herrscher unter den Menschen, ein Herrscher in der Furcht Gottes – und ist wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, am Morgen ohne Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst. Ist nicht mein Haus also bei Gott?“ (23,3. 4[–5]). Davids Haus ist der Träger der Verheißung – David selbst ist wohl der Gerechte, aber eben der als Sünder Gerechtfertigte, David fürchtet Gott, aber als Sünder, der seine Gnade erfahren hat – Davids Haus trägt die Verheißung – sein Haus wird hier deutlich personifiziert – es wird92 von ihm geredet als von einem Einzelnen, von einem Menschen. Es ist abermals das Zeugnis von dem Tempel Gottes, der Jesus Christus selbst ist und sein Leib. Jesus Christus wird sein der Gerechte ohne Sünde, die Gottesfurcht ohne Übertretung. Von ihm weissagt David, den er in seinen Lenden weiß, nach der Verheißung. Der ewige Bund (23,5) ist der Bund in Christus. Aus ihm wird all mein Heil und all mein Wohlgefallen wachsen ([Vers] 5). Aber die Bösen werden im Zorn Gottes mit Eisen und Spieß vernichtet werden; sie werden mit Feuer verbrannt werden an ihrem Ort. – Christus wird herrschen, aber die Heillosen werden verworfen sein ins Feuer [Vers] 6. 7.
Die Aufzählung der Namen der Helden Davids, die nicht ohne Bedeutung mit dem treuen Uria, dem Chittiter abschließt (Vers 8–39), ist die Bekundung93, daß der, der Christus in seinen Lenden trägt und Christi Stuhl94 einnimmt, umgeben ist von Starken und Treuen, wie Christus auf seinem Stuhl umgeben ist von starken und heiligen Engeln.
Kapitel 24, das nach Vers 18 offenbar hinter Kapitel 6 gehört, enthält den Bericht von der Versündigung Davids, indem er sein Volk zählen will. Gottes Volk aber soll nicht gezählt werden. Gott allein kennt sein Volk in seiner Zahl. Die Zahl gibt dem Menschen Berechnung, die ihn vom Glauben ab- | hält. Die Strafe Gottes folgt, David erwählt sich in die Hände Gottes zu fallen, das heißt die Pest. Diese macht vor der Mauer Jerusalems Halt. David aber errichtet in Jerusalem Gott einen Altar. Hier schließt Kapitel 7 an.95
Das Ende Davids wird sehr menschlich und sarkisch erzählt,96 wofür die Geschichte der Abisag von Sunem ein Beispiel ist. David ist Mensch, jetzt alter, erkaltender Mensch – aber der gesalbte König. Seine Schwäche wird von Adonia frevelhaft ausgenutzt. Aber Gott hält den alten David. Er stirbt, nachdem 1 Kön 2,1–4 er seinem Sohn Salomo die Verheißung weitergegeben hat, nachdem er der Feinde des Hauses Gottes im Zorn gedacht hat 1. Kön 2,5 ff[–9] im Glauben an den Sproß seines Hauses nach der Verheißung, an Jesus Christus, der die Frucht seines Leibes ist. „Ich werde nicht sterben, sondern leben und den Namen des Herrn verkündigen“ [Ps] 118,17.97

 

b) Zweiter Kurs. Gründung des Bruderhauses und Schwedenreise
4. November 1935–15. März 1936

8. PREDIGT ZU MATTHÄUS 18,21–35. FINKENWALDE, VORLETZTER SONNTAG DES KIRCHENJAHRES, 17. 11. 19351

Predigt über Matthäus 18,21–35. Dietrich Bonhoeffer, Finkenwalde 16. November 35.

[Da trat Petrus zu ihm und sprach: Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist’s genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. Darum ist das Himmelreich gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte. Und als er anfing zu rechnen, kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund schuldig. Da er’s nun nicht hatte, zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn und sein Weib und seine Kinder und alles, was er hatte, und bezahlen. Da fiel der Knecht nieder und betete ihn an und sprach: Herr, habe Geduld mit mir; ich will dir’s alles bezahlen. Da jammerte den Herrn des Knechts, und er ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. Da ging derselbe Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an und würgte ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist! Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s alles bezahlen. Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis daß er bezahlte, was er schuldig war. Da aber seine Mitknechte solches sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten vor ihren Herrn alles, was sich begeben hatte. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? Und sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlte alles, was er ihm schuldig war. Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebt von eurem Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler.]

Wir wollen uns zu Beginn dieser Predigt einmal ganz still und ehrlich fragen, ob wir einen Menschen wissen, aus unserm Umkreis, aus unserer Familie, unter unsern Freunden, – dem wir ein Unrecht, das er uns angetan hat, nicht vergeben haben; einen Menschen, von dem wir uns einmal im Zorn getrennt haben, – oder vielleicht auch nicht im offenen Zorn, sondern in stiller Bitterkeit mit dem Gedanken: Das kann ich nicht mehr vertragen, mit diesem Menschen kann ich keine Gemeinschaft mehr haben.
Oder sollten wir wirklich so unachtsam sein, daß wir sagen, wir wüßten keinen? Sind uns die andern Menschen so gleichgültig, daß wir garnicht eigentlich wissen, ob wir mit ihnen in Frieden oder in Unfrieden sind? Ob nicht einmal einer nach dem andern aufstehen wird und uns verklagen: Von mir bist du im Unfrieden geschieden – mich hast du nicht ertragen können – mit mir hast du die Gemeinschaft zerbrochen – ich war dir unsympathisch und du wandtest dich ab von mir – ich tat dir einmal weh und da ließest du mich allein – ich kränkte einmal deine Ehre und da brachst du mit mir – und ich konnte dich nicht wiederfinden – ich habe dich oft gesucht und du gingst mir aus dem Weg – und es ist | kein offenes Wort mehr zwischen uns gefallen und ich wollte nichts mehr von dir, nur deine Vergebung und du hast mir nie vergeben können. Hier bin ich nun und klage dich an – kennst du mich noch? – Ob nicht in jener Stunde Namen vor uns lebendig werden, die wir kaum mehr kennen – viele, viele verletzte, verstoßene, arme Seelen, denen wir ihre Sünde nicht vergeben haben. Und unter diesen Menschen vielleicht ein guter Freund, ein Bruder, einer unserer Eltern?
Und es wird eine einzige große, drohende, furchtbare Stimme gegen uns werden in jener Stunde: Du bist ein harter Mann gewesen – all deine Freundlichkeit hilft dir nichts, du warst hart und stolz und kalt wie Stein, du hast dich um keinen von uns gesorgt, wir waren dir alle gleichgültig und verhaßt, du hast nie gewußt, was Verzeihung tut, du hast nicht gewußt, wie wohl sie dem tut, der sie erfährt und wie frei sie den macht, der verzeiht. Du bist immer ein harter Mann gewesen.
Wir machen es uns ja so leicht mit den andern Menschen. Wir stumpfen uns gänzlich ab und meinen, wenn wir gegen jemand keine bösen Gedanken hegen, dann sei das eben dasselbe als hätten wir ihm vergeben – und wir übersehen dabei ganz, daß wir keine guten Gedanken über ihn haben – und vergeben, das könnte doch heißen, lauter gute Gedanken über ihn haben, ihn tragen, wo wir nur können. Und das gerade umgehen wir, – wir tragen den andern Menschen nicht, sondern wir gehen neben ihm her und gewöhnen uns an sein Schweigen, ja nehmen ihn garnicht ernst – aber aufs Tragen gerade kommt es an – den andern in allen Stücken tragen, in allen seinen schwierigen und unangenehmen Seiten, und sein Unrecht und seine Sünde auch gegen [mich]2 – schweigen, tragen und lieben ohne aufhören, – das käme dem Vergeben nahe!
Wer so zum andern Menschen, zu seinem Vater, seinem Freund, seiner Frau, seinem Mann, aber auch zu den frem- | den Menschen, allen die uns begegnen, steht, der weiß erst, wie schwer das ist. Dem kommt es wohl manchmal über die Lippen: Nun kann ich es nicht mehr, nun ertrage ich ihn nicht länger, nun hat meine Kraft ein Ende. Es kann nicht immer so weiter gehen, – „Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben?“ Wie lange muß ich es ertragen, daß er hart gegen mich ist, mich kränkt und verletzt, daß er ohne Rücksicht und Zartheit ist, daß er mir weh tut ohne Maßen – Herr, wie oft …? Es muß doch einmal ein Ende haben, es muß doch einmal Unrecht Unrecht genannt werden, es kann doch nicht sein, daß mein Recht dauernd vergewaltigt wird – „ist es genug siebenmal?“ Wir lächeln vielleicht über Petrus, siebenmal, das scheint uns gering – wie oft haben wir schon vergeben und übersehen. Wir sollten aber dennoch ganz und gar nicht lächeln, wir haben dem Petrus gegenüber wahrhaftig keinen Anlaß dazu. Siebenmal vergeben, – wirklich vergeben, das heißt das uns angetane Unrecht ganz zum besten kehren, Böses ganz mit Gutem vergelten, den andern annehmen, als sei er uns immer der liebste Bruder gewesen, das ist keine Kleinigkeit. Ja was wir so vergeben und vergessen nennen: Keine Krähe hackt der andern ein Auge aus, aber vergeben, aus lauter Liebe, mit der man den andern nicht loslassen will, sondern ihn weiter tragen, das ist keine Kleinigkeit.
Es ist eine rechte Qual, dies Fragen. Wie werde ich mit diesem Menschen fertig, wie kann ich ihn ertragen? Wo fängt mein Recht ihm gegenüber an? Laßt uns nur mit dieser Frage immer zu Jesus gehen, wie es Petrus tat. Denn gingen wir zu einem andern, fragten wir uns selbst, so bekämen wir keine oder nur schlechte Hilfe: Jesus aber hilft, nur in ganz wunderlicher Weise. Nicht siebenmal, Petrus, sondern siebenzigmal siebenmal, sagt Jesus, – und er weiß, so allein hilft er ihm. Nicht zählen, Petrus, sondern vergeben ohne Zahl – nicht dich quälen mit der Frage, wie lange, – ohne Ende, Pe- | trus, ohne Ende: das ist vergeben – und das ist Gnade für dich, das allein macht dich frei.
Du zählst, einmal, zweimal, dreimal und immer bedrohlicher wird dir die Sache, – immer quälender das Verhältnis zum Bruder, – aber merkst du denn garnicht, solange du noch zählst, solange rechnest du ja immer wieder dem andern seine alte Sünde auf, solange hast du in Wirklichkeit noch nicht – noch nicht einmal! – vergeben. Werde frei, Petrus, vom Zählen, – vergeben und verzeihen kennt keine Zahl noch Ende – du brauchst dich nicht zu bekümmern um dein eigenes Recht, das ist bei Gott wohl aufgehoben, – du darfst vergeben ohne Ende! Vergebung ist ohne Anfang und Ende, sie geschieht täglich unaufhörlich, denn sie kommt von Gott. Das ist Befreiung aus allem Krampfhaften im Zusammensein mit dem Nächsten, denn hier werden wir befreit von uns selbst, hier dürfen wir alles eigene Recht aufgeben und dem andern allein helfen und dienen.
Hört nur, wir brauchen garnicht mehr empfindlich zu sein, – es ist nichts damit gedient, – wir brauchen nicht auf unsere Ehre bedacht zu sein – wir brauchen uns auch nicht zu entrüsten, wenn der andre uns immer wieder Unrecht tut – wir brauchen nicht mehr den andern fortgesetzt zu richten – wir brauchen ihn nur zu nehmen, wie er ist, und ihm alles, alles vergeben, ohne Ende, ohne Bedingung. Ist das nicht wirklich große Gnade, daß wir solchen Frieden haben dürfen mit unserm Nächsten, – daß keiner und nichts unsern Frieden stören kann? Unsre Freundschaft, unsre Ehe, unsre Bruderschaft empfängt hier, was sie braucht, festen, dauernden Frieden durch die Vergebung.
Als Jesus das dem Petrus sagte, da hat er ihm etwas ganz Fröhliches und Herrliches sagen und schenken wollen, da hat er ihn frei machen wollen aus dem quälenden Gegeneinander der Menschen. Ihr dürft einander vergeben, sagt Jesus. Das ist wahrhaftig frohe Botschaft. |
Aber das ist ja nun das Schlimme, daß da, wo Jesus uns eine ganz große Hilfe geben will, wo er uns etwas ganz großes schenken will wir sogleich sagen: Ach wie schwer ist das, was Jesus uns da auflegt, wie unerträglich schwer. Das ist ja keine Hilfe, das ist ja eine Last. Wer soll denn das können, seine[m Bruder]3 alles vergeben und mit ihm zu tragen. Da wacht der ganze Trotz wieder auf: Nein, das will ich nicht und das kann ich nicht. Das hat der andre auch wahrhaftig nicht verdient.
Und siehe, erst wenn wir so reden, wird Jesus zornig über uns. Um Hilfe fragen dürfen wir ihn ohne Ende – aber uns gegen seine Hilfe wehren und sagen: Das sei keine Hilfe, – das will Jesus nicht. „Du kannst nicht vergeben, du willst nicht vergeben, das hat der andre nicht verdient, – ja, wer bist denn du, Mensch, daß du so redest?“
Und in großem Zorn erzählt nun Jesus jene furchtbare Geschichte vom Schalksknecht, von dem Mann, der Barmherzigkeit erfuhr und dennoch ein harter Mann blieb und von dem nun alle Barmherzigkeit genommen wird und über den nun Gottes furchtbares Gericht ergeht. Und indem er diese zornige Geschichte erzählt, gibt er uns die größte Hilfe, die er uns geben kann, er zeigt uns den Weg zum rechten Vergeben. Den wollen wir nun verstehen.
Besinnen wir uns an einen Augenblick in unserm Leben, in dem Gott uns vor Gericht zog, in dem wir ein verlorener Mann waren? In dem es uns ans Leben ging? Gott forderte Rechenschaft von uns, und es waren nichts als Schulden da, unermeßlich große Schulden. Unser Leben war befleckt und unrein und schuldig vor ihm und wir hatten nichts, aber auch garnichts aufzuweisen als Schulden und noch einmal Schulden. Besinnen wir uns, wie es uns damals zu Mute war, wie wir nichts zu hoffen hatten, wie verloren und sinnlos [alles] erschien. Wir konnten uns nicht mehr selbst helfen, wir waren gänzlich allein – und vor uns blieb bloß die Strafe, | die gerechte Strafe. Vor ihm konnten wir nicht aufrecht stehen bleiben, vor ihm, vor Gott dem Herrn, sanken wir auf die Knie in unserer Verzagtheit und beteten ihn an: Herr, habe Geduld mit mir – und allerlei Geschwätz kam über unsre Lippen, so wie hier der Schalksknecht: Ich will alles bezahlen und wiedergutmachen – derartiges, und wir wußten doch genau, wir würden es nie bezahlen können, und dann veränderte sich auf einmal alles, Gottes Angesicht trug nicht mehr die Züge des Zornes, sondern des großen Jammers und Schmerzes über uns Menschen, und er erließ uns alle Schuld, und es war uns vergeben. Wir waren frei und die Angst war von uns genommen und wir waren wieder froh und konnten Gott ins Angesicht sehen und danken.
So sahen wir einmal aus, wie jener Schalksknecht. Wie vergeßlich wir doch sind! Nun gehen wir hin und packen den, der uns ein kleines Unrecht getan hat, der uns getäuscht oder verleumdet hat und sprechen zu ihm: Mache wieder gut, was du gesündigt hast! Ich kann dir das niemals vergeben! Sehen wir denn nicht, daß wir vielmehr sagen sollten: Was der andre uns hier angetan hat, das ist ja nichts, garnichts gegen das, was ich getan habe gegen Gott und auch gegen ihn? Wer hat denn uns berufen, den andern zu verdammen, die wir selbst viel schwerer dran sind als er?
Vers 31–34. Nun ist die Gnade vertan, nun ist die ganze alte Schuld neu da, nun kommt der Zorn über uns – nun sind wir verlorene Leute, weil wir die Gnade verachtet haben. Das ist die ganze Lehre: Die Sünde des andern siehst du aber deine eigene Sünde erkennst du nicht. In Buße erkenne die Barmherzigkeit Gottes über dir und nur so wirst du vergeben können.
Wie kommen wir dahin, daß wir einander alle Sünde von Herzen vergeben? Liebe Brüder, wer es einmal erfahren hat, daß Gott ihn aus einer großen Sünde gerissen und ihm vergeben hat, wem Gott einmal in solcher Stunde einen Bruder | geschickt hat, dem wir unsre Sünde sagen durften, wer den Kampf kennt, den der Sünder gegen die Hilfe führt, weil er sich nicht helfen lassen will, und wer es dennoch erfuhr, daß ihn sein Bruder im Namen Gottes und im Gebet von seiner Sünde freisprach – dem vergeht alle Sucht zum Richten und zum Nachtragen, der will nur noch eines: Mittragen an der Not des Bruders, dienen, helfen, vergeben, – ohne Maßen, ohne Bedingung, ohne Ende, – der kann den sündigen Bruder nicht mehr hassen, sondern er liebt ihn umsomehr und vergibt ihm alles, alles. Herr, unser Gott, laß uns deine Barmherzigkeit erfahren, daß wir Barmherzigkeit üben ohne Ende! Amen.

9. PREDIGT ZU APOKALYPSE 14,6–13. FINKENWALDE, TOTENSONNTAG, 24. 11. 19351

Offenbarung 14,6–13

[Und ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, und allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern, und sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserbrunnen. Und ein anderer Engel folgte nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt; denn sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei getränkt alle Heiden. Und der dritte Engel folgte diesem nach und sprach mit großer Stimme: So jemand das Tier anbetet und sein Bild und nimmt das Malzeichen an seine Stirn oder an seine Hand, der wird von dem Wein des Zorns Gottes trinken, der lauter eingeschenkt ist in seines Zornes Kelch, und wird gequält werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm; und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, die das Tier haben angebetet und sein Bild, und so jemand hat das Malzeichen seines Namens angenommen. Hier ist Geduld der Heiligen; hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum. Und ich hörte eine Stimme vom Himmel zu mir sagen: Schreibe: Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach.]

„Und ich sah“ – der Vorhang zerreißt und Johannes bekommt zu sehen, worüber für unser Auge ein dichter Schleier liegt – die Welt nach dem Tode. Soviel ist sogleich klar: diese Welt ist alles andre als tot, sie ist in höchstem Maße lebendig, voller Handlung, voller Gesichte, voller Worte, voller Qual und voller Seligkeit – die Welt nach dem Tode ist Leben in höchstem Maße. Nicht ein Nichts, ein Verlöschen erwartet uns, wenn wir die Augen zu tun, sondern einem ungeahnten Geschehen gehen wir entgegen. Keiner tröste sich mit dem falschen Trost: es ist doch bald alles aus, vielmehr lasse er sich sagen: es fängt bald alles an, es wird nun bald ganz ernst, ganz kritisch mit dir.
Bereit werden für den Schritt in jene andre Welt, dazu will uns unser Text helfen. Wie lernen die Christen, wie lernt die Gemeinde Christi das Sterben? Das ist die Frage und die Antwort gibt der Text. Es ist eine dreifache Freudenbotschaft, die uns heute aus jener Welt als Trost am Totensonntag und als Hilfe zum Sterben verkündigt wird.2 |
„Und ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkünden …“ Wo solche Gesichte, wo die Engel Gottes gesehen werden, da sind wir nicht mehr bei uns, da ist der Himmel aufgetan und die neue Welt. Mitten durch den Himmel fliegt der Engel mit dem ewigen Evangelium. Das gehört also in die Mitte des Himmels wie es in die Mitte der Erde gehört – das ewige Evangelium. Das ist ein großer Trost für alle Gläubigen – das Evangelium bleibt doch – es ist ein ewiges Evangelium – unser Evangelium, wie wir [es] Sonntag für Sonntag hören3 und predigen – das Evangelium, das wir in unsern Bibeln bei uns haben, morgens und abends lesen, das unserem Leben einmal eine neue Wendung gegeben, als wir es zum erstenmal recht verstanden4 – hier verspottet und angegriffen5 und in den Schmutz gezogen, und doch verborgen und heimlich geliebt und bekannt von Bekennern und Märtyrern aller Zeiten, von unzähligen Herzen – das Evangelium bleibt ewig – wir brauchen uns also garnicht zu fürchten und darum zu sorgen – ob es auch so aussieht, als ginge das Evangelium heute unter – was sind 10 Jahre oder auch mehr, die wir erleben und übersehen? – das Evangelium ist ewig und bleibt dennoch. Es bleibt als die eine und einzige wahre Verkündigung von Gott über alle Welt6. Und ob tausende von Religionen und Ansichten und Meinungen und Weltanschauungen in der Welt sind, und ob es die schönsten Weltanschauungen seien und ob sie den Menschen das Herz bewegen und rühren – sie scheitern alle am Tod, sie müssen alle zerbrechen, weil sie nicht wahr sind – es bleibt nur das Evangelium. Und ehe das Ende kommt, wird es allen Völkern, Geschlechtern und Sprachen verkündigt sein über die ganze Erde – ob es hier auch scheint, es gebe viele Wege, dort gilt doch nur ein Weg, für alle Menschen auf dem Erdboden: das Evangelium.
Und seine Sprache ist so einfach, daß sie jeder verstehen muß: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die | Zeit des Gerichts ist gekommen. Und betet den an, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und Wasserbrunnen.“ Das ist das 1. Gebot, das ganze Evangelium.7 „Fürchtet Gott“ – statt der vielen Dinge, die ihr fürchtet – fürchtet nicht den kommenden Tag, fürchtet nicht die anderen Menschen, fürchtet nicht Gewalt und Macht, auch wenn sie euch Besitz und Leben rauben kann, fürchtet nicht die Großen in der Welt, fürchtet euch auch nicht vor euch selbst, fürchtet auch nicht die Sünde – an all dieser Furcht werdet ihr sterben – von all dieser Furcht seid ihr frei, sie ist für euch nicht da – fürchtet aber Gott und ihn allein; denn er hat Macht über alle Mächte dieser Welt, – vor ihm muß sich die ganze Welt fürchten – er hat Macht uns das Leben zu geben oder uns zu verderben, – alles andere ist Spiel – Gott allein ist ernst, ganz ernst – fürchtet Gottes Ernst – und „gebt ihm die Ehre“. Er will sie haben als der Schöpfer der Welt, als unser Schöpfer, er will sie haben als der Versöhner, der Friede gemacht hat in Christus zwischen Gott und Mensch, er will sie haben als der Erlöser, der uns am Ende frei machen will von aller Sünde und aller Last – gebt ihm die Ehre in seinem heiligen Evangelium – „denn die Zeit seines Gerichtes ist gekommen“. Wonach wird Gott an jenem Tage des Gerichtes, dem wir entgegengehen, fragen? nach seinem ewigen Evangelium8: habt ihr dem Evangelium geglaubt und gehorcht? Er wird nicht fragen – ob wir Deutsche waren oder Juden, ob wir Nationalsozialisten waren oder nicht, auch nicht ob wir zur Bekennenden Kirche gehört haben oder nicht – ob wir groß und einflußreich und erfolgreich waren, ob wir ein Lebenswerk aufzuweisen haben, ob wir geehrt waren von den Menschen, oder gering und unwichtig und erfolglos und verkannt. Gott wird alle Menschen einmal danach fragen, ob sie vor dem Evangelium sich getrauen können zu bestehen –9 und das Evangelium allein wird unser Richter sein. Am Evangelium werden sich die Geister scheiden in Ewigkeit. | Wenn wir das wissen, und doch sehen, wie das Evangelium unter uns mißachtet wird – dieses in der Welt und in der Kirche – dann kann uns ganz angst werden.10 Das wollen wir uns also von dem ersten Bild, das Johannes sah, merken – ein ewiges Evangelium – die ewige Verkündigung an alle Völker, das ewige Gericht über alle Menschen – ein ewiges Evangelium – das ist der einzige und bleibende Trost für die Gemeinde der Gläubigen, das ist Freudenbotschaft für alle, die noch sterben müssen.
„Und ein anderer Engel folgte nach und sprach: sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt; denn sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei getränkt alle Heiden.“ Das sah Johannes – und er sah doch auch das andere: nämlich daß Babylon noch groß war, mächtig und kraftstrotzend11 – daß Babylon noch unüberwindlich dastand in der Welt und alle Menschen vor ihr zitterten und niederfielen – Babylon, die Feindin Gottes – die Stadt, die nicht aufhört ihren Turm bis in den Himmel zu bauen12 – Babylon, die gegen Christus, den gekreuzigten Herrn13 auf eigene Macht trotzt, die mit ihren glänzenden und verführerischen Lastern die Menschen berauscht, wie die Dirne ihren Buhlen berauscht mit schwerem Wein – die die Menschen umnebelt und verwirrt und umbuhlt mit allerlei Gepränge und gottlosem Prunk – Babylon, das die Menschen lieben, umschwärmen, dem sie besinnungslos in die Netze laufen – Babylon, das von seinen Untertanen nichts anderes verlangt als blinde Liebe und Rausch, das ihnen reichlich, verschwenderisch gibt, wonach den Menschen das Herz und die wilde Begierde steht – wer wollte es wagen, von diesem Babylon zu sagen, es sei nicht ewig?, – es werde einen tiefen Fall tun – weh dem14! – mit welcher Bangigkeit muß die christliche Gemeinde, – die nicht Bürger dieser Stadt sein kann und will, die am Rande, außerhalb dieser Stadt wohnen und leiden muß – auf jene Stadt sehen, mit wieviel Gebeten muß sie für sie eintreten15, mit wieviel Gebeten ihren Fall herbeigesehnt | haben!16 – Wer ist Babylon – war es Rom? Wo ist es heute? Wir wagen es heute noch17 nicht zu sagen – nicht aus Furcht vor den Menschen! sondern die Gemeinde weiß es noch nicht – aber sie sieht furchtbare Dinge und Enthüllungen herannahen – und nun – die Stimme vom Himmel, die Freudenbotschaft für die Gemeinde der Gläubigen – „sie ist gefallen, … Babylon, die Große …“ – es ist schon alles vollendet, das Gericht ist schon ergangen von Gott her, Babylon ist schon garnicht mehr – Babylon kann nicht bestehen – weil es vor Gott nicht bestehen kann. Darum: fürchtet euch nicht vor Babylon, es kann euch nichts anhaben – es ist schon gerichtet – es ist alles18 nur Staub und Rauch und Trümmer – nehmt es nicht mehr so blutig ernst, verzehrt euch nicht in eurem Haß oder eurem Eifer, es ist ja alles nur so vorläufig, so vorläufig – es ist ja garnicht mehr wichtig – ganz andere Dinge sind aber wichtig – bleibt fest im Glauben, haltet fest an Christus, haltet euch unberührt von Babylon, bleibt nüchtern und laßt euch nicht die Furcht übermannen – hört auf die Stimme Gottes, des Allmächtigen, der spricht: Sie ist gefallen, … Babylon, die Große. Dies allein ist wichtig – dies allein führt zum Leben – wer aber Babylon verfällt – der ist dem Tode und Gericht verfallen – Babylon ist gefallen, freue dich, Gemeinde der Gläubigen! Das ist die zweite Freudenbotschaft für die Gemeinde, die ins Sterben muß.
Vers 9. „Und der dritte Engel folgte ihm nach und sprach mit großer Stimme: so jemand das Tier anbetet …“ Das Tier ist der Herr Babylons, der Mensch der Lästerung, der Überhebung und der Gewalt – und das ist das furchtbare – dies Tier hat nicht genug daran, daß ihm die Menschen dienen, sondern es will, daß sie sich mit seinem Zeichen bezeichnen an Stirn und Hand – daß sie ihm sichtbar gehören mit Kopf und Tat – das Tier will Bekenner! – wie die Christen sich bezeichnen mit dem Zeichen des Kreuzes, so will das Tier, daß alle mit dem Mal- | zeichen der Gotteslästerung gezeichnet seien, die ihm gehören – und sie beten das Tier an und sagen: wer ist größer und mächtiger als dies Tier? wer will ihm widerstehen? wer ist herrlicher und göttlicher – und alle beten es an, die nicht geschrieben sind im Buche des Lebens, deren Namen vor Gott und dem Christus nicht erwählt und gefällig sind, deren Namen eine Lästerung Gottes sind.
Vers 10 f: „der wird von dem Wein des Zorns Gottes trinken …“ Ein brennender ungemischter Wein ist der Zorn Gottes, den der Mensch bis ins Innerste seiner Gebeine zu spüren bekommt. Unaussprechlich furchtbar die Dinge, die nun genannt werden – es ist nichts hinzuzufügen – wie soll uns auch solche Botschaft Grund zur Freude sein? – „gequält mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und dem Lamm“ – sie werden den Christus, den sie lästerten, sehen müssen in ihrer Qual – „der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit“ – „keine Ruhe bei Tag und Nacht“ – laßt uns angesichts solcher Worte ja nicht laut werden, sondern ganz still und in uns gehen und sprechen: Gott, sei mir Sünder gnädig und schenk uns allen dein Heil! Gott, dir allein gebührt die Ehre. Du allein bist gerecht. Du hast uns Ruhe geschaffen von unsern Feinden. Gott, du allein bist unser Trost und unsere Freude!
Nein, wir wollen angesichts der furchtbaren Gerichte Gottes über die Welt in kein19 sektiererisches Triumphgeheul ausbrechen – sondern bitten: Gott, gib Geduld deinen Heiligen in aller unserer Ungeduld20, gib Gehorsam deiner Gemeinde dein Gebot der Liebe zu halten – in allem unserm Ungehorsam, gib Glauben an Jesus – in allem Unglauben. Und wenn du dann kommst und zu uns trittst und uns forderst vor dir zu stehen: dann sprich auch zu uns – hier ist Geduld der Heiligen, hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum – Gott, es ist alles deine Gnade.
Werden wir es nun begreifen, daß angesichts dieser Gerichte | Gottes, dieser Versuchung, in Haß und Ungeduld und Unglauben zu fallen – daß es heute eine Gnade ist zu sterben – weggenommen zu werden – wer von uns weiß denn, ob er durchhält? Wer weiß denn, wie er in der Stunde der letzten Probe stehen wird – darum – „selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an“ – „selig sind die Toten“ – das müssen wir verstehen – nicht aus Müdigkeit, aus Unlust, sondern aus der Furcht nicht Glauben zu halten und in der Freude Glauben gehalten zu haben – „selig sind die Toten“ – „von nun an“ – von solchen Zeiten an, wo die Macht Babylons und des Tieres übergroß wird – aber nicht alle Toten sind selig – sondern „die in dem Herrn sterben“ – die das Sterben rechtzeitig gelernt haben,21 die Glauben gehalten haben, die sich an Jesus hielten bis zur letzten Stunde, ob unter den Leiden des offenen Martyriums, ob in dem Martyrium einer stillen Einsamkeit überstehenden Lebens22 – die Verheißung der Seligkeit des Todes, der Auferstehung gibt es nur für die Gemeinde Jesu Christi – sie gehört ihr – und wer sie sonst für sich in Anspruch nimmt, fällt Gott in den Arm. „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben …“ in Christus sterben – daß uns das geschenkt werde, daß unsere letzte Stunde nicht eine schwache Stunde sei – daß wir als Bekenner Christi sterben. Ob alt oder jung, ob schnell oder nach langem Leiden, ob gefaßt und gepackt von dem Herrn Babylons oder ob still und sanft, daß nur unser letztes Wort sei: Christus,23 das ist heute unser Gebet – „Ja, der Geist spricht … folgen ihnen nach“24 und dann wird Ruhe sein von unserer Arbeit, das heißt von der Mühsal und den Leiden und den Anfechtungen, unter denen wir heute stehen, keine Furcht mehr, schwach zu werden, keine Furcht vor der Sünde und vor der Gewalt Babylons, dann wird Ruhe sein, weil wir Christus als den Herren erkennen und sehen werden – „und ihre Werke folgen ihnen nach –“. Sie bahnen uns nicht den Weg zu Christus, das tut der Glaube, – aber sie folgen nach, | die Werke, die in Gott, in Christus getan sind, für die er uns bereitet hat von Anbeginn der Welt; wir kennen sie hier nicht, sie sind verborgen, es sind die Werke, von denen die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut25 – aber sie werden bei uns sein, weil sie zu uns gehören, als das ewige Geschenk Gottes.26
Herr, lehre du deine Gemeinde zu sterben durch dein Evangelium27, gib uns Kraft durchzuhalten, bis du rufst – wir wollen gern dein ewiges Evangelium schauen! Amen.

10. SKIZZE ZU LUKAS 1,39–56. FINKENWALDE, HEILIGABEND1

Lukas 1,39–55

Vers 39 Maria – gratia plena2 – die Gnadenvolle ist vom Engel an Elisabeth gewiesen worden. Sie macht sich auf, wandert durch das Gebirge, eilends zu Elisabeth. Demütig geht die Jüngere zu der Älteren.
Vers 40 Sie grüßt Elisabeth zuerst.
Vers 41 Die Gegenwart der Gnadenreichen wird alsbald offenbar. Das Kind im Mutterleib, der Vorläufer, Elisabeth wird erfüllt vom heiligen Geist
Vers 42 und prophezeit: … Frucht des Leibes …
Vers 43 Mutter des Herrn; Elisabeth demütigt sich vor Maria wie Jesus vor Johannes3
Vers 45 Seligpreisung des Glaubens! Andere haben nicht geglaubt! Zacharias! es wird vollendet, es wird Wirklichkeit werden. Höchste Bestätigung für Maria. Das Wunder bedarf der Bestätigung.
Vers 46 Adventslied, Maria in der Reihe der alttestamentlichen Frauen Hanna4, Debora5. Sie weist die Ehrung6 von sich weg auf Gott. So handelt der Glaube. Meine Seele – alles in mir – stellt den Herrn hoch über alles. Es
Vers 47 freut sich Gottes … Gott, nicht seine Gabe! Aber auch seine Gabe ist ja Gott – Heiland, der Menschgewordene. Freude, er ist bei mir, in mir.
Vers 48 Gott beugte sich herab, darum erhebe ich ihn. Nicht „Demut“, sondern Niedrigkeit7. […] mich seligpreisen … um deswillen!
Vers 49 Große Dinge an Niedrigen – Allmacht, Heiligkeit [–] große Dinge an uns, wenn wir glauben.
Vers 50 Seine Barmherzigkeit gilt allen, nicht allein der Maria.
Vers 51 f. Das werdende Kind im Mutterleib – sein Arm ist gewaltiger als die Gewaltigen, die Hoffärtigen vernichtet er. Gott im Menschen – Throne, Majestäten wanken, stürzen. Niedrige werden Hochgeehrte.
Vers 53 Reiche hungern – die Frommen ernährt Gott.
Vers 54 Durch all dies hilft er Israel, s[einer] K[irche].8 Vers 55 Es ist seine Verheißung.
Vers 56 Blieb 3 Monate. – Geborgen bei Elisabeth Geheimnis nicht offenbart.

11. PREDIGT ZU PSALM 90. BERLIN, 15. 1. 19361

Trauerfeier für Frau Julie Bonhoeffer am Mittwoch, dem 15. Januar 1936, in der Friedhofskapelle Halensee, gehalten von Dietrich Bonhoeffer.

Mit Fried und Freud fahr ich dahin
in Gottes Willen;
getrost ist mir mein Herz und Sinn,
sanft und stille.
Wie Gott mir verheißen hat:
Der Tod ist mein Schlaf worden.2

So spricht die Heilige Schrift: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an. Von den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie, und ihr Abschied wird für eine Pein erachtet. Aber sie sind im Frieden3“. – „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Stuhl saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu“ (Weisheit Salomos 3[,1–3]; Offenbarung Joh. 21[,4–5 a]).

Jerusalem, du hochgebaute Stadt,
wollt Gott, ich wär in dir!
Mein sehnlich Herz so groß Verlangen hat
und ist nicht mehr bei mir;
weit über Berg und Tale, weit über blaches Feld
schwingt es sich über alle und eilt aus dieser Welt.

O schöner Tag und noch viel schön’re Stund,
wann wirst du kommen schier,
da ich mit Lust und freiem Freudenmund
die Seele geb von mir
in Gottes treue Hände zum auserwählten Pfand,
daß sie mit Heil anlände in jenem Vaterland!4

Psalm 90: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder! Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom; sie sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird, das da frühe blühet und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorret. Das macht dein Zorn, daß wir so vergehen, und dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsere Missetaten stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht. Darum fahren alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn; wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz. Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon. Wer glaubt aber, daß du so sehr zürnest, und wer fürchtet sich vor solchem deinem Grimm? Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden. Herr, kehre dich doch wieder zu uns und sei deinen Knechten gnädig! Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang. Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden. Zeige deinen Knechten deine Werke und deine Ehre ihren Kindern. Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns; ja, das Werk unserer Hände wolle er fördern!“5

In großer Dankbarkeit stehen wir heute am Grab unserer guten entschlafenen Großmutter. Gottes Hand ist freundlich | über uns gewesen, daß er sie bis heute unter uns gelassen hat.6 Wir können uns unser eigenes Leben nicht mehr denken ohne das ihre. Sie gehört ganz zu uns und sie wird immer ganz zu uns gehören. Und Gottes Hand ist auch freundlich über ihr gewesen bis zuletzt. Er hat sie nicht allein sein lassen. Er hat sie Kinder, Enkel und Urenkel sehen lassen. Er hat sie noch mitten in ihrer letzten schweren Krankheit für ein paar Tage fröhlich und gesund sein lassen, daß sie den heiligen Abend noch einmal mit dem ganzen großen Haus feiern konnte, wie in all den Jahren zuvor.7 In großer Klarheit und Liebe hat sie bis zuletzt an all dem teilnehmen können, was jeden von uns persönlich und beruflich bewegte. Sie hat nach allen gefragt, die ihr nahestanden, und für jeden gute und liebe Gedanken und Wünsche gehabt. Gott hat ihr auch gegeben, in Klarheit zu sehen, wie es um sie stand, und er hat ihr die Kraft dazu gegeben, sich darein zu schicken. Und wenn wir heute traurig werden wollen, daß sie nicht mehr bei uns ist, so sollen wir doch darüber niemals vergessen, wie dankbar wir sein müssen.
„Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für“. In einem so langen Leben wie dem ihren gibt es Stunden, in denen man dies besonders lernen muß, daß man eine Zuflucht braucht. Früh hat sie ihren Vater verloren, zwei Söhne hat sie als Kinder hergeben müssen, im Krieg fielen drei Enkelsöhne; im Alter wurde es stiller um sie, als der Großvater starb, als ihre Geschwister heimgingen, als zuletzt noch wenige Jahre vor ihrem Tod unser guter Onkel Otto, ihr ältester Sohn, von uns ging. Gott hat oft sichtbar in ihr Leben eingegriffen; da hat sie es immer wieder lernen müssen, was sie von Kind auf gewußt hat: „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Daran hat sie sich auch in ihrer Krankheit gehalten. Sich in den Willen Gottes schicken; tra- | gen, was einem auferlegt ist; beherrscht und klar das Gegebene, das Wirkliche ins Auge fassen; tun, was nötig und geboten ist; schweigend und ohne Klage mit sich abmachen, worin einem ein anderer nicht helfen kann, und in alledem sich eine große innere Fröhlichkeit und kraftvolle Lebensbejahung bewahren – so hat sie ihr Leben aufgefaßt und geführt, so ist sie gestorben, und so haben wir sie geliebt.
„Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder“. Sie hat das Wiederkommen sehen dürfen in drei Generationen, und das war ihre größte Freude im Leben. Für ihre Kinder, Enkel und Urenkel war sie immer da,8 sie hatte immer und für alles Zeit, Ruhe und Rat. Und obwohl sie ganz mit jedem einzelnen mitlebte, so kam doch ihr Urteil und ihr Rat immer aus einem weiten Abstand von den Dingen, aus einem unvergleichlichen Wissen um alles Menschliche und aus einer großen Liebe. Und während sie so die Generationen kommen und wachsen sah, wurde sie selbst bereit zum Gehen. In aller Erfahrung und Weisheit spürte man, daß sie von einer demütigen Erkenntnis der Grenzen allen menschlichen Wissens, Urteilens und Lebens getragen war. „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache“.
„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen.“ 93 Jahre alt ist sie geworden, und sie hat uns das Erbe einer anderen Zeit vermittelt. Mit ihr versinkt uns eine Welt, die wir alle irgendwie in uns tragen und in uns tragen wollen. Die Unbeugsamkeit des Rechtes, das freie Wort des freien Mannes, die Verbindlichkeit eines einmal gegebenen Wortes, die Klarheit und Nüchternheit der Rede, die Redlichkeit und Einfachheit im persönlichen und öffentlichen Leben – daran hing ihr ganzes Herz. Darin lebte sie. Sie hat es in ihrem Leben erfahren, daß es Mühe und Arbeit macht, diese Ziele | wahr zu machen im eigenen Leben. Sie hat diese Arbeit und Mühe nicht gescheut. Sie konnte es nicht ertragen, wo sie diese Ziele mißachtet sah, wo sie das Recht eines Menschen vergewaltigt sah.9 Darum waren ihre letzten Jahre getrübt durch das große Leid, das sie trug über das Schicksal der Juden in unserem Volk, an dem sie mittrug und mitlitt.10 Sie stammte aus einer andern Zeit, aus einer andern geistigen Welt – und diese Welt sinkt nicht11 mit ihr ins Grab. Dieses Erbe, für das wir ihr danken, verpflichtet.
Aber nicht nur ihr Leben, sondern gerade auch ihr Tod soll uns zur Lehre werden. „Herr, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden.“ Auch solches sinnerfüllte, bewußte Leben steht unter dem Todesgesetz, das auf allem Menschlichen lastet. Auch wir müssen einmal gehen, mit all unseren Idealen, Zielen und unserer Arbeit. Klug werden, das heißt von seiner Grenze, von seinem Ende wissen, aber viel mehr noch von dem Jenseits dieser Grenze wissen, von dem Gott, der ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, in dessen Hände wir fallen, ob wir wollen oder nicht, in dessen Händen sie jetzt aufgehoben ist in Ewigkeit. Was sollen wir über solchem erfüllten und reichen Leben noch sagen? Wir rufen den Gott an, der unsere Zuflucht ist, zu dem wir fliehen können in aller Not und Traurigkeit, Jesus Christus, in dem alle Wahrheit, alle Gerechtigkeit, alle Freiheit und alle Liebe ist. Wir rufen den Gott an, der allen Haß, alle Lieblosigkeit, alle Unruhe überwunden hat durch seine unüberwindliche Liebe am Kreuz Jesu Christi. Wir bitten, daß sie schauen dürfe in Ewigkeit, was hier verhüllt und verborgen bleibt unter Sünde und Tod, daß sie in Frieden und Klarheit schauen dürfe das ewige Angesicht Gottes in Jesus Christus.

Der Anfang, das Ende, o Herr, sie sind dein,
die Spanne dazwischen, das Leben, war mein;
und irrt’ ich im Dunkeln und fand mich nicht aus –
Bei dir, Herr, ist Klarheit, und Licht ist dein Haus.12 |

Und nun wollen wir nicht mehr traurig sein. Das war nicht ihr Sinn. Sie wollte nie einen Menschen traurig machen. Wir müssen zurück an unsere Arbeit und an unser Tagewerk. So hat sie es gewußt und gemeint. Sie liebte über alles die Tat und das Tagewerk. Darum wollen wir gestärkt von ihrem Grab fortgehen. Gestärkt durch ihr Bild, ihr Leben und Sterben, gestärkt aber viel mehr durch den Glauben an den Gott, der ihre und unsere Zuflucht ist für und für, gestärkt durch Jesus Christus. „Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns; ja, das Werk unserer Hände wolle er fördern!“ Amen.

Der ewig reiche Gott
woll uns bei unserm Leben
ein immer fröhlich Herz
und edlen Frieden geben
und uns in seiner Gnad
erhalten fort und fort
und uns aus aller Not
erlösen hier und dort.13

 

c) Dritter Kurs. Volksmission und Konferenz von Chamby
15. April–23. August 1936

12. TRAUPREDIGT ZU I THESSALONICHER 5,16–18 (MITSCHRIFT). FALKENSEE, 15. 4. 19361

Traurede für Hilde und Albrecht Schönherr, gehalten am 15. 4. 1936 in der Kirche zu Falkensee durch Pastor D. Bonhoeffer.

„Seid allezeit fröhlich. Betet ohne Unterlaß. Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch“ I. Thess 5,16–18.

Dies sei unsere Bitte für euch und daß ihr gehorsam zu diesem Willen „Ja“ sagen wollt.
Ihr wollt jetzt auf eigenen Füßen wandeln. Ihr wißt, es bleibt heute ja alles ungewiß in der Zukunft und am morgigen Tag; aber es muß und soll ganz gewiß sein, daß wir uns in einem solchen Augenblick eins wissen mit dem Willen Gottes an uns. Das genügt uns, und das hilft uns durch alles Ungewisse hindurch.
Also mit dem Willen Gottes jetzt euch eins zu machen, dazu seid ihr hier. Ihr wollt in kurzem sagen, daß ihr füreinander leben wollt, euch einander treu sein wollt, bis der Tod euch | scheidet.2 Daß zwei Menschen ihr Leben gemeinsam führen wollen, das geht ja nur, wenn aus zwei Willen „einer“ wird; das geht nicht so zu, daß wir unseren eigenen suchen oder den des anderen. Die einzige Gewißheit, daß euer Wille ein Wille werde, liegt nicht an euch, sondern am Willen Gottes. Die einzige Gewißheit für die Festigkeit eurer Ehe liegt nicht bei euch, eurer Liebe, euren Vorsätzen, sondern liegt bei Jesus Christus.3 Da ganz allein liegt die Gewißheit, da sucht sie! Dort könnt und sollt und werdet ihr eins sein. Und darum müssen wir gerade an solchem Tage, wo die Gedanken ganz um persönliche Dinge kreisen wollen, müssen wir4 euch sagen: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, dann wird euch solches alles zufallen“.5 Durch ihn wird euch das andere alles mitgeschenkt werden. Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes!
Und Gott sei Dank, daß er uns seinen Willen nicht verbirgt, sondern offenbar werden läßt. Den Willen Jesu Christi an euch läßt er uns offenbar werden in dem Wort, das ihr zuerst gehört habt: „Seid allezeit fröhlich …“.
Ihr werdet fröhlich sein in einer Freude, die ihr einander macht und aneinander habt. Es gibt im Leben nichts, das die Fröhlichkeit größer machen könnte, als mit einem Menschen zusammen zu sein, den man liebt, mit dem man sich eins weiß. Man ist fröhlich, auch fröhlich in den äußeren Sorgen, weil man den anderen hat. Aber es heißt nicht: seid heute fröhlich und morgen und immer wieder einmal fröhlich, sondern es heißt: seid alle Zeit fröhlich. Also nicht nur, wenn ihr sie voneinander nehmen könnt, sondern auch da, wo sie euch einmal versagt wird, wo die äußeren Schwierigkeiten euch bedrängen und bedrücken.
Wie kann man das sagen ohne zu übertreiben? Man kann es nur sagen und sein, wenn man den ganzen Grund seiner Fröhlichkeit von Gott, aus seinem Willen hernimmt. Seid allezeit fröhlich, denn ihr seid von Gott erlöst, frei geworden von allen Sorgen und Ängsten um die Zukunft und frei geworden von euch selbst. Erlöst seid ihr, und darum seid ihr alle- | zeit fröhlich, denn nun seid ihr allezeit mit Gott und Gott ist mit euch. Wißt, daß ihr erlöste Menschen seid und seid fröhlich!
Albrecht, sei ein fröhlicher Pfarrer! Wer sich eins weiß mit Jesus Christus, weiß, daß er erlöst ist, und wer darum auch so aussieht, der wird seiner Gemeinde eine große Hilfe sein.6 Die Menschen werden zu ihm kommen, ihm Last auflegen, die er trage. Also sei allezeit fröhlich in deinem Amt.
Und dir, liebe Hilde, sage ich dazu: Hilf deinem Mann allezeit, fröhlich zu sein. Es ist ein Dienst, den du deinem Mann und der Gemeinde tust. Hilf ihm dazu durch dein Gebet und durch deine Treue. Hilf dadurch, daß du dir deine Arbeit, deine Zeit so einteilst, daß du mit ihm fröhlich sein kannst. Dann werdet ihr verstehen, was Paulus sagt: alles ist euer, ihr aber seid Christi!7
Solche Fröhlichkeit aber kommt nur durch Gebet ohne Unterlaß. Es ist kein christliches Haus, wo nicht gebetet wird ohne Unterlaß. Du, Albrecht, hast in den letzten Jahren mit viel Mühe gelernt, was dies Beten ohne Unterlaß etwa heißen kann,8 und du hast entdeckt, daß es so viel helfen kann, und du wirst es noch mehr entdecken in deinem künftigen Leben. Und du, liebe Hilde, denke daran, daß dein Mann dies heilige Amt führen soll, und daß er das nur recht kann, wenn du ihm hilfst und wenn du Ehrfurcht hast vor diesem Amt und vor diesem Beten ohne Unterlaß.
Betet miteinander jeden Tag, morgens, mittags, abends, um Festigkeit eurer Ehe, um Bestand und um Vergebung eurer Sünde. Und vergebt euch alle Tage selbst in diesem Gebet gegenseitig eure Sünden. Eine Ehe unter der Vergebung sollt ihr führen, betet miteinander treu darum, und betet füreinander.
Dir, liebe Hilde, möchte ich noch besonders sagen: Es gibt in der Geschichte manches, wo die Frau Menschen zurückgewonnen hat für das Evangelium durch die Fürbitte. Und ich | möchte es dir ganz besonders ans Herz legen, daß du Fürbitte tust für deinen Mann, deine Familie, alle, die in dein Haus kommen und alle, mit denen du in Berührung kommst.9
Und seid dankbar in allen Dingen. Richtig beten könnt ihr nur, wenn ihr dankbar seid in allen Dingen, wenn ihr einmal in der Stunde des Todes sagen könnt wie Chrysostomus „Gott sei Dank für alles!“10 Seid dankbar nicht nur für euer Glück, sondern auch für alles Rätselhafte in eurem Leben, für Krankheit, Leiden und Verfolgung um des Evangeliums willen. Seid dankbar in allen Dingen! Seid es heute für all das, was ihr bis zu dieser Stunde empfangen habt. Seid dankbar, daß ihr einander habt. Und vor allem seid dankbar, daß ihr das Wort und den Willen Gottes noch habt bis ans Ende. Seid dankbar, daß Ihr einmal am Ende eures Lebens fröhlich sagen könnt: Ja, Gott sei Dank für alles!
Und nun geht hin in großer Freude und Gewißheit, eins geworden, die Augen erhoben zum Kreuz Jesu Christi, allezeit fröhlich, ohne Unterlaß betend. Amen.

13. BIBELARBEIT ZU ESRA UND NEHEMIA: WIEDERAUFBAU JERUSALEMS. FINKENWALDE, 21. 4. 19361

Der Wiederaufbau Jerusalems nach Esra und Nehemia

I. Die Erweckung

Die Gerichte Gottes über sein Volk2 kann nur Er selbst wieder wenden. Es bleibt dem zerstörten Jerusalem3 nichts als die Zuversicht, Gott werde sich nach seiner Verheißung wieder zu seinem Volk kehren, sonst garnichts. Auflehnung gegen das Gericht Gottes wäre es, wenn hier einer von sich aus, ungerufen und unbeauftragt daran ginge, die zerstörte Kirche wiederaufzubauen. Und geschehe es mit noch so frommem4 Willen, mit noch so reiner Lehre, mit noch so großer seelsorgerlicher Liebe zum Volk. So handelt vorwitziges „frommes Fleisch“, aber nicht der Glaube der Gemeinde Gottes. Sie wartet und beugt sich dem Gericht, bis Gott selbst wiederkommt, und sie betet um5 Erweckung. Aus der Erweckung durch den Geist Gottes kommt Erneuerung der Kirche. Niemals durch Restauration, niemals durch eigenmächtiges Aufhebenwollen der Gerichte Gottes. Nur durch seine Gerichte hindurch, nicht aber an ihnen vorbei kommt Gott wieder zu seiner Gemeinde. Die Erwekkung führt aus dem Gericht in die Gnade. Darum ist das Gebet um die Erweckung der Anfang einer echten Erneuerung der Kirche. |
Jerusalem ist zerstört. Der Tempel Gottes in seinem Allerheiligsten6 geschändet, die Priester gefangen und7 aus der Stadt gewiesen, die Mauern der Stadt sind niedergerissen, sodaß es keinen Schutz gegen irgendeinen Feind mehr gibt. Wehrlos ist die Kirche jedem Angriff preisgegeben. Fremde Mächte, fremde Herren, fremde Götter sind in Jerusalem eingezogen. Die Gemeinde Gottes ist vom Gericht und Zorn Gottes getroffen in die Gefangenschaft heidnischer Gewalthaber geraten. Als Fremdling muß das Volk Israel unter den Gottlosen wohnen. Und wer darf sich wundern und entrüsten, wenn bei einer jahrzehntelangen Dauer heidnischer Gewalt- und Fremdherrschaft viele müde und mürbe werden, wenn ihnen8 trotz aller Bedrückung und Schmach das ohnmächtige Dahinvegetieren in relativer Sicherheit unter dem Schutz des fremden Königs9 lieber geworden ist als die verödete friedlose Stadt Gottes, der nur Eines geblieben ist: die Verheißung. Wohl sang man durch all die 50 Jahre hindurch10 Lieder der Sehnsucht nach Jerusalem,11 Lieder des Zornes über die gottlosen Gewalthaber. Wohl erwartete man mit Zittern und Freude den Tag, an dem Gottes Gericht auf Babylon fallen und Israel frei sein würde. Aber es war doch nur ein Teil der Exulanten, der so an der Verheißung blieb. Niemals hätte ein eigenmächtiger Aufstand zum Ziel geführt. Hier mußte im Gehorsam gewartet werden auf den Ruf Gottes. Und nach langem Warten und Beten ruft Gott. Sein Ruf kommt in höchst seltsamer Weise; es ist ein doppelter Ruf. Gott erweckt den Geist des Cyrus im ersten Jahr seiner Regierung (Esr 1,1), ihm einen Tempel zu bauen in Jerusalem und das Volk Israel freizulassen. Und Gott erweckt den Geist von 42360 (Esr 2,64) Gliedern der gefangenen Gemeinde zur Rückkehr nach Jerusalem und zum Tempelbau (Esr 1,5). Was ist diese Erweckung des Cyrus? Cyrus kommt nicht zum Glauben, er wird nicht Jude. Er will dem Gott Israels neben an- | dern Göttern auch die Ehre geben. Es sind heidnische Gedanken, die ihn dahin führen. Aber es ist Erweckung durch Gott, der die heidnischen Gedanken des politischen Machthabers benutzt, um seiner Kirche Raum zu schaffen. Cyrus begreift zwar nicht, was es um die Kirche, um das Volk Gottes ist, obwohl er selbst der Meinung gewesen sein mag, es zu wissen. Aber er gibt ihr Raum. Das ist genug. Er muß ihr dienen, wie Nebukadnezar einst dienen mußte als Zuchtrute zur Vollstreckung des Gerichts an Israel12. Die Erweckung der Obrigkeiten der Welt dient allein dazu, daß das Volk Gottes in Freiheit „seinem“ (1,3) Gott dienen könne, in der Weise die Gott gefällt. Wieweit die Obrigkeit selbst begreift, was sie damit tut, ist nicht unbedingt wesentlich. Sie soll der Gemeinde Raum geben, daß sie „ein ruhiges und stilles Leben führe in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit“ (1 Tim 2[,2]). Das ist alles.
Die Erweckung des Volkes Israel ist13 echte Erweckung des Glaubens aufgrund gegebener Verheißungen Gottes. Nicht Volksbewegung, nicht jüdische14 „Glaubensbewegung“, nicht Schwarmgeisterei, sondern „Erneuerung“15 der Kirche Gottes im strengen Sinn des Wortes, die zum Wiederaufbau Jerusalems führt, Erweckung aufgrund von Verheißung. Daß es sich nicht um Mächte von unten, sondern um die Macht von oben handelt, geht auch daraus hervor, daß ein Teil des Volkes nicht mitzieht, daß vielmehr erst nach und nach in weiteren kleineren Gruppen die Rückkehr nach Jerusalem erfolgt. Die Zahl der Erweckten wird ausdrücklich angegeben. Sie ist immerhin so klein, daß die einzelnen Stämme und Familien angegeben16 werden können (2,1 ff[–61]). Diese Namen sollen der Erinnerung der Gemeinde aufbewahrt werden.
Die Schar der Erweckten hatte der Geist Gottes gemacht „wie einen Mann“ (2,64), ein Ausdruck, der sich im Folgenden wiederholt zum Zeichen dessen, daß es der Eine Geist war, der sie leitete (3,1 3,9). Im Blick auf die Verheißung Gottes waren alle Unterschiede abgetan, aus dem zerfallenen | Volk Gottes war Ein Mann geworden, wie die Gemeinde aller Zeiten Einer ist in Christus (Gal 3,28).
Weil es Erweckung war, darum gab es hier keinen Zwang, auch keine Mitläufer, sondern es war alles auf Freiwilligkeit gestellt, Freiwilligkeit, die durch den Geist Gottes gewirkt ist. Es war ja auch durchaus keine einleuchtende Sache. Konnte das alles nicht eine List des Cyrus sein? Meinte es Cyrus ehrlich mit den Juden? War es nicht überaus gefährlich den Auszug zu wagen, all die Mühe auf sich zu nehmen, um nachher an ein Trümmerfeld zu kommen?17 Wer solche Zweifel und Überlegungen noch hatte, mußte zurückbleiben, er gehörte nicht zu den Erweckten. Wie sollte er auch die Anfechtungen und Nöte bestehen, die ihm auf dem Weg bevorstanden?18 Als viel später Artaxerxes wohl bereit gewesen wäre, dem Esra ein Geleit zu stellen, das der Gemeinde Gottes unter dem Schutz der politischen Macht auch ihren Heimzug gewähren sollte,19 da „schämete ich mich, vom König Geleit und Reiter zu fordern, uns wider die Feinde zu helfen auf dem Wege. Denn wir hatten dem Könige gesagt: Die Hand unseres Gottes ist zum Besten über allen, die ihn suchen und seine Stärke und Zorn ist über alle, die ihn verlassen“ (8,22). Und es wäre ja ein Verlassen Gottes20 gewesen, hätte man fremde Hilfe begehrt. Die Gemeinde Gottes geht ihren Weg allein. Allein – in freiem Gehorsam gegen den Gott, der sie auf den Weg ruft. Solcher Gehorsam hat die Verheißung, besser: solchen Gehorsam schafft sich allein die Verheißung. „Und die Hand unsers Gottes war über uns und errettete uns von der Hand der Feinde und derer, die auf uns hielten auf dem Wege und wir kamen gen Jerusalem“ (8,31 f).
Aber nicht nur der Auszug, sondern schlechthin alles mußte hier auf die Freiwilligkeit der Gemeinde gestellt sein. Das Wort „freiwillig“ spielt hier in den Berichten eine besondere Rolle. Die Tatsache, daß eine Gemeinde bereit ist, den ihr von Gott verordneten Weg zu gehen, macht auch die, die nicht mitziehen, hilfsbereit und gebefreudig. Dort wo der | Geist eine Gemeinde bewegt, dort gibt es außer dem Haß der Feinde durch die Freundlichkeit [Gottes] auch immer die Sphäre der Sympathie, sodaß die Gemeinde „Gnade hatte bei dem ganzen Volk“ Akt 2,47.21 Mit freiwilligen Gaben helfen sie der Gemeinde (1,6). In Jerusalem angelangt, kann der Bau des Hauses Gottes abermals nur durch große freiwillige Opfer der Gemeinde begonnen werden (2,68 f). Die Zahl der Opfer hält sich auch nicht ängstlich an den Rahmen des Gebotenen, sondern sie geht darüber hinaus durch allerlei „freiwillige Opfer, die sie freiwillig taten“ (3,5). Freiwillig nimmt auch die Gemeinde die Trennung von den heidnischen Weibern auf sich ([Kapitel] 10), freiwillig gehen die Obersten an den Mauerbau (Neh. 2,18), freiwillig erlassen die Reichen den Armen ihre drückenden Schulden (Neh 5,10 ff[–12]). Nirgends wird drückender Zwang aufgerichtet, sondern das Gebot Gottes schafft sich überall freiwilligen und freudigen Gehorsam. Das alles ist nur möglich, wo der Geist Gottes selbst die Gemeinde erweckt hat, wo die Einzelnen bei ihrem Namen gerufen sind von ihrem Gott – darum die langen und zahlreichen Namenregister in diesen Büchern22, denen die Listen in der Alten Kirche entsprechen, in die sich die Integrierten einzutragen hatten,23 – wo es „herausgerufene“ Gemeinde, ecclesia24 im eigentlichen Sinn des Wortes ist. Nur eine solche Gemeinde kann Jerusalem wieder aufbauen.

II. Der Aufbau

Echte Erweckung gibt es25 nur aufgrund von gewisser Verheißung. Jeder Schritt, der nicht allein durch Glauben an die Verheißung, sondern auch noch durch allerlei eigne Pläne bestimmt ist, gefährdet das ganze Werk. Die Verheißung aber ist gewiß. Nicht in planlose Schwärmerei, sondern in zielbewußten Gehorsam gegen die Verheißung Gottes führt die Erwekkung. Sie ruht auf der Stadt J erusalem und ih- | rem Tempel. Sie ist dem König David gegeben in Ewigkeit. Sein Same soll den Tempel bauen.26 Salomo wurde der Erbauer des ersten Tempels, der zerbrach, der Davidide Serubabel muß es sein, der den Tempel zum zweiten Mal baut. Er baut ihn in der Kraft des Christus, dem in David die Verheißung gilt. Serubabel empfängt von Cyrus die Geräte des Tempels zurück (Esra 1,8). Serubabel ist der erste in der langen Reihe der Auswanderer, die aufgezählt werden (2,2). Daß sein Name an der Spitze steht, besagt, daß dieser Auszug zum Bau des Tempels auf Verheißung hin geschieht. In diesen Namen war der Name Christi enthalten. Neben dem königlichen Namen steht der Name Jesuas27, der der Hohepriester der Gemeinde wurde (2,2 cf. 3,2 3,8 4,3 5,2).
Ihr erstes Werk ist die Errichtung eines Altars in Jerusalem zur Zeit des Laubhüttenfestes (Esra 3,1 ff[–4]). Noch war der Grund des Tempels nicht gelegt (3,6), aber der Ort der Anbetung und der Verkündigung ist wiedergewonnen und in Beschlag gelegt. Man fängt mit dem an, was einem geblieben ist und das ist der Ort, an dem es Gott gefallen hatte zu wohnen, um sich von seinem Volk28 finden und anbeten zu lassen. Es ist eine „Notkirche“, dieser Altar, aber eine Kirche unter der Verheißung. Die Feier des Laubhüttenfestes war in diesem Zeitpunkt besonders bedeutungsvoll. Eingesetzt zur Erinnerung an die Hütten, in denen Israel wohnte, als es zum ersten Mal aus der Knechtschaft in Ägypten geführt wurde (Lev 23,43), konnte nun die Gemeinde Gott über ihren eigenen Auszug aus der Knechtschaft in Babylon preisen und die unendliche Treue Gottes anbeten.
Erst im zweiten Jahr nach der Ankunft kann der Bau des Tempels beginnen (3,8). Die Gemeinde mußte Geduld lernen. Die Kirche muß auch in aufregendsten Zeiten warten lernen!29 Zur Grundsteinlegung ist Serubabel und Jesua und mit ihnen das ganze Volk der Gefangenschaft versammelt und unter jubelnden Dankchören und Psalmen Davids sieht das Volk auf den Trümmern der Burg Zion30 den Grund zum | neuen Tempel gelegt. Zu dem Jauchzen des jungen Volkes aber gesellt sich das laute Weinen der alten Priester, „die das vorige Haus gesehen hatten“ (3,12). Die Erinnerung an seine Herrlichkeit und seine schmähliche Verwüstung übermannte sie. So mußte die Güte Gottes sich schänden lassen in der Welt, so durften die Feinde Triumphe feiern über den allmächtigen Gott, so mußte Gott selbst das Volk seiner Gnade richten. Und aus dem Weinen der Alten, in dem sich ihre große Liebe zum Hause Gottes offenbarte, wuchs wiederum das hoffnungsvolle Jauchzen der Jungen umso mächtiger, „also, daß das Volk nicht unterscheiden konnte das Jauchzen mit Freuden und das laute Weinen im Volk, denn das Volk jauchzte laut, daß man das Geschrei ferne hörte“ (3,13). Aber Jauchzen und Weinen waren ja eins in dem Dank, „daß der Herr gütig ist und seine Barmherzigkeit ewig währt über Israel“ (3,11). Im Glauben war man ausgezogen, im Glauben hatte man das Werk des Wiederaufbaus begonnen, und an Serubabel, dem Sohn Davids, wurde die Verheißung Gottes wahr.

III. Die Feinde

Das erste Gelingen macht die Umwelt aufmerksam. Die totgeglaubte Kirche ist wieder lebendig geworden. Sie ist wieder ein nicht mehr zu übersehender Faktor des öffentlichen Lebens. Es gibt nun zwei Wege für den, dem dieses Geschehen aus irgendwelchen Gründen unerwünscht ist. Erster Weg:31 man macht sich diesen Faktor zunutze für die eignen Zwecke. Gelingt das nicht, so geht man zum offenen Angriff über. Es ist zunächst immer das Klügere, den schwierigen Gegner für sich zu gewinnen. Da müssen Konzessionen gemacht werden, oft weitgehende. Die Feinde der Kirche müssen sich dazu hergeben, ihre Mithilfe am Aufbau der Kirche anzubieten: Laßt uns zu gleichen Teilen die Arbeit übernehmen, Männer der | politischen Macht32 und Männer der Kirche, laßt uns doch zusammen bauen!33 es ist ja unser eigenstes Anliegen, auch wir wollen ja Kirche, wir erkennen ihre Notwendigkeit, wir haben ja denselben Gott wie ihr. Laßt uns zusammen bauen (4,1 f). Eine überaus schwierige Situation: Hier ist das Angebot der politischen Mächte an die Kirche. Hier ist nicht nur Schutz des eigenen Unternehmens, hier ist auch eine offene Tür, die doch nicht ins Schloß fallen darf. Hier sind Ansatzpunkte. Gewiß, die Motive die zu diesem Angebot führen[,] mögen34 nicht ganz rein, nicht ganz uneigennützig sein. Aber kann man denn von den politischen Mächten etwas anderes erwarten? ist es nicht schon etwas ungeheures35, wenn auf dem politischen Programm der Glaube der Kirche auch genannt ist?36 Dürfen wir die ausgestreckte Hand ausschlagen? Geht es hier nicht einfach darum Vertrauen zu haben, und kann auf solches Angebot hin nicht wirklich Vertrauen von uns erwartet und gefordert werden? Und man denke nur einen Augenblick, man schlüge das Angebot aus, man bliebe mißtrauisch, in der Reserve! Welche unabsehbaren Folgen? wer will sie tragen? wer will sie auf sein37 Gewissen nehmen? Gehört es nicht zum Wesen der Kirche, daß sie immer das Beste denkt und erwartet? Wäre es nicht eine Pharisäerkirche, die ein solches Angebot abschlüge, die für sich selbst sein will38? Ist das nicht Sektiererei, führt das nicht zur Winkelkirche? Ist damit nicht der ganze Anspruch auf Offentlichkeitsgeltung der Kirche39 aufgegeben? Also, welcher Verantwörtliche, welcher Mann, der die Kosten überschlägt, bevor er einen Turm baut,40 welcher Jünger, der um die uns gebotene Schlangenklugheit41 weiß, wollte hier „Nein“ sagen?
Und doch – die Antwort des Serubabel ist ein klares „Nein“. Es „geziemt uns nicht, mit euch zusammen unserem Gott ein Haus zu bauen, sondern wir allein wollen Jahwe, dem Gott | Israels, bauen“ (4,3).42 Diese Antwort ist nicht Willkür, nicht Übermut, sondern die Gemeinde ist nicht frei anders zu antworten.43 Es [ist] nicht ins Belieben der Gemeinde gestellt, Mitarbeiter am Bau der Kirche zu dingen oder anzunehmen nach eigenem Gutdünken.44 So verlockend und erfolgversprechend es aussehen mag, einen aufbauwilligen Ausschuß von Männern aller Richtungen aufzustellen,45 so gewiß ist jede solcher Verlockungen für die Kirche eine tödliche Versuchung, von dem ihr gebotenen Weg abzugehen. Es kommt ja bei allem nur auf eines an, daß Gott seine Kirche baue und wie soll Er sie bauen, wenn die Wahrheit des Einen Glaubens46 verleugnet wird. Nur im Glauben kann die Kirche gebaut werden, nur auf die Verheißung hin.47 Da gelten keine Beteuerungen, man sei auch gläubig, positiv, christlich, – da gilt allein die Wahrheit, die die Beteuerungen Lügen straft, also – das Angebot wird abgeschlagen. Es wird der Weg der Verheißung48 gegangen und nicht der Berechnung.
Kaum ist das Nein gesprochen, da fällt die Maske des Partners. Ist der geistliche Weg fehlgeschlagen, so muß der politische Weg49 zum Ziele führen. Politische Diffamierung, Denunziationen müssen dazu dienen. Das Entscheidende und Einfachste ist, man schreit Hochverrat. Dies Wort hat erstens einen durchdringenden Klang, man hört hin, es klingt zweitens sehr patriotisch, und man ist drittens gewiß die Sympathien der Obrigkeit für sich zu gewinnen. Also, der Tempelbau ist Hochverrat gegen den persischen König. Man will ja damit nur eine politische Machtposition gewinnen, man will die politische Autorität untergraben und das Ende wird sein, daß ein Staat im Staat entsteht, dessen sich der König nicht mehr erwehren kann. Darum, principiis obsta50 – der Neubau der Kirche ist Hochverrat, der König soll ihn verbieten. So der Inhalt der Briefe der Widersacher an den König Artaxerxes (4,7 ff[–16]). Der König, der selbst Heide und weitab von den Vorgängen, mit vielerlei anderen politischen Dingen beschäftigt, | kein eigenes Urteil in diesen Fragen haben kann, leiht sein Ohr den Denunzianten und verbietet den Tempelbau (4,17 ff[–22]). Darauf ruht die Arbeit für einige Zeit durch Gewalt (4,23).51
Als Nehemia viel später mit Genehmigung seines Königs an den Aufbau der Mauer von Jerusalem geht, stellt sich auch ihm der Feind in den Weg. Als er die Juden ans Werk gehen sieht, versucht er es zunächst mit dem Spott, aber auch hier sogleich verbunden mit der politischen Verdächtigung: „ihr wollt euch wohl gegen den König empören!“ (Neh. 2,19) und dann: „Wollen sie die verbrannten Steine aus den Schutthaufen wieder lebendig machen?“ (Neh. 3,34) Die Antwort des Nehemia auf diesen Spott heißt: „Aber wir bauten die Mauer.“52 Auf dies Gerede antwortet die Gemeinde mit der Tat. Nun steht die Mauer da, der Anfang ist gemacht. Der Spott verschlägt nicht angesichts der vollzogenen Tatsache. Als der Feind das merkt, geht er zum Angriff über. Er will Verwirrung stiften in Jerusalem (4,2). „Sie sollen nichts merken und nichts sehen, bis wir mitten unter sie eindringen und sie totschlagen und so der Arbeit ein Ende machen“ (4,5). Also frontal können sie den Angriff nicht wagen. Sie müssen53 sich tarnen, damit sie nicht erkannt werden. Wölfe in Schafspelzen,54 Feinde der Gemeinde im Gewand der Frommen, der Satan in der Lichtgestalt des Engels55 – das ist jetzt die Gefahr. Hier muß die Gemeinde offene Augen und wachsame Wächter haben. In der Stunde solcher Gefahr spricht die Gemeinde: „Die Kraft der Träger ist zu schwach und des Schuttes ist zu viel. Wir können an der Mauer nicht bauen“ (4,4). Das ist eine große Anfechtung und Versuchung. Und Nehemia vermag die Gefahr der Stunde, die er erkennt, nur zu bannen, indem er die Gemeinde aufruft, nicht auf sich zu sehen, sondern auf den „großen, schrecklichen Herrn“ und ihn zu fürchten, und auf die Brüder, Söhne, Töchter und Frauen, für die ja der ganze Streit ausgefochten wird (4,8). Euer Kampf ist ja nicht in eigener Sache, sondern in ihm wird | entschieden über Generationen, Kinder und Kindeskinder. Das muß euch neuen Mut zum Durchhalten geben. Und sie „kehrten allesamt wieder um zur Mauer, ein jeder zu seiner Arbeit.“ (4,9) Und der Plan der Feinde war vereitelt. Dies alles aber ist der Kirche Christi zur wichtigen Erinnerung und Warnung geschrieben bis zum heutigen Tag.
Auch beim Tempelbau müssen schließlich alle feindlichen Versuche das Werk zu hindern, fehlschlagen. Es treten Propheten auf, Haggai und Sacharja (Esra 5,1 ff[–5]), und auf ihr Wort hin machen sich abermals Serubabel und Jesua auf, den Tempel wieder aufzubauen. Dies Wort Gottes war stärker als alle politischen Verbote und rief unverzüglich zur Tat. Man hatte eine Zeitlang geduldig gewartet. Nun, da Gott sich wieder hören ließ, gab es kein Warten mehr. Sofort erfolgt wieder eine namentliche Denunziation beim König, die aber nichts mehr ausrichtet ([Esra Kapitel] 5 und 6), im Gegenteil dazu führt, daß der König den Bau ausdrücklich unter seinen Schutz stellt. Und das Wort, das Nehemia zur Vollendung des Mauerbaus schreibt, mag auch über den Tempelbau gesagt sein: und das Werk war fertig. „Als unsere Feinde das hörten, da fürchteten sich alle Heiden, die um uns waren, und zitterten, mußten sich schämen,56 denn sie erkannten, daß dies Werk von Gott war.“ (Neh. 6,15 [f]) Daß am Ende auch die Feinde sich schämen müssen ihres Unglaubens und erkennen, daß dies Werk von Gott war57, das ist eine große Verheißung. Es ist aber auch ein großer Trost, daß auch unsere Widersacher einmal zur Erkenntnis kommen müssen, daß die Kirche Gottes Werk ist. Die Tempelweihe wird mit ungeheurem Aufwand gefeiert „mit großer Freude“ (Esra 6,1558). Priester und Leviten empfangen ihren Ehrendienst am Tempel und das Passahmahl vereinigt die Kinder der Gefangenschaft mit allen gläubigen Juden zu einer großen Gemeinde (6,21 f). |

IV. Die Reinigung der Gemeinde

Da die Chronologie hier gänzlich unsicher ist, gehen wir der Sache nach voran. Der Tempel ist gebaut. Die Gemeinde gesammelt. „Die gnädige Hand Gottes war über den Kindern der Gefangenschaft gewesen“, wie Nehemia unermüdlich wiederholt. Nun galt es, mit ganzem Ernst an den Gemeindeaufbau zu gehen. Da lag noch alles sehr im Argen. Noch war vieles von den Übelständen, die das Gericht Gottes über seine Kirche herbeigeführt hatten, unbehoben. Und es bestand die59 Gefahr, diese jetzt angesichts der neuen Wendung nicht mehr abzustellen, und dadurch erneut den Zorn Gottes über die Gemeinde zu bringen. Es war der Auftrag des Esra, des Schriftgelehrten, hier den Weg zu weisen. Der Weg des Gemeindeaufbaus ist der Weg zurück zur Schrift. Der Ungehorsam60 Jerusalems gegen die Schrift, gegen das Gesetz Gottes, war die Ursache des Zusammenbruches und Zerfallens.61 Weil man allerlei eigene und neue Wege gehen wollte, verließ man den Weg der Verheißung. Aber das angebotene und nicht aufgenommene Wort Gottes, wendet sich gegen den, dem es zur Gnade gegeben war. Das hat die Gemeinde der Gefangenschaft erkannt.62 Zurück unter die Schrift, unter das Schriftwort allein, zum einfältigen Gehorsam gegen das Wort Gottes – so allein durfte die neue Gemeinde vor ihrem Gott stehen.63 Die politische Macht und Freiheit war verloren, das verlockende Spiel mit Bündnissen aller Art64 war vorbei, Jerusalem stand jetzt unter der politischen Oberhoheit des persischen Königs, es war steuerpflichtig65 und empfing dafür den königlichen Schutz. Der Glanz der alten Zeiten war vorüber. Jerusalem war eine kleine, arme, unansehnliche Gemeinde geworden. Es gereichte keinem zum Vorteil sich zu ihr zu zählen. Aber diese Gemeinde der Erweckten, der Freiwilligen, wurde eine Gemeinde unter dem Wort, unter dem Gesetz. Das war ihr einziger und ganzer Ruhm. Man hatte die Lust verloren, noch eigenmächtige Wege zu gehen. Nun wollte man nur noch gehorchen, sich auf das Wort und Gesetz Gottes verlassen und ihm alles andere anheimstellen. Das Wort war genug.
Das Volk wird versammelt; Esra, der Schriftgelehrte, der der Gemeinde von Gott geschenkt war, wird aufgefordert, | das Gesetz des Mose zu bringen und vorzulesen (Neh 8,1 ff). Als Esra das Buch öffnet, steht das ganze Volk auf. Den Lobpreis des Esra auf die Güte Gottes, der seinem Volk dieses Buch gegeben hat, beantwortet die Gemeinde mit einem: Amen, Amen. Nun folgt die Verlesung und unter dem Eindruck des Wortes bricht das Volk in Weinen aus (8,8 f). Die Erkenntnis ihres Abfallens vom Gesetz überwältigt sie. Das Gesetz tut sein Werk und treibt die Gemeinde in die Buße, in die Sündenerkenntnis. Also, kein Stolz über das Erreichte, kein Selbstruhm der Gemeinde über die ihr geschenkte Wendung der Dinge, sondern Buße und Sündenerkenntnis unter dem Wort stehen am Anfang des Neubaus der Gemeinde. „Gedenke wovon du gefallen bist und tue Buße und tue die ersten Werke“ ([Apk] 2,5) – unter diesem Wort steht die neugewordene Gemeinde. Und in der Buße trifft sie nun das Wort des Esra: [„]Dieser Tag ist heilig dem Herrn, eurem Gott; darum seid nicht traurig und weint nicht. […] Gehet hin, esset und trinket und sendet denen, die nichts für sich bereitet haben …, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke. Und die Leviten stillten alles Volk und sprachen: seid still, denn der Tag ist heilig. Bekümmert euch nicht! Und alles Volk ging hin … daß es eine große Freude machte, denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen hatte kundgetan“ (8,9 ff[–12]). „Sie hatten die Worte verstanden“ – als Gottes Wort, das in die Buße und Demütigung treibt und das zugleich das große Freudenwort ist, daß Gott wieder zu seiner Gemeinde gekommen ist. Gott hat sein Wort wieder kundgetan, sein Gesetz ist seine Gnade. Freuet euch am Gesetz des Herrn.66 So vernahm die Gemeinde Gottes aufs neue das Evangelium. So stand sie in der Freude der Rechtfertigung vor ihrem Herrn. Das Wort der Schrift war der Grund, auf dem die Gemeinde sich neu erbaute.
Jetzt wird zum Laubhüttenfest eingeladen, das mit großem Jubel und Dank gefeiert wird. Dann versammelt sich die Gemeinde noch einmal zum Hören des Gesetzes und zur | Neuordnung ihres Lebens. Einen viertel Tag liest Esra aus dem Gesetz, einen viertel Tag lang währt die Beichte des Volkes, keiner nimmt sich aus, sie stehen alle miteinander unter demselben Wort, demselben Urteil und derselben Gnade. Die Antwort auf das vernommene Wort ist das Bekenntnis der Gemeinde zum Gesetz Gottes. Der Bund Gottes mit seinem Volk wird erneuert und das Volk gelobt Gehorsam. Priester, Leviten, Oberste und das ganze Volk – „verpflichten sich mit einem Eide, zu wandeln im Gesetz Gottes, das durch Mose, den Knecht Gottes, gegeben ist, daß sie es halten.“ (10,30) Freiwillig übernimmt die Gemeinde die Pflicht, für den Tempel zu sorgen, freiwillig wird der Zehnte wieder aufgebracht, aus freien Kräften der Gemeinde sollen die Gottesdienste getragen werden. Freiwillig unterwirft man sich der Einhaltung des Feiertages, des Sabbath nach dem Gebot Gottes, freiwillig erlassen später die Reichen den Armen ihre Schulden. Woher kam diese Freiwilligkeit, als aus67 der erfahrenen Nähe und Barmherzigkeit Gottes in seinem Wort, als aus der Rechtfertigung aus Gnaden allein? Aus der Kraft des Wortes kommt die Kraft des Gehorsams und des Opfers. So steht die Gemeinde rein vor ihrem Herrn.
Und mit der durch das Wort geschaffenen Reinheit ersteht nun auch die Verpflichtung alles abzutun, was noch an Unreinheit in der Gemeinde war, entsteht die Kraft zur Kirchenzucht. Die Gemeinde Gottes darf nicht durch heidnische Elemente verunreinigt werden. So geschieht das ungeheure, daß die Juden, die heidnische Weiber genommen haben, sich freiwillig von ihnen trennen (Neh 10,3168 Esra 10). Das Volk der Juden muß rein sein, weil es Gottes eigenes, erwähltes Volk ist. Die Erwählung Gottes allein, kein völkischer, kein rassischer, kein politischer Gedanke, konnte zu diesem beispiellosen69 Opfer verpflichten. Um des Wortes Gottes willen tritt die Scheidung ein, mitten in die Häuser greift sie hinein. Aber um des Wortes willen darf sich keiner entziehen. | „Und des Menschen Feinde werden seine eignen Hausgenossen sein“ (Mt 10,36). Das ist die Härte des einmal vernommenen Wortes Gottes, daß um seinetwillen sich die Menschen von einander scheiden müssen70. Wo eine Gemeinde das Wort wahrhaft neu hört, da muß die Scheidung von Glaubenden und Ungläubigen71 eintreten, da wird die Kirchenzucht – um der Wahrheit und um der besser verstandenen Barmherzigkeit willen – Ereignis. Wo die Kraft zur Kirchenzucht fehlt, dort fehlt auch noch die Kraft des Wortes Gottes. Aber freilich – der Weg ist nicht umkehrbar – nur aus dem gehörten Wort vollzieht sich die Scheidung, niemals aber kann die Scheidung ein Akt sein, um die Gemeinde erst zum Hören des Wortes zu bringen.72
Die Kirche Gottes ist Eine damals und heute. Die Wege, die Gott seine Kirche führt sind immer dieselben, durch Gericht und Strafe und Zerstörung hört die Gemeinde neu den Ruf Gottes und seine Verheißung. Wo aber Gottes Verheißung vernommen und ernstgenommen wird, dort wird Kirche, wo eine Gemeinde bereit wird, nichts mehr zu haben als das Wort, dort steht sie vor [Gott] als die Gemeinde der gerechtfertigten Sünder. Und zuletzt gilt es:73 „und da alle unsere Feinde das hörten, fürchteten sich alle Heiden, die um uns her waren und der Mut entfiel ihnen. Denn sie merkten, daß dies Werk von Gott war“ (Neh. 6,15 f74).

14. ANLEITUNG ZUR SCHRIFTMEDITATION. FINKENWALDE, 22. 5. 19361

Anleitung zur täglichen Meditation.2

1.) Warum meditiere ich?3

Weil ich Christ bin und weil darum jeder Tag für mich verloren ist, an dem ich nicht tiefer in die Erkenntnis des Wortes Gottes in der heiligen Schrift eingedrungen bin. Nur auf dem festen Grund des Wortes Gottes kann ich gewisse Tritte tun. Ich lerne aber als Christ die heilige Schrift nicht anders kennen als durch das Hören der Predigt und die betende Meditation.
Weil ich Prediger des Wortes bin. Ich kann die Schrift nicht andern auslegen, wenn ich sie nicht täglich zu mir selbst reden lasse. Ich | werde das Wort in meinem Amt mißbrauchen, wenn ich nicht anhalte, es betend zu meditieren. Wenn mir im täglichen Amt das Wort oft leer wird, wenn ich es nicht mehr erfahre, dann soll mir das ein untrüglicher Hinweis darauf sein, daß ich das Wort lange nicht mehr habe zu mir selbst reden lassen. Ich versündige mich an meinem Amt, wenn ich nicht selbst täglich betend das Wort suche, das mein Herr mir heute sagen will. Den Wortverkündigern wird Apostelgeschichte 6,4 besonders das Amt des Gebetes auferlegt. Der Pfarrer4 muß mehr beten als andere und er hat mehr zu beten.
Weil ich eine feste Gebetszucht nötig habe. Wir beten gern nach Stimmungen, kurz, lang oder garnicht. Das ist Willkür. Das Gebet ist nicht freies Opfer an Gott, sondern schuldiger Dienst, den er fordert. Wir sind nicht frei, damit nach eigenem Wunsch umzugehen. Gebet ist der erste Gottesdienst am Tage. Gott beansprucht für diesen Dienst unsere Zeit (Ps. 119,147 f. 164). Gott hat Zeit gebraucht, ehe er in Christus zum Heil zu uns kam. Er braucht Zeit, ehe er mir zum Heil in mein Herz kommt.5
Weil ich Hilfe brauche gegen die unfromme Hast und Unruhe, die auch gerade meine Arbeit als Pfarrer gefährdet. Nur aus der Ruhe des Wortes Gottes kommt der rechte hingebende Dienst des Tages.6

2.) Was will ich mit der Meditation?7

Wir wollen jedenfalls anders von der Meditation aufstehen als wir uns hinsetzten. Wir wollen ja Christus begegnen in seinem Wort. In der Begierde zu hören, was er uns heute durch sein Wort wissen lassen und schenken will, gehen wir an den Text. Begegne am Tage erst ihm, ehe Du anderen Menschen begegnest. Lege jeden Morgen alles, was Dich bewegt, beschäftigt und bedrückt auf ihn, ehe neue Last auf Dich gelegt wird. Frage Dich, was Dich noch hindert, ihm ganz zu folgen, und laß ihn Herr darüber werden, ehe neue Hindernisse sich in den Weg stellen.
Seine Gemeinschaft, seine Hilfe und seine Weisung für den Tag durch sein Wort, das ist das Ziel. So wirst Du aufs Neue gestärkt im Glauben den Tag beginnen.8

3.) Wie meditiere ich?

Es gibt freie und schriftgebundene Meditation. Um der Gewißheit | unseres Gebetes willen raten wir zur schriftgebundenen Meditation. Aber auch um der Zucht unserer Gedanken willen. Schließlich wird auch das Wissen um die Gemeinschaft mit anderen, die den gleichen Text meditieren, uns die Schriftmeditation lieb machen.9
Wie das Wort eines lieben Menschen dir den ganzen Tag lang nachgeht, so soll das Wort der Schrift unaufhörlich in dir nachklingen und an dir arbeiten. Wie du das Wort eines lieben Menschen nicht zergliederst, sondern es hinnimmst, wie es dir gesagt ist, so nimm das Wort der Schrift hin und bewege es in deinem Herzen wie Maria tat.10 Das ist alles. Das ist Meditation. Suche nicht neue Gedanken und Zusammenhänge im Text wie zur Predigt! Frage nicht: wie sage ich es weiter, sondern: was sagt es mir!11 Dann bewege dieses Wort lange in deinem Herzen, bis es ganz in dich eingeht und Besitz von dir genommen hat.
Es kommt nicht darauf an, jeden Tag den ganzen vorgenommenen Text durchzugehen. Oft werden wir tagelang an einem Wort hängen bleiben. Unverständliche Stellen laß ruhig aus und fliehe nicht in die Philologie. Das griechische Neue Testament hat hier nicht seinen Platz, sondern der vertraute Luthertext.12
Wenn die Gedanken beim Meditieren zu nahestehenden Menschen oder zu solchen, um die wir in Sorge sind, gehen, dann verweile dort. Da ist der rechte Ort für die Fürbitte. Bete dann nicht Allgemeines, sondern ganz Besonderes für die dir befohlenen Menschen. Vom Schriftwort laß dir sagen, was du erbitten darfst. Wir dürfen uns auch zur Hilfe ruhig die Namen der Menschen aufschreiben, derer wir täglich gedenken wollen.13 Auch die Fürbitte fordert ihre Zeit, wenn sie ernst sein soll. Zu gegebener Zeit achte aber darauf, daß die Fürbitte nicht wieder zur Flucht vor dem Wichtigsten wird: der Bitte um das eigene Seelenheil.14
Wir beginnen die Meditation mit dem Gebet um den heiligen Geist. Mit der Bitte um rechte Sammlung für uns und für alle, von denen wir wissen, daß sie auch meditieren. Dann wenden wir uns zum Text.15 Schluß der Meditation wollen wir soweit sein, daß wir aus vollem Herzen ein Dankgebet sagen können.
Welchen Text und wie lange denselben Text? Es hat sich bewährt, einen Text von ungefähr 10 bis 15 Versen eine Woche lang | zu meditieren. Es ist nicht gut, jeden Tag einen anderen Text zu meditieren, da wir nicht immer in gleicher Aufnahmebereitschaft sind und die Texte meistens viel zu groß sind. Keinesfalls aber nimm deinen Predigttext vom nächsten Sonntag. Der gehört in die Predigtmeditation. Es ist eine große Hilfe, wenn eine Bruderschaft sich allwöchentlich um denselben Text gesammelt weiß.16
Die Zeit der Meditation liegt morgens vor dem Beginn der Arbeit. Eine halbe Stunde wird die geringste Forderung sein, die eine rechte Meditation an uns stellt. Völlige äußere Ruhe und der Vorsatz, sich durch keinerlei noch so wichtige Dinge ablenken zu lassen, sind selbstverständliche Voraussetzungen.
Eine leider sehr seltene, aber durchaus mögliche Betätigung christlicher Bruderschaft ist die gelegentliche Meditation zu zweien oder mehreren. Zwischen falscher frommer Redseligkeit und unverbindlicher theologischer Diskussion geht hier ein schmaler Weg.

4.) Wie überwinden wir die Nöte der Meditation?

Wer sich mit großem Ernst der täglichen Übung der Meditation unterzieht, der wird bald in große Schwierigkeiten geraten. Meditieren und beten will lange und mit Ernst geübt sein. Dabei gilt zuerst: Werde nicht ungeduldig mit dir selbst. Verkrampfe dich nicht in Verzweiflung über deiner Zerstreutheit. Setz dich aber jeden Tag wieder hin und warte sehr geduldig. Wenn die Gedanken immer wieder fortlaufen, so suche sie nicht krampfhaft zu halten. Es ist kein Schade, sie dann einmal dorthin laufen zu lassen, wohin sie zielen; dann aber nimm den Ort oder den Menschen, zu dem sie gehen, in dein Gebet hinein. So findest du zurück zu deinem Text, und die Minuten solchen Abschweifens sind nicht verloren und quälen nicht mehr.17
Mannigfaltig sind die Hilfen, die sich jeder für seine besonderen Schwierigkeiten suchen wird: Immer wieder dasselbe Wort lesen, sich die Gedanken niederschreiben, zeitweilig die Verse auswendig lernen (man wird zwar jeden wirklich durchmeditierten Text sowieso auswendig können). Dabei lernen wir aber auch bald die Gefahr kennen, daß wir wieder von der Meditation in die Bibelwissenschaft oder sonstwohin fliehen. Hinter allen Nöten und Ratlosigkeiten steht ja im Grunde unsere große Gebetsnot; allzulange sind da viele von uns ohne jede Hilfe und Anleitung geblieben. | Dagegen hilft nichts, als die allerersten Übungen des Gebets und der Meditation treu und geduldig wieder anfangen. Wir wollen uns weiterhin dadurch helfen lassen, daß andere Brüder auch meditieren, daß allezeit die ganze heilige Kirche im Himmel und auf Erden mitbetet. Das ist ein Trost in der Schwachheit des Gebets. Wenn wir wirklich einmal nicht wissen, was wir beten sollen, und darüber ganz verzagen, so wissen wir doch, daß uns der heilige Geist vertritt mit unaussprechlichem Seufzen.18
Wir dürfen von diesem täglichen Umgehen mit der Schrift nicht lassen und müssen gleich damit beginnen, wenn wir es noch nicht taten. Denn wir haben das ewige Leben darin.19
(Aus dem Finkenwalder Predigerseminar)

15. TRAUPREDIGT ZU JOHANNES 13,34. MAGDEBURG, 18. 7. 19361

Joh 13,34

[„Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander liebhabt“]

Die Liebe als Gebot Jesu Christi ist etwas anderes als die Liebe, die aus dem menschlichen Herzen kommt. Wir dürfen heute auch für diese menschliche Liebe danken. Das ist der Sinn der kirchlichen Trauung, daß euch heute das göttliche Ja zu eurer menschlichen Liebe zueinander verkündigt | wird. Gott will die Ordnung der Ehe und segnet die Liebe von Mann und Frau zu einander. Das sollen wir nicht verachten oder für eine geringe Sache ansehen. Es ist etwas unbegreiflich Großes, daß der Schöpfer so zu seinen Geschöpfen Ja sagt, daß er so in ihren Willen einwilligt. Es ist die Güte des Schöpfers, für die wir danken dürfen.
Aber wir wissen auch, daß alles, was aus unserm Herzen kommt unter einem doppelten Fluch steht: es ist unbeständig und es ist vergiftet mit Selbstsucht. Dieser Fluch steht auch über den größten und schönsten Wünschen und Vorsätzen unsers Herzens. Durch Unbeständigkeit und Selbstsucht aber wird die Liebe in ihr Gegenteil verkehrt. Sie gerät unter die Macht der Sünde.
Aus dieser Not läßt Gott uns helfen. Er will, daß unsre Liebe ewig, selbstlos und rein sei. „Ein neu Gebot gebe ich euch –“ sagt Jesus: das heißt wer ihn kennt, der fängt ein neues Leben mit seinem Nächsten an, ein Leben nach dem Gebot Jesu.2 Jesus spricht zu seinen Jüngern, zu solchen, [die] ihm in ihrem Leben3 folgen wollen. Wie heißt dieses neue Gebot? „Daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ Eure Liebe zueinander soll sein wie die Liebe Jesu Christi zu euch. Das ist allerdings etwas neues.
Die Liebe Jesu Christi zu uns – was ist das? Ist sie uns nur ein Wort oder haben wir sie erfahren. Nur wer sie erfahren hat, kann den andern mit dieser Liebe wiederlieben. Jesu Liebe – das ist die Liebe4, die aus der Ewigkeit kommt und auf die Ewigkeit zielt. Sie hängt nicht an zeitlichen Dingen, sondern sie umfaßt uns, weil wir ewig sein sollen. Sie läßt sich durch nichts hindern, sie ist Gottes ewige Treue zu uns. Habt ihr die erfahren? Jesu Liebe – das ist die Liebe, die keinen Schmerz, keinen Verzicht, kein Leiden scheut, wenn es dem andern hilft. Es ist die Liebe, mit der er uns allein um unsertwillen geliebt hat, dafür auf Erden den Spott und Haß der Menschen auf sich geladen hat und am Kreuze starb. Jesu Liebe ist Liebe, die das Kreuz auf sich nimmt. Habt ihr die | erfahren? Jesu Liebe – das ist die Liebe, die uns gilt, so wie wir sind. Wie eine Mutter ihr Kind liebt so wie es ist und es je mehr liebt, je größere Not es ihr bereitet, weil sie weiß, daß es ihre Liebe braucht – so ist die Liebe Jesu zu uns. Er nimmt uns an, wie wir sind. Jesu Liebe – das ist die Liebe, die uns alle Sünde vergibt; die uns unzähligemale verschont mit gerechten Strafen, die unzählige Mal unsere Sünde bedeckt und Gnade vor Recht ergehen läßt. Jesu Liebe, – das ist die Liebe die täglich für uns betet und eintritt. Jesu Liebe, das ist die ewige Liebe Gottes des Vaters zu uns. Haben wir sie nicht oft erfahren?
„Daß ihr euch untereinander liebt, gleichwie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander lieb habt.“ Wollt ihr eine Ehe mit Jesus Christus als seine Nachfolger führen, so liebt einander mit dieser göttlichen Liebe, liebt einander so, daß ihr in Ewigkeit bei Gott miteinander sein könnt ohne einander zu verklagen. Denkt daran, daß eure Gemeinschaft für die Ewigkeit Gottes berufen ist. Liebt einander so, daß einer um des andern willen keinen Verzicht, kein Leiden scheut, wenn nur dem andern damit gedient ist. Nehmt einander auf, wie ihr seid; rechnet euch eure Fehler nicht vor und denkt daran, daß Gott euch annahm, wie ihr wart.5 Liebt einander so, daß ihr euch täglich eure Schuld vergebt. Ohne Vergebung könnt ihr nicht als Christen leben (Vaterunser 5. Bitte!). Liebt einander so, daß ihr für einander betet. Liebt einander nicht nur als Mann und Frau, sondern als Christen. So wird eure Gemeinschaft nicht mit dieser Zeit vergehen, sondern in Ewigkeit bleiben. Amen.

 

d) Vierter Kurs. Bruch mit Genf und Arbeit an der „Nachfolge“
17. Oktober 1936–15. März 1937

16. BIBELARBEIT ZU DEN TIMOTHEUSBRIEFEN (MITSCHRIFT). FINKENWALDE, 20. 10. 19361

Der Diener am Hause Gottes

I. Paulus und Timotheus

Wie verhält sich der Glaube der großen Paulusbriefe zu den Pastoralbriefinhalten?2
Paulus redet über den Wandel dessen, dem im Hause [Gottes] ein Dienst aufgetragen ist. Er schreibt an den „rechtschaffenen Sohn im Glauben“ I 1,2. Damit ist klar, dieser Brief steht nicht im Verhältnis einer kirchlichen Praxis zur Theorie, sondern Timotheus wird als ein solcher angeredet, der im Glauben mit Paulus eins ist. Timotheus steht im selben Glauben des Paulus, das heißt er steht im Glauben des Römerbriefes. Dieses „im Glauben“ ist nicht eine vom vollen Gehalt des paulinischen Glaubens gelöste Floskel. Ist aber Timotheus das „echte Kind im Glauben“,3 so heißt das, die ganze Wahrheit des Evangeliums ist vorauszusetzen, die fides quae creditur4. Eben weil sie die Voraussetzung von allem ist, braucht sie nicht explizit dargelegt zu werden. Vielmehr genügt der beiläufige Hinweis in den Pastoralbriefen auf diese Voraussetzung II 2,8. So wird geredet zu einem, der immerdar bei dieser guten Lehre gewesen ist I 4,6.5 Die Pastoralbriefe wollen also verstanden werden auf der Voraussetzung des in den großen Paulinen6 gegebenen Glaubensverständnisses.
„Meinem rechtschaffenen Sohn im Glauben“. Es ist ein Unterschied, ob Paulus jemand seinen rechtschaffenen Sohn im Glauben nennt oder ob einer Paulus | seinen geistigen Vater nennt und es doch nicht ist.7 Wer sein echter Sohn ist, das sagt der Vater allein aus.8
Paulus spricht zu Timotheus nicht als zu einem Freund, als zu einem Bruder, auch nicht als zu einem Gegenüber von Untergebenen und Vorgesetzten, sondern alles, was Paulus an Timotheus schreibt über Dienst und Auftrag, das schreibt er als geistlicher Vater zu seinem Sohn.9 Der Vater kennt seinen Sohn. Er braucht darum nicht immer wieder alles zu wiederholen. Er gibt nicht unverbindliche Ratschläge, er gibt auch keine Dienstanweisungen. Er spricht in allen Dingen als geistlicher Vater über alle Dinge in verbindlicher Autoritat, väterlicher Ermahnung und Liebe.10

II. Der Wandel im Hause Gottes

Paulus gibt den Grund seines Schreibens an I 3,14 f: Also „daß du wissest, wie du wandeln sollst im Hause Gottes“. Das ist der Zweck des Briefes11. Das soll Leben und Arbeit des Timotheus sein. Es wird ihm in Erinnerung gebracht, daß er nicht etwa dazu da ist, ein berufliches Ideal zu verwirklichen, sondern er ist unter seiner Gemeinde und lebt unter ihr. Sie ist das Haus Gottes12. Er ist also nicht der Prediger vom Sonntag, der Helfer der Armen oder sonst etwas. Es ist nicht die Rede von dieser oder jener Tätigkeit seinerseits, nein, es ist von ihm selbst die Rede. Timotheus kann seine Arbeit von sich selbst nicht mehr trennen. Überall sonst geht das, hier nicht. Das ist eben sein Amt und seine Arbeit, recht wandeln im Hause Gottes. Darin besteht sein Amt. Es gibt auch nicht den Rückzug vom Amt in die persönliche Privatsphäre oder umgekehrt.13 Timotheus ist keinen Augenblick Privatperson. Jeder Augenblick ist eben Wandel in der Gemeinde, würdiger oder unwürdiger.14 |
Timotheus bedarf dazu der apostolischen Belehrung.15 Wäre sein Amt allein die Verkündigung der Predigt, dann wüßte Timotheus wohl, worum es ginge. Denn lange genug ist er herumgezogen mit Paulus.
Dem Timotheus muß noch einmal gesagt werden, was die Gemeinde sei I 3,15: στῦλος καὶ ἐδραίωμα τῆς ἀληθείας16. Nicht dies steht im Vordergrund, daß Timotheus Träger der Wahrheit ist – gewiß ist er dies auch – sondern daß die ganze Gemeinde Tragpfeiler ist.17 Diese Wahrheit ist nicht eine Lehre, zu deren Verkündigung die Gemeinde gesetzt ist, sondern sie ist das Geheimnis, das Mysterium, das in der εὐσέβεια18 gewahrt wird. Es ist ein Geheimnis, das nicht zur Doktrin aufgelöst wird, sondern allein in der εὐσέβεια begriffen und angebetet wird; ein Geheimnis, das darum hier auch nicht in einer dogmatischen Formel beschrieben wird, sondern in einem Hymnus.19
Keinerlei große Dinge werden von Timotheus gefordert, sondern zu dem schlichten Wandel angesichts dieser Wahrheit wird er angehalten.20 Timotheus wird hier nicht der Missionar!21

III. Timotheus

Wer ist Timotheus? Welches Interesse können wir an dieser Frage nehmen? Was für ein Mensch ist dieser Diener am Hause Gottes denn gewesen? Was für Gaben und Qualitäten besaß er? Welche innere Entwicklung hatte er durchgemacht? Welche Voraussetzung bringt er zu diesem Beruf mit? Alle Antworten werden uns versagt: Acta 16,1 f; II 3,15; II 1,5; Acta 16,3. Worin besteht das Eigenartige all dieser Beschreibungen, die wir von Timotheus kennen? Darin, daß sie so gar nicht von innen, sondern gänzlich von außen her erfolgen: seine Familie, sein Ruf, seine Erziehung in der Schrift, seine Be- | schneidung. Diese Dinge, deren keines etwas über seine innere Geschichte aussagt, genügen zur Beschreibung dieses ungewöhnlichen Mannes. Kein Wort über seine besonderen Gaben und seine besondere Geschichte.22 Warum nicht? Weil offenbar nichts von diesem mit dem Dienst am Hause Gottes zu tun hat. Es ist genug, daß er im Glauben steht und daß er nach außen keinen Anstoß gibt.
Das scheint sehr nüchtern. Also kein Mann der glänzenden Beredsamkeit, kein Mann reformatorischer, vorwärts drängender Geschichte etc.23 All diese Bilder24 stellen den Timotheus ganz in den Schatten. Im Glauben stehen und keinen Anstoß geben! Wir würden sagen, das ist die selbstverständliche Voraussetzung.25 Paulus aber sagt, das ist alles! Paulus scheint andere Ansprüche an den Diener am Wort gestellt zu haben als wir.26
Dieser Timotheus, der so von außen beschrieben ist, ist der treue Gefährte des Paulus gewesen.27 Im Römerbrief, den beiden Korinthern, im Philipper- und Kolosser- und beiden Thessalonicherbriefen ist er mit unter denen, die grüßen. Paulus nennt ihn Röm 16,21 seinen Gehilfen, 1. Kor 4,17 seinen lieben und treuen Sohn, 2. Kor 1,1 seinen Bruder. Er nennt ihn auch Phil 1,1 Knecht Jesu Christi, 1. Thess 328 auch Diener Gottes und Gehilfen am Evangelium; oder 1. Kor 16,10: „Er treibt auch das Werk Gottes gleichwie ich.“ Dieser Timotheus hat neben dem Apostel kein Eigenleben zu führen begehrt. Er hat nichts besonderes neben dem Apostel sein wollen 2. Tim 3,10 f! Timotheus hatte also nicht den Ehrgeiz einer eigenen Lehrbildung, einer eigenen Theologie. Er hatte die apostolische Theologie, das genügte ihm. Er beanspruchte auch nicht das Recht der Freiheit einer eigenen Lebensführung29, sondern wollte leben wie Paulus. Er lebte das apostolische Leben mit Paulus mit. Nicht einmal eigene Pläne, eigene Ideen hatte er in seinem Dienst gehabt. Er handelte wie Paulus30.
Weil Timotheus so gebunden war an die apostolische Lehre und an das apostolische Leben, darum trennte er sich auch nicht von Paulus im Leiden.31 Er trug es ebenso selbstverständlich und selbstlos, wie es seine Gemeinschaft [mit Paulus] überhaupt war.32 Paulus scheint sich hier zu beziehen auf die Ereignisse von Acta 13 und 14. Und offenbar ist Timotheus Zeuge dieser Ereignisse, der Leiden des Paulus gewesen. Das ist sehr bedeutsam. Denn es geht daraus hervor, daß Timotheus von vornherein, schon vor den Reisen wußte, mit wem | er es zu tun hatte, wenn er mit Paulus ging. Er hatte den verfolgten und leidenden Paulus doch gesehen und offenbar hierin nicht den Grund zum Anstoß, sondern den zur Gemeinschaft gefunden.33 Die Gemeinschaft der apostolischen Lehre und des apostolischen Lebens, das war die einzige tragfähige Voraussetzung für solchen Dienst34. Der alte Apostel, der später aus dem Gefängnis in Rom schreibt, kann sich auf diesen seinen echten Sohn im Glauben verlassen bis zuletzt. Es ist begreiflich, daß der Apostel ihn in seinem letzten Brief nach Rom ruft II 1,4; 4,9 und 21.35 Dieser letzte Ruf des Paulus, der seine Hinrichtung erwartet, ist nur eine andere Beschreibung36 des Timotheus von außen her, die letzte; aber sie sagt mehr als irgendeine andere zu sagen vermöchte.

IV. Die Berufung und der Auftrag des Timotheus

Timotheus hat seinen Auftrag von Paulus empfangen, soll in Ephesus bleiben, während Paulus nach Mazedonien zieht I 1,3. Er soll achthaben auf die Gemeinde als Haushalter.37 Ephesus war die größte der kleinasiatischen Gemeinden. Unter Tränen verläßt er Paulus II 1,4. Timotheus handelt hier nach apostolischem Befehl. Er nimmt auch diesen Auftrag wie alles andere aus der Hand des Paulus. Die Arbeit ist groß und schwer, und Timotheus ist jung. Dazu Trennung vom Apostel.38
Eine besondere Schwierigkeit für Timotheus besteht darin, daß er in der Gemeinde auf keinerlei Rechtsordnung und Satzung39 stößt. Alles ist auf seine persönliche Bewährung gestellt. Es kommt darauf an, ob er sich als der junge Mann in der jungen Gemeinde geistliche Autorität zu verschaffen weiß. Nirgends kann er sich hinter seiner Person auf sein Amt zurückziehen.40
Was befähigt den Timotheus so auf sich allein gestellt zu solchem Dienst? Wo sind die Gaben, die er braucht, um Menschen zu gewinnen, zu leiten?41 Hat er die Gabe zu diesem Dienst? Wie soll Timotheus dessen gewiß sein, daß er der rechte Mann für dieses Amt ist? Soll er auf seine Leistung, die er mit Paulus vollbrachte, | zurücksehen? All die Fragen42 läßt Paulus dem Timotheus gar nicht zu. Alle Zweifel, die sich einstellen möchten an seiner Gabe und Fähigkeit, schlägt Paulus ab, indem er zu ihm sagt: „Erinnere dich, daß du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“ II 1,6.
Von welchen Gaben redet Paulus? Nicht von irgendeiner natürlichen Anlage und Begabung, sondern von der Gabe, die durch Auflegen seiner Hände und der Ältesten auf Timotheus gekommen ist und nun in ihm wohnt. „Entflamme diese Gabe!“ Paulus gibt dem Diener am Wort keinen falschen Trost, etwa: Sieh auf deine reiche Erfahrung, auf deine Erfolge! Paulus sagt anderes zu dem, der in Zweifel gerät. Er sagt: es waren Männer der Gemeinde da, die die Gabe der Weissagung haben, die haben dich für diese Aufgabe ausgesondert. Es war der Apostel Jesu Christi da, der hat dir die Hände aufgelegt und für dich um diese Gabe gebetet. So sei gewiß, Gott hat dich zu dieser Arbeit und zu diesem Amt berufen. Er hat dich ans Werk gestellt. Er wird es dem, den er berufen hat, an keiner Gabe fehlen lassen. Murre nicht, zweifle nicht, sondern erwecke die Gabe, die in dir ist durch Auflegung der Hände, die dir geschenkte Gabe des Geistes für dein Amt! „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht“ – auch nicht den vor unserer eigenen Unbrauchbarkeit – „sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht“ II 1,7. In dem allem II 1,8: „Schäme dich des Zeugnisses unseres Herrn nicht!“ Und I 6,13 ff[–21]. Du hast also den Ruf Gottes empfangen; „bewahre das beigelegte Gut durch den Heiligen Geist, der in dir wohnt“ II 1,14. Die Gabe ist in ihm dadurch, daß Gottes Wort sie ihm wieder zuspricht. Auf dieses Wort hin ist die Gabe wieder da. Sie ist nicht in uns ruhend, sondern die Gabe ist da, wo das Wort dich trifft und dir sagt, du bist ja zu dieser Aufgabe verordnet. Es ist also der Zuspruch, der hier alles tut, nicht der Zustand.43
Timotheus ist44 gesichert gegen allerlei Widerspruch, den er in seiner Gemeinde hören muß; gerade auch gegen solche, die sich um ihrer größeren Gaben [willen] über ihn erheben wollen; gegen solche, die seine Jugend verachten wollen I 4,12, die sich auf ihre Erfahrungen stützen. Timotheus soll sich nicht unsicher und | zweifelhaft machen lassen an seiner Berufung.45 Die Weissagungen, die Timotheus ins Amt führten, die führen ihn auch in den Kampf, in dem er sich bewähren muß vor Beflekkung, Schändung, Entehrung, mit persönlichen Mitteln dem Amt die Würde und die Kraft zu rauben. In der Kraft der Ordination, der Handauflegung gilt es für Timotheus, wesentliche Kämpfe durchzukämpfen. Er soll eine gute Ritterschaft üben I 1,18. Er kämpft damit nicht für sich selbst, sondern für den Bau der Gemeinde, der ihm befohlen ist.
Aber tue alles, indem du Glauben und gutes Gewissen habest I 1,19.46 Es ist für Paulus nicht denkbar, daß einer den Wandel im Hause Gottes recht führen kann, der nicht selbst im Glauben steht und vor Gott ein gutes Gewissen hat. Paulus gibt keinen Anlaß zu dem Mißverständnis, daß Timotheus in der Kraft seines Glaubens anderen Glauben wecken könnte. Also nicht an seinem Glauben entzündet sich anderer Glaube, nein, es bleibt der Auftrag und das Wort. Aber der Auftrag kann nicht recht erfüllt werden, wenn nicht Timotheus im Glauben steht.47 Aber Paulus denkt an das ganze Amt, nicht nur an das Predigen. Hier weiß Paulus, daß keiner mit vollem Einsatz predigen kann, der nicht selbst im Glauben lebt oder den sein Gewissen verklagt. Ein solcher wird gelähmt in seinem Tun, in seinem Zorn und in seiner Kraft. Ein solcher ist kraftlos48, wenn es in den Kampf geht. Es ist hier deutlich, wie eng Amt und Person zusammenliegen. So gewiß die Berufung in das Amt nicht den Glauben schafft, so gewiß sind Berufung und Glaube untrennbar verbunden, wenn das Amt im Segen auch für den, der es trägt, geführt werden soll. Daß Timotheus schon lange im Glauben steht, ist für Paulus gewiß II 1,5. Das persönliche Lebensziel des Timotheus ist also mit dem Ziel der Gemeinde aufs engste verbunden I 6,12. Bleibt Timotheus dem Glauben treu, so bleibt er auch seinem Beruf treu.49 Niemals darf der Amtsträger sich selber rechtfertigen, indem er sich von seiner persönlichen Sünde auf sein Amt zurückzieht. Allein einen Sinn kann die Trennung von Amt und Person haben: | „Gottes Wort ist nicht gebunden.“ II 2,9. Es hängt niemals an meiner Person, aber meine Person hängt unter allen Umständen an meinem Amt.50 Daß Gottes Wort ungebunden ist und nicht an meiner Person hängt, das ist Trost für den angefochtenen Prediger, aber nicht Ruhekissen für seinen Unglauben. Der Glaube geht nicht zusammen mit unreinem Gewissen.51 In der Gemeinschaft mit Christus ist der Glaubende52 recht fertig gemacht zum guten Werk I 2,10.15; 5,25; 6,18; II 2,21; 3,17; Tit 2,14; 3,1.8.14. Die Meinung, wer den Glauben habe, brauche nach dem guten Gewissen nicht mehr zu fragen, war schon damals vorhanden und führte zum Schiffbruch I 1,19. Wer im Ungehorsam beharrt, wer sich dem Gebot leichtfertig entzieht, der verliert mit dem guten Gewissen auch den Glauben. Denn das böse Gewissen ist Gift in ihm, frißt um sich, zerstört und zersetzt den Glauben. Glaube und gutes Gewissen sind die einzige Forderung, die Paulus an den Diener in der Gemeinde stellt. So auch bei dem Diakon I 3,8 f. Das reine Gewissen ist das Gefäß des Glaubens II 1,15.53
Paulus fordert kein Wort von Erkenntnissen und Erlebnissen, wo er von Glauben und Gewissen redet. Vielmehr beschreibt er den Bischof und Diakon54 als im Glauben und Gewissen gebunden, nach außen unanstößlich,55 lange erprobt, nicht Neulinge, an denen der Lästerer kein Recht findet. Es ist der Mann, der den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit hat; keiner, der in Gefahr kommt, die Bewunderung der Leute auf sich zu ziehen56. Einem solchen werden dann – und auch ihm nicht allzu bald und unversehens – die Hände aufgelegt, womit er dann zum Dienst an der Gemeinde verordnet ist I 5,22.57 |

V. Timotheus und die Irrlehrer

Timotheus wird in Ephesus zurückgelassen, daß er „etlichen geböte, daß sie nicht anders lehrten“ I 1,3. Sein Auftrag ist also Abwehr der Irrlehre von der Gemeinde. Die Gemeinde scheint dazu allein nicht in der Lage zu sein, sondern es bedarf eines Amtes, des apostolischen Amtes, diesen Auftrag zu versehen. Daß Timotheus gebieten soll macht deutlich, daß die Irrlehrer in der Gemeinde stehen.
Wer sind die Irrlehrer? Menschen, die anstelle der gesunden Lehre eigene, selbst gemachte Gedanken, Probleme und Lehren setzen. Sie haben nicht genug an der einfachen Wahrheit, sondern verlieren sich mit Problemen und Weltanschauungen, die niemand beantworten kann, die zu endlosen Fragen führen, aber nicht zum Aufbau dienen. Sie huldigen dem antichristlichen Satz, das Streben nach der Wahrheit sei besser als der Besitz und die Erkenntnis der Wahrheit.58 Sie haben die Seuche der Fragen und Wortkriege I 6,4. Sie lernen immerdar und können nimmermehr zur Erkenntnis der Wahrheit kommen II 3,7. Es sind die ewig strebenden, ringenden, problematisierenden und ungewissen Menschen. Die Lehre, die aus solcher Haltung entspringt, ist nicht gesund, sondern krank wie ein Krebsgeschwür II 2,17.
Warum urteilt Paulus so hart über diese nahe stehenden, ernsthaften, menschlichen Menschen? Die Diagnose, die Paulus den Irrlehrern stellt, ist einfach, klar und hart. Es sind die, die das einfältige Gebot nicht wollen, weil sie nicht gehorchen wollen. Dieses ewige Fragen, diese ewige Ungewißheit kommt im Grunde aus einem Brandmal, das diese in ihrem Gewissen tragen I 4,2. Darum haben sie keine Gewißheit im Glauben an Gottes Wort, dem sie sich entziehen. Sie rechtfertigen ihr unreines Gewissen durch allerlei Fragen, Spekulationen und Zweifel. Sie leben im Schein der Frömmigkeit und sind doch Lügner I 4,2. Es ist nicht einmal gesagt, daß sie das selbst wissen. Sie glauben, gerade in ihrer ewigen Ungewißheit die Heiligen59 zu sein. Sie haben den Schein des gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie II 3,5. Sie haben den Anschein des Sünders, der im Zittern vor Gott lebt als der Gerechtfertigte, aber seine Kraft verleugnen sie.
Aber rechtfertigt sich nicht ihre Christlichkeit darin, daß sie es zu einer ungewöhnlichen Heiligkeit60 bringen können I 4,3? Ist nicht ihr heiliges Leben ein Erweis ihres echten Christenstandes? Muß ihr Ernst vor den Forderungen uns nicht jedes | Wort der Kritik verbieten?61 Paulus behält den klaren Blick dessen, der auf das Evangelium allein sieht. Er sieht gerade in dieser Heiligkeit aus Reflexion die ganze Krankheit der Menschen.62 Diese Heiligkeit ist nicht die gesunde Lehre des Evangeliums und [nicht] der Kraft des Gehorsams entsprungen, sondern die Krankheit eines ungehorsamen befleckten Gewissens. Diese Heiligkeit ist die kranke Aufgeblasenheit dessen, der nicht in einfältigem Gehorsam gegen Gott wandeln will I 6,4. Es ist kein Unterschied zwischen solcher Scheinheiligkeit63 und weltlichem Umgetriebenwerden von den eigenen Lüsten II 3,6. Sie schleichen durch die Häuser mit ihrer heimlichen und nicht-öffentlichen Lehre. Sie machen sich die Schwachen zu Dienst, sie führen die Weiblein gefangen, sie knechten sie durch ein Evangelium des Scheins, der Selbstgefälligkeit. Die großen Lasterkataloge I 1,9 f und 6,3 ff64 gelten auch gerade denen, die aus krankem Glauben zu kranker Heiligkeit kommen. Sie alle sind eben derselben Laster schuldig.65 Also nicht weil diese Irrlehrer eine verkehrte Erkenntnis hätten, sondern weil sie im Widerspruch gegen Gott leben und leben wollen und verharren, weil sie irgendwie und irgendwo nicht gehorchen wollen, darum ist ihre Lehre so tödlich wie ein Krebsgeschwür.
Wenn das das Bild der Irrlehrer ist, was soll Timotheus dann tun? Soll er ihnen nachgehen, sie durch geduldige Liebe überwinden? Soll er die, die im Ernst Christ sein wollen, in der Gemeinde tragen als Brüder? Soll er über die Grundwahrheit des Evangeliums von neuem anfangen [zu] evangelisieren?66 Das entspräche dem, was das fromme Fleisch für richtig hält. Paulus aber gibt eine andere Weisung: Lehre du die gesunde Lehre, die Lehre von der Sünde des Menschen, von der Buße, von der Barmherzigkeit, vom Gehorsam gegen das Gebot, dann hast du diese67 getan. Hören sie nicht, dann tue dich von ihnen I 6,5; 4,7; 6,20; II 3,5.
Warum spricht Paulus so? Er weiß, daß nichts für die Gemeinde verführerischer ist, als daß die sarkische Heiligkeit und Christlichkeit irgendwie bestärkt wird, dieses fromme Fleisch irgendwie am Leben erhalten wird. Diese Krankheit ist unheilbar ansteckend und gefährlich. Paulus weiß, daß er diesen Leuten nur zu Willen wäre, wenn er sich nur aufs Diskutieren einließe. | Er bestärkte sie dann in der Meinung, daß die Wahrheit durch Problematisieren und nicht durch Gehorsam zu gewinnen wäre. Man kann aber nicht mit solchen diskutieren, die nicht gehorchen wollen.68 Joh 7,17: „So jemand will des Willen tun, der wird innewerden …“. Aus dem Gehorchen kommt die Erkenntnis.69 Durch Gehorsam gegen sein Wort werden wir in alle Wahrheit geleitet I 1,5.70
Jede andere Gemeinschaft müßte mißdeutet werden71 und hätte keine Verheißung. Der einzige christliche Dienst, den Timotheus seiner Gemeinde tun kann ist der, jegliche Gemeinschaft mit ihnen abzubrechen, wo sie die gesunde Lehre verachten.72 In der Gemeinschaft des apostolischen Lebens und der apostolischen Lehre hebt Timotheus die Gemeinschaft mit den Irrlehrern auf.73

VI. Timotheus und seine Gemeinde

Im Auftrag des Apostels steht Timotheus in der Gemeinde, kraft eines guten Gewissens I 1,18 f; 6,3; II 1,13; 4,3; Tit 1,9; 2,1. Darin besteht die Gesundheit der Lehre.74 Keineswegs besteht die Gesundheit der Lehre darin, daß diese Lehre nun irgendwie der Wirklichkeit in gesunder Weise angepaßt wäre oder daß das Lehrmäßige nicht übertrieben wäre. Nicht die Praxis macht die Lehre gesund, sondern die gesunde Lehre wirkt die rechte Praxis, das gute Gewissen, den willigen Gehorsam. Eine Lehre, die das nicht wirkt, ist kranke Lehre. Von Paulus ist dem Timotheus die gesunde Lehre vertraut II 2,2. Er hat bekannt vor treuen Zeugen. Timotheus wiederum empfiehlt75 sie treuen Menschen I 6,12.20.76 „Gottes Wort ist nicht gebunden“ II 2,9. „Predige das Wort, halte an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit“ II 4,2.77 Wer weiß denn, was Zeit und Unzeit für ein Wort78 ist? Wer weiß denn die Zeit Gottes? Es gibt | keine Möglichkeit, den Kairos Gottes aus den Gegebenheiten79 zu kennen. Die Predigt selbst schafft sich den καιρός80, nicht aber erzwingt sich der καιρός die Predigt. Die Predigt des Timotheus ist nicht beschränkt auf die Sonntagsverkündigung.81
Wenn Timotheus so sein Amt ausrichtet II 4,3, werden die Menschen die gesunde Lehre nicht ertragen. Sie werden sich der kranken Lehre zuwenden, die der Weichlichkeit schmeichelt. Das muß so kommen, denn das apostolische Wort scheidet den Glauben82 von der Heuchelei II 4,4. Timotheus soll sich hierdurch nicht beirren lassen II 4,5. „Nüchtern“ ist Timotheus dann, wenn er weiß, daß die gesunde Lehre solche Scheidung bringen muß.83 Nüchtern, wenn er in der Gemeinschaft der apostolischen Lehre bleibt und sein Vertrauen allein auf seinen Auftrag und Sein Wort setzt.84
Deswegen kann ihm auch gesagt werden: „Leide!“ Paulus will nicht, daß es etwas Dramatisches sei, dieses Leiden des Amtsträgers.85 Darum sagt er es so einfach, so hart und selbstverständlich. Es ist das apostolische Leben, das hier groß wird II 2,3.86
Nun braucht Paulus nur noch zusammenzufassen: Tue das Werk eines Evangelisten, mache deinen Dienst voll, das heißt bleibe treu bis zum Ende. Paulus will damit seinem „Sohn im Glauben“ nicht das Herz schwer machen. Er versichert ihn seiner Gemeinschaft87. „Ich werde schon geopfert und die Zeit meines Abscheidens ist nahe“ II 4,6. Der Grund der apostolischen Arbeit und der Grund der Schmähung ist ein und derselbe! | Timotheus und Paulus haben auf den lebendigen Gott gehofft I 4,10. Das ist das irdische Ziel apostolischer Lehre und apostolischen Lebens, hinter dem die Gewißheit steht: „Sterben wir mit, so werden wir mit leben …“ II 2,11.
Wenn wir so das Amt des Timotheus sehen, so ist es fast befremdlich, daß Paulus dem Timotheus trotz allem Ermahnungen für sein persönliches Leben gibt. Wie würde sich heute ein Kirchenmann das verbitten, wenn gesagt würde: „Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre …“ I 4,16. „Sei ein Vorbild …“ 4,12. Dazu I 5,22; II 4,22; II 2,24. Timotheus soll seiner Frömmigkeit nicht allzu gewiß sein. Auch er als erfahrener Kirchenmann88 bedarf dieser Mahnung, dieser Übung89. Der gesunde Glaube bedarf der Einübung,90 der Ermahnung, die den Glaubenden schützt vor den Anläufen des Teufels. Auch Timotheus ist nicht geschützt vor ihnen. Timotheus soll nicht allzu gesetzlich sein: Trink nicht immer Wasser! I 5,23. Die Autorität seines Amtes soll er nicht mißverstehen, nicht überheblich sein mit den Alten I 5,1 f.91 In seiner Amtsführung soll er nicht parteiisch sein I 5,22.92 Es ist eine harte Seelsorge, die so spricht.93 Die Briefe Luthers an seine Freunde können ganz ähnlich klingen. Wir sind noch viel zu viel in der kranken Lehre drin, als daß wir es vermöchten, uns in Bezug auf die öffentlichen Dinge des Lebens anzureden, ohne gekränkt zu sein.94 Es ist merkwürdig, daß Paulus dem Timotheus | die einfachsten Dinge hundertmal gesagt hat. Aber gerade dadurch, daß sie immer wieder gesagt werden, sind sie eine neue Kraft, ein neuer Halt. Warum? Paulus weiß, daß dort, wo ein Christ lebt, der Teufel auf ihn lauert. Timotheus lebt hart am Abgrund, gerade als Diener im Hause Gottes.95 Es geht Paulus darum, daß ihm96 sein Amt nicht zum Fluch werden möchte. Die Seligkeit des Timotheus als Amtsträger hängt an seinem Amt97. Person und Amt sind hier selbst ungeschieden. Das Amt kann dem Träger des Amtes zum Fluch werden oder zur Seligkeit. Es gibt keinen Dispens mehr davon. Am Tag Jesu Christi wird Timotheus Rechenschaft geben müssen I 6,14.
„Ich gebiete dir vor Gott“, so spricht der Vater zum Sohn I 6,13. Das Gebot, das Timotheus halten soll, schließt Amt und Person ein. Paulus nimmt auch das Urteil Gottes über das Amt und die Person nicht vorweg.98 Aber Timotheus, dessen Leben in der Gemeinschaft mit der Gemeinde geführt war, wird getrost in seinem Amt mit der Gewißheit des Apostels, die auch seine Gewißheit werden möchte II 4,7 f. Hier sollen dem Timotheus letzte Früchte des apostolischen Amtes und Lebens zuteil werden. Das ist der letzte Wille des alten Paulus an seinen Sohn im Glauben und der Gemeinschaft apostolischen Lebens und apostolischer Lehre.

17. PREDIGTMEDITATION ZU APOKALYPSE 2,1–7. FINKENWALDE, 25. 10. 19361

Zum Reformationsfest. Offenbarung 2,1–7 (Bruder Bonhoeffer)

1.) Christus selbst ruft eine Gemeinde zurück auf den rechten Weg. Das ist Reformation. Er hält die 7 Sterne in der Hand: das heißt er regiert die gesamte Welt (Sterne – Engel – Vorsteher der Gemeinde; die Siebenzahl bedeutet die Ganzheit der Kirche). Er wandelt unter den 7 Leuch- | tern: das heißt er ist seiner Kirche allezeit nahe und gegenwärtig. Darum kennt er sie und kann sie zurückrufen.

2.) Christus redet freundlich zu seiner Gemeinde. Ich weiß deine Werke, Arbeit, Geduld. Er spricht zu uns als der, der uns kennt. Ich weiß – das heißt es ist nichts verloren und vergessen, was in seiner Gemeinde geschah an sichtbarem Werk, an Unruhe und Anstrengungen, an Festigkeit und Geduld. Unser Werk an unserer Gemeinde ist von Christus nicht für nichts geachtet. Zu dem, der in zäher Arbeit die Gemeinde gefördert hat an irgendeinem Stück, sagt Christus: ich weiß es. Zu dem, der in stiller Standhaftigkeit und Geduld vielleicht nichts sichtbares vollbringen konnte, sagt Christus: ich weiß es. Christus weiß die Arbeit unserer bekennenden Kirche und Gemeinden. Er wandelt ja mitten unter ihr. Wenn wir jemandem etwas zu Liebe tun wollen, dann ist es uns ein voller Lohn, wenn er sagt: ich weiß es. Es war kein leeres, unfruchtbares Jahr2 – Ich weiß es. Jesus redet freundlich mit uns. Es kam auch innere Gefahr über die Gemeinde, das Böse brach in der Gemeinde hervor. Aber die Zucht und die geistliche Macht der Gemeinde war stark genug, daß es keine Gewalt an ihr finden konnte, sondern von ihr geschieden wurde. Das kostete die Gemeinde viel Verzicht und Selbstverleugnung. Christus sagt: Ich weiß es, es ist unvergessen. Schlimmer noch: Versuchung und Verführung blieb nicht aus. Männer, die sich nach Christi Namen nannten, Männer in eigenem Auftrag wollten die Gemeinde auf falschen Weg führen.3 Da zerbrach manches, da brauchte die Gemeinde viel Nüchternheit, Gebet, Erkenntnis aus dem Worte Gottes, bis sie sie als Lügner erfand und sie von sich abschied. Alle Gewissensnot, die da entstand, aller Kummer und Kampf der Gemeinde, soweit die Wahrheit den Sieg behielt, ist unvergessen. Christus sagt: Ich weiß es. Zu allen, die den Vorwurf hören mußten, sie kämpften ja nur in eigener Sache, aus eigenem Trotz, und die schließlich selbst nicht mehr wußten, woran sie mit sich waren, sagt Christus: Ich weiß es, um meines Namens willen arbeitest du. Zu allen die in langen Nächten um die Not der | Gemeinde sorgten und beteten, und die des Morgens früh wieder an der Arbeit standen, sagt Christus: Ich weiß es, du bist nicht müde geworden. Er faßt alle meine Tränen in einen Krug (Ps 56,9). So freundlich redet Christus mit uns. Er zerbricht und vernichtet uns nicht, er war überall dort, wo es um seine Gemeinde ging, selbst dabei, er hat uns gesehen und spricht uns freundlich zu. Er wandelt mitten unter uns.

3.) Christus klagt seine Gemeinde an. Wir sind jetzt dankbar und vertrauensvoll geworden gegenüber unserem Herren. Er ist aber nicht bei uns, um uns zu loben, sondern um uns auf den rechten Weg zu bringen. Es entspricht der Wahrheit Christi, daß er uns sagt, daß er trotz allem wider uns stehen muß. Warum? Er weiß, wir waren eine unverzagte kämpfende, arbeitende, tapfer seinen Namen bekennende Gemeinde. Das ist nichts Kleines. „Aber ich habe wider dich“ – Christus steht gegen seine bekennende Gemeinde! – „daß du die erste Liebe [ver]lässest. Gedenke, wovon du gefallen bist“ – Des Anfanges, gedenke der ersten Christenheit, gedenke der Zeit der Reformation – die erste Liebe ist in Gefahr zu schwinden. Vieles ist getan. Aber es ist vieles so hart, so selbstgewiß, als gälte es sich selbst zu verteidigen; es ist so vieles nur in eigener Sache, um der eigenen Sicherheit willen gesagt und getan.4 Die erste Liebe, der Anfang band die Gemeinde allein in brennender Hingabe an Jesus und die Brüder. Keiner wollte etwas für sich haben, es gehörte alles dem Herrn und den Brüdern. Es war ein Wetteifern im brüderlichen Dienst, es war eine Liebe zum Evangelium, zum Gottesdienst, zu den Werken des Reiches Gottes. Heute hängt unsere Liebe an vielen anderen Dingen, der Welt, der Sicherheit, der Gewohnheit. Es war auch eine bereitwillige Liebe zum Feinde da, die beten, segnen und wohltun konnte. Diese erste Liebe hatte der Herr seiner ersten Gemeinde geschenkt, hat er sie auch uns einmal geschenkt? Konfirmation? Bekehrung? An- | fang der Bekennenden Kirche? Gedenke der ersten Liebe, gedenke der Anfänge, vielmehr des Anfangs, der Jesus Christus selbst ist, gedenke, wovon du gefallen bist! Das ist der Grund aller Reformation, nicht Verherrlichung von Menschen und vergangener Geschichte, nicht lutherische Parolen, sondern dankbar Gottes Ruf zur Umkehr hören. So war der Anfang, so anders der Fortgang. Tue die ersten Werke. Es ist derselbe Herr, der eben so freundlich zu uns redete und der uns jetzt droht, er werde den Leuchter unserer Gemeinde umstoßen, wo wir nicht Buße tun und umkehren. Wir sollen nicht Reformation feiern, sondern Reformation halten. An manchen Kanzeln steht: „erneuert im Jahre …“, daß es doch von unserer Gemeinde heißen könnte: Erneuert im Jahre 1936 (Vers 6 bezeugt der Gemeinde, daß sie allerdings die schwärmerische gesetzlose Liebe gehaßt habe und daran recht getan habe).

4.) Christus verheißt seiner Gemeinde Herrlichkeit. Das ist das Ziel, daß die Gemeinde diese Verheißung zu hören vermöge. Dazu muß sie in die Buße. Nur in der Buße können wir hoffen. Der Weg zur Umkehr und zur Hoffnung geht durch das Ohr. Das Hören tut es. Das Wort allein wirkt Umkehr und Hoffnung. Das war die Verkündigung der Reformation. „Wer Ohren hat …“ Darum gilt es zu überwinden, was an Schein der Welt gegen das Wort steht. Diese Überwindung muß jeder gegen sich selbst erringen, damit er auch die Feinde überwinden kann. In der Herrlichkeit aber wird die Gemeinde haben, was Leib, Seele und Geist gewiß macht. Sie wird essen vom Baum des Lebens.5 Die Verheißung ist das Paradies, in dem wir nicht nur hören, sondern mit allen Sinnen die Herrlichkeit Gottes erkennen werden. Wir werden eine triumphierende Kirche sein.

18. PREDIGT ZU MATTHÄUS 26,45 b–50. FINKENWALDE, JUDICA, 14. 3. 19371

Predigt am Sonntag Judica 1937 von Bruder Bonhoeffer

Matthäus 26,45 b–50: Siehe, die Stunde ist hier, daß des Menschen Sohn in der Sünder Hände überantwortet wird. Stehet auf, laßt uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät! Und als er noch redete, siehe, da kam Judas, der Zwölfe einer, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volks. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den greifet! Und alsbald trat er zu Jesu und sprach: Gegrüßet seist du, Rabbi! und küßte ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, warum bist du gekommen? da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn.

Ein Geheimnis hatte Jesus seinen Jüngern bis zum letzten Abendmahl verborgen. Zwar hatte er sie nicht im Unklaren gelassen über seinen Leidensweg. Zwar hatte er ihnen drei- | mal bezeugt, daß des Menschen Sohn überantwortet werden muß in die Hände der Sünder.2 Aber das tiefste Geheimnis hatte er ihnen noch nicht offenbart. Erst in der Stunde letzter Gemeinschaft beim heiligen Abendmahl konnte er es ihnen sagen: Des Menschen Sohn wird überantwortet in die Hände der Sünder – durch Verrat. Einer unter euch wird mich verraten.3
Die Feinde allein können keine Macht über ihn gewinnen. Es gehört ein Freund dazu, ein nächster Freund, der ihn preisgibt, ein Jünger, der ihn verrät. Nicht von außen geschieht das Furchtbarste, sondern von innen. Der Weg Jesu nach Golgatha nimmt seinen Anfang mit Jüngerverrat. Die einen schlafen jenen unbegreiflichen Schlaf in Gethsemane,4 einer verrät ihn, zum Schluß „verließen ihn alle Jünger und flohen“.5
Die Nacht von Gethsemane vollendet sich. „Siehe, die Stunde ist hier“ – jene Stunde, die Jesus vorhergesagt hatte, von der die Jünger seit langem wußten, und vor deren Eintreten sie bebten, jene Stunde, auf die sich Jesus so ganz bereitet und für die die Jünger so ganz und gar unbereitet waren, die Stunde, die nun mit keinem Mittel der Welt mehr hinauszuschieben war – „Siehe, die Stunde ist hier, daß des Menschen Sohn in der Sünder Hände überantwortet wird“.
„Überantwortet“ sagt Jesus, das heißt, es ist nicht die Welt, die über ihn Macht gewinnt, sondern jetzt wird Jesus von den Seinen selbst ausgeliefert, preisgegeben, aufgegeben. Der Schutz wird ihm aufgesagt. Man will sich nicht weiter mit ihm belasten: Laßt ihn den Andern. Das ist es, Jesus wird weggeworfen, die schützenden Hände der Freunde sinken. Mögen nun die Hände der Sünder mit ihm tun, was sie wollen. Mögen sie ihn antasten, deren unheilige Hände ihn nie berühren durften. Mögen sie mit ihm spielen, ihn [ver]spotten und schlagen. Wir können nichts mehr daran ändern. Das heißt Jesus überantworten: nicht mehr für ihn eintreten, | ihn dem Spott und der Macht der Öffentlichkeit preisgeben, die Welt mit ihm umgehen lassen nach ihrem Mutwillen, nicht mehr zu ihm stehen. Jesus wird von den Seinen der Welt ausgeliefert. Das ist sein Tod.
Jesus weiß, was ihm bevorsteht. In Festigkeit und Entschlossenheit ruft er seine Jünger auf: „Stehet auf, laßt uns gehen.“ Oftmals hatten die drohenden Feinde vor ihm zurückweichen müssen, er war frei durch ihre Mitte hindurchgeschritten, ihre Hände sanken.6 Damals war seine Stunde noch nicht gekommen. Jetzt ist die Stunde hier. Jetzt geht er ihr in freiem Entschluß entgegen. Und damit kein Zweifel mehr sei, damit es unzweideutig klar sei, daß die Stunde da ist, in der er überantwortet wird, sagt er: „Siehe, er ist da, der mich verrät.“ Kein Blick fällt auf die große Schar, die heranzieht, auf die Schwerter und Stangen der Feinde. Die hätten keine Macht! Jesu Blick trifft allein den, der diese Stunde der Finsternis heraufgeführt hat. Auch seine Jünger sollen wissen, wo der Feind steht. Einen Augenblick liegt alles, liegt Heils- und Weltgeschichte in den Händen des einen – des Verräters. Siehe, er ist da, der mich verrät – und in der Nacht erkennen die Jünger schaudernd in ihm – Judas, den Jünger, den Bruder, den Freund. Schaudernd – denn als Jesus am Abend derselben Nacht zu ihnen gesagt hatte: Einer von euch wird mich verraten, hatte keiner gewagt, den andern zu beschuldigen. Keiner konnte diese Tat dem andern zutrauen. Darum mußte ein jeder fragen: Herr, bin ich’s? Herr, bin ich’s?7 Eher noch war das eigene Herz solcher Tat fähig, als der andere, der Bruder.
„Und als er noch redete, siehe, da kam Judas der Zwölfe einer, und mit ihm eine große Schar, mit Schwertern und mit Stangen.“ Jetzt sehen wir nur noch zwei, um die es hier geht. Die Jünger und die Häscher treten zurück, sie beide tun ihr Werk schlecht. Nur zwei tun ihr Werk so, wie sie es tun mußten, | Jesus und Judas. Wer ist Judas? das ist die Frage. Es ist eine der ganz alten und grüblerischen Fragen der Christenheit. Halten wir uns zunächst an das, was der Evangelist uns selbst dazu sagt: Judas, der Zwölfe einer. Ob wir etwas spüren von dem Grauen, mit dem der Evangelist dieses kleine Satzteilchen geschrieben hat? Judas, der Zwölfe einer – was war hier mehr zu sagen? und war hiermit nicht auch wirklich alles gesagt? das ganze dunkle Geheimnis des Judas und zugleich das tiefste Entsetzen vor seiner Tat. Judas, der Zwölfe einer, das heißt doch: es war unmöglich, daß dies geschah, es war ganz unmöglich, und es geschah doch. Nein, hier ist nichts mehr zu erklären und zu verstehen. Es ist ganz und gar unerklärlich, unbegreiflich, es bleibt ganz und gar Rätsel – und doch geschah die Tat. Judas, der Zwölfe einer, das heißt ja nicht nur: er war einer, der Tag und Nacht um Jesus war, einer, der Jesus nachgefolgt war, der es sich etwas hatte kosten lassen, der alles verlassen hatte, um mit Jesus zu sein, ein Bruder, ein Freund, ein Vertrauter des Petrus, des Johannes, des Herren selbst. Es hieß ja noch etwas viel Unbegreiflicheres: Jesus selbst hatte Judas berufen und erwählt! Das ist das eigentliche Geheimnis, denn Jesus wußte, wer ihn verraten würde, von Anfang an. Bei Johannes sagt Jesus: Habe ich nicht euch Zwölf erwählt, und euer einer ist der Teufel.8 Judas der Zwölfe einer – dabei muß ja nun der Leser nicht nur auf Judas, sondern vielmehr in großer Bestürzung auf den Herren schauen, der ihn erwählte. Und die er erwählte, die hat er geliebt. Er hat ihnen Anteil gegeben an seinem ganzen Leben, an dem Geheimnis seiner Person, er hat sie in gleicher Weise ausgesandt zur Predigt des Evangeliums. Er hat ihnen die Vollmacht der Teufelaustreibung und Heilung gegeben – und Judas war mitten unter ihnen.9 Nirgends eine Andeutung davon, daß Jesus den Judas im Geheimen gehaßt hätte. Nein, Judas schien durch sein Amt, den Beutel der Jünger zu verwalten, noch ausgezeichnet vor den andern. | Zwar sagt Johannes einmal, Judas sei ein Dieb gewesen.10 Aber sollte das nicht nur eine dunkle Andeutung dafür sein, daß Judas ein Dieb war an Jesus, daß er Jesus stahl, was ihm nicht zukam und es der Welt preisgab? Und sind nicht auch die 30 Silberlinge nur ein Zeichen dafür, wie gemein und gering die Gabe der Welt ist für den, der die Gabe Jesu kennt? Und doch wußte Jesus von Anfang an, wer ihn verraten würde! Ja, Johannes weiß noch von einem überaus geheimnisvollen Zeichen der Verbundenheit Jesu mit Judas zu berichten. In der Nacht des Abendmahls reicht Jesus dem Judas einen eingetauchten Bissen, und mit diesem Zeichen höchster Gemeinschaft fährt der Satan in Judas. Darauf spricht Jesus halb bittend, halb befehlend zu Judas: Was du tust, das tue bald.11 Kein anderer begriff, was hier vorging. Es blieb alles zwischen Jesus und Judas.
Judas, der Zwölfe einer, von Jesus erwählt, von Jesus in seine Gemeinschaft gezogen, geliebt – heißt dies, daß Jesus auch seinem Verräter seine ganze Liebe zeigen und erweisen will? Heißt es, daß er auch wissen soll, daß es an Jesus im Grunde gar nichts zu verraten gibt? Heißt es auch dies, daß Jesus in tiefer Liebe den Willen Gottes liebt, der sich in seinem Leidensweg vollzieht, daß er auch den liebt, durch dessen Verrat der Weg frei wird, ja, der nun Jesu Geschick für einen Augenblick in seiner Hand trägt? Heißt es, daß er ihn liebt als den Vollstrecker des göttlichen Willens und doch weiß: Wehe dem, durch welchen es geschieht?12 Es ist ein großes, unerforschliches Geheimnis – Judas, der Zwölfe einer.
Aber es ist ja auch ein Geheimnis von der Seite des Judas her. Was will Judas bei Jesus? Es muß dieses sein, daß der Böse vom Unschuldigen, vom Reinen nicht loskommt. Er haßt ihn, und indem er doch nicht von ihm lassen kann, liebt er ihn eben auch mit der dunklen, leidenschaftlichen Liebe, mit der auch der Böse, der Teufel, noch um seinen Ursprung in Gott, im Reinen weiß. Der Böse will der Jünger des Guten | sein. Der Böse ist der leidenschaftlichste Jünger des Guten – bis er ihn verrät. Der Böse weiß, daß er Gott dienen muß, und liebt Gott um seiner Macht willen, die er selbst nicht hat, und hat doch nur den einen Drang, über Gott13 Macht zu gewinnen. So ist er der Jünger und muß seinen Herrn doch verraten. Jesus erwählt den Judas, Judas kann nicht von Jesus lassen. Jesus und Judas gehören zusammen von Anfang an. Keiner läßt den andern los.
Und nun sehen wir dies an der Geschichte selbst: Jesus und Judas verbunden durch einen Kuß. Hört das Ungeheuerliche: „Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den greifet! Und alsbald trat er zu Jesu und sprach: Gegrüßet seist du, Rabbi! und küßte ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, warum bist du gekommen? da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn.“ Und: „Judas, verrätst du des Menschen Sohn durch einen Kuß?“ Noch einmal packt uns die Frage: Wer ist Judas, der des Menschen Sohn mit einem Kuß verrät? Es ist gewiß oberflächlich zu sagen, der Kuß sei eben die übliche Begrüßungsform gewesen. Dieser Kuß war mehr als das! Dieser Kuß war die Vollendung des Weges des Judas, der tiefste Ausdruck für die Gemeinschaft und für die abgrundtiefe Trennung zwischen Jesus und Judas.
„Mein Freund warum bist du gekommen?“ Hört ihr, wie Jesus den Judas noch liebt, wie er ihn noch in dieser Stunde seinen Freund nennt? Jesus will den Judas noch jetzt nicht loslassen. Er läßt sich von ihm küssen. Er stößt ihn nicht zurück. Nein, Judas muß ihn küssen. Seine Gemeinschaft mit Jesus muß sich vollenden. Warum bist du gekommen? Jesus weiß es wohl, warum Judas gekommen ist und dennoch: Warum bist du gekommen? Und: Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuß? Ein letzter Ausdruck der Jüngertreue, vereint mit Verrat. Ein letztes Zeichen der lei- | denschaftlichen Liebe, gepaart mit dem viel leidenschaftlicheren Haß. Ein letzter Genuß an einer unterwürfigen Geste, im Bewußtsein der Übermacht des davongetragenen Sieges über Jesus. Ein bis ins tiefste hinein entzweites Tun, dieser Judaskuß! Von Christus nicht lassen können, und ihn doch preisgeben. Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuß? Wer ist Judas? Sollten wir hier nicht auch des Namens gedenken, den er trug? „Judas“, steht er nicht hier für das im tiefsten entzweite Volk, aus dem Jesus stammte, für das erwählte Volk, das die Verheißung des Messias empfangen hatte und ihn doch verwarf? für das Volk Juda, das den Messias liebte, und doch so nicht lieben konnte? „Judas“ – sein Name heißt verdeutscht „Dank“. War dieser Kuß nicht der Jesus dargebrachte Dank des entzweiten Volkes des Jüngers und doch zugleich die ewige Absage?14 Wer ist Judas, wer ist der Verräter? Sollten wir angesichts dieser Frage etwas anderes tun können, als mit den Jüngern sprechen: Herr, bin ich’s, bin ich’s?
„Da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn.“ „Ich bin’s, ich sollte büßen an Händen und an Füßen, gebunden in der Höll’. Die Geißel und die Banden, und was Du ausgestanden, das hat verdienet meine Seel’.“15 Laßt uns noch das letzte Ende ansehen! Zu derselben Stunde, als Jesus Christus sein Erlösungsleiden am Kreuz in Golgatha vollbringt, ist Judas hingegangen und hat sich erhängt, hat sich in fruchtloser Reue selbst verdammt.16 Furchtbare Gemeinschaft!
Die Christenheit hat in Judas immer wieder das dunkle Geheimnis der göttlichen Verwerfung und ewigen Verdammung gesehen. Sie hat mit Schrecken den Ernst und das Gericht Gottes an dem Verräter erkannt und bezeugt. Sie hat aber gerade darum nie mit Stolz und Überheblichkeit auf ihn gesehen, sondern sie hat in Zittern und Erkenntnis der eigenen übergroßen Sünde gesungen: O du armer Judas, was hast | du getan!17 So wollen auch wir heute nichts anderes sagen als dies: O du armer Judas, was hast du getan! und wollen Zuflucht nehmen zu dem, der um unserer aller Sünde willen am Kreuz gehangen und uns die Erlösung vollbracht hat, und wollen beten:

O hilf Christe, Gottes Sohn
Durch dein bitter Leiden
Daß wir dir stets untertan
All’ Untugend meiden.
Deinen Tod und sein Ursach’
Fruchtbarlich bedenken
Dafür, wiewohl arm und schwach,
Dir Dankopfer schenken.18 Amen.

 

e) Fünfter Kurs. Fertigstellung der „Nachfolge“, Verbot des Seminars und Ende des Bruderhauses
18. April–11. September 1937

19. PREDIGT ZU PSALM 58. FINKENWALDE, 8. SONNTAG NACH TRINITATIS, 11. 7. 19371

Psalm 58. Predigt vom 11. 7. 37 in Finkenwalde

[Ein gülden Kleinod Davids, vorzusingen, daß er nicht umkäme.
Seid ihr denn stumm, daß ihr nicht reden wollt, was recht ist, und richten nach Gebühr die Menschenkinder? Ihr alle urteilt Unrecht2 im Lande und gehet stracks durch, mit euren Händen zu freveln. Die Gottlosen sind verkehret von Mutterschoß an; die Lügner irren von Mutterleib an. Ihr Wüten ist gleichwie das Wüten einer Schlange, wie eine taube Otter, die ihr Ohr zustopft, daß sie nicht höre die Stimme des Zauberers, des Beschwörers, der wohl beschwören kann.
Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul; zerstoße, Herr, das Gebiß der jungen Löwen! Sie werden zergehen wie Wasser, das dahinfleußt. Sie zielen mit ihren Pfeilen; aber dieselben zerbrechen. Sie vergehen, wie eine Schnecke zerfließt3; wie eine unzeitige Geburt eines Weibes sehen sie die Sonne nicht. Ehe eure Dornen reif werden am Dornstrauch, wird sie ein Zorn so frisch wegreißen. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache siehet, und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut, daß die Leute werden sagen: Der Gerechte wird ja seiner Frucht genießen; es ist ja noch Gott Richter auf Erden.]

Ist dieser furchtbare Rachepsalm unser Gebet? Dürfen wir denn so beten? Darauf heißt die Antwort zunächst ganz klar: Nein, wir, wir dürfen gewiß nicht so beten! Wir tragen ja an aller Feindschaft, die uns begegnet und uns in Not führt, selbst viel eigne Schuld. Wir müssen ja bekennen, daß es Gottes gerechte Strafe ist, die uns sündige Menschen trifft und demütigt. Auch in diesen Notzeiten der Kirche müssen wir doch erkennen, daß Gott selbst im Zorn seine Hand gegen uns erhoben hat, um an uns unsere Sünde heimzusuchen, all unsere geistliche Trägheit, unseren offenen oder stillen Ungehorsam, unsere tiefe Zuchtlosigkeit im täglichen Leben unter seinem Wort. Oder wollten wir leugnen, daß jede persönliche Sünde, auch die verborgenste, Gottes Zorn über seine Gemeinde herabziehen muß? Wie aber sollten denn wir, die wir selbst schuldig sind und Gottes Zorn verdienten, Gottes Rache über unsere Feinde herbeirufen, ohne daß diese Rache vielmehr uns selbst treffen müßte? Nein, wir, wir können diesen Psalm nicht beten. Nicht weil wir zu gut dafür wären,4 (welch ein oberflächlicher Gedanke, welch ein unbegreiflicher Hochmut!), sondern weil wir zu sündig, zu böse dafür sind!
Nur wer selbst ganz ohne Schuld ist, kann so beten. Dieser Rachepsalm ist das Gebet des Unschuldigen. „Ein gülden Kleinod Davids, vorzusingen, daß er nicht umkäme.“ – David ist es, der diesen Psalm betet. David selbst ist nicht unschuldig. Aber es hat Gott gefallen, sich in David den zu | bereiten, der Sohn Davids genannt werden wird, Jesus Christus.5 Darum darf David nicht umkommen, weil von ihm der Christus kommen soll. Niemals hätte David für sich so beten können gegen seine Feinde, um sein eignes Leben zu [er]halten. Wir wissen, daß David alle persönlichen Schmähungen demütig ertragen hat. Aber in David ist Christus, ist damit die Kirche Gottes. Darum sind seine Feinde die Feinde Jesu Christi und seiner heiligen Kirche. Darum darf David nicht umkommen vor seinen Feinden. So betet in David die Unschuld Christi selbst diesen Psalm mit und mit Christus die ganze heilige Kirche. Nein, nicht wir Sünder beten diesen Rachegesang, die Unschuld selbst und allein betet ihn. Die Unschuld Christi tritt vor die Welt und klagt an. Nicht wir klagen an, Christus klagt an. Und wenn Christus die Sünde verklagt, sind wir dann nicht selbst alsbald mitten unter den Angeklagten? „Seid ihr denn stumm, daß ihr nicht reden wollt, was recht ist und richten nach Gebühr die Menschenkinder?“ Eine böse Zeit, wenn die Welt stumm das Unrecht geschehen läßt. Wenn die Bedrückung der Armen und Elenden laut zum Himmel schreit und die Richter und Herren der Erde schweigen dazu. Wenn die verfolgte Gemeinde in höchster Not Gott um Hilfe und die Menschen um Gerechtigkeit anruft, und kein Mund tut sich auf Erden auf, ihr Recht zu schaffen. „Seid ihr denn stumm, daß ihr nicht reden wollt was recht ist und richten nach Gebühr die Menschenkinder?“ Menschenkinder sind es, denen Unrecht geschieht. Muß denn das in solchen Zeiten immer vergessen sein? Hört ihr es: Menschenkinder, die Geschöpfe Gottes sind wie ihr, die Schmerz und Elend empfinden wie ihr, die ihr ihnen Gewalt tut; die ihr Glück und ihre Hoffnungen haben wie ihr; die ihre Ehre und ihre Schmach fühlen, wie ihr; Menschenkinder, die Sünder sind wie ihr und die Gottes Barmherzigkeit brauchen wie ihr; eure Brüder! „Seid ihr denn stumm?“ O nein, sie sind nicht stumm, man hört ihre | Stimme auf Erden wohl. Aber es ist ein unbarmherziges, ein parteiisches Wort, das sie sprechen. Es richtet nicht nach dem Recht, sondern nach dem Ansehen der Person.
„Nein, ihr alle entscheidet ungerecht auf Erden, und eure Hände schaffen der Gewalt freie Bahn.“6 Wenn der Mund der Herren der Welt zum Unrecht schweigt, dann richten alsbald die Hände böse Gewalttat an. Furchtbar ist diese Sprache der Menschenhände wo kein Recht ist. Da entsteht die Not und der Schmerz des Leibes, da sehnt sich die verfolgte, gefangene, geschlagene Gemeinde nach Erlösung von diesem Leibe.7 Laßt mich in Gottes Hände fallen, aber nicht in der Menschen Hände!8 Hören wir es noch? Christus spricht hier! Er erfuhr das ungerechte Gericht, er fiel in der Menschen Hände. Die Unschuld verklagt die ungerechte Welt. Uns Sündern aber widerfährt nur der gerechte Zorn Gottes.
Aber es kann ja nicht anders sein. Es ist ja nicht so, daß es hier um einzelne Verfehlungen geht, die überall vorkommen. Nein, hier enthüllt sich das Geheimnis der Gottlosigkeit selbst9: „Die Gottlosen sind verkehrt von Mutterschoß an, die Lügner irren von Mutterleib an.“ In diese Tiefe des Bösen sieht nur die vollkommene Unschuld. Wir möchten allzugern glauben, es sei hier doch noch etwas zu ändern, zu bessern, und zahllose Wege versuchen wir, um hier oder dort etwas zu erreichen. Das bringt uns in große Unruhe und immer neue Bestürzung und Empörung, wenn immer wieder schweres Unrecht geschieht. Die Unschuld allein weiß, daß hier alles so gehen muß, wie es geht. Sie weiß um das dunkle Rätsel, daß der Satan schon im Mutterschoß die Seinen ergriffen hat und nun rasend antreibt. Nun müssen sie sein Werk tun. Welt bleibt Welt, Satan bleibt Satan. In diesem Abgrunde der Erkenntnis gewinnt die Unschuld zugleich die vollkommene Ruhe. Es muß so sein und es wird nicht anders.
„Ihr Wüten ist wie das Wüten einer Schlange, wie eine taube | Otter, die ihr Ohr zustopft, daß sie nicht höre die Stimme des Zauberers, des Beschwörers, der wohl beschwören kann.“ Im Orient kennt man die Zauberer, die Schlangen mit ihrer Stimme bändigen, daß sie gehorchen müssen. Eine taube Schlange aber hört diese Stimme nicht und fährt auf den Zauberer los. Wie solche tauben Schlangen sind die Gottlosen, die die Stimme des Beschwörers, der wohl beschwören kann, nicht hören können. Gott selbst ist der Beschwörer, der wohl beschwören kann, sein Wort der Gnade ist es, mit dem er unser Herz bezaubert und beschwört. Mit den süßen Worten seiner Liebe lockt er uns, überredet er uns,10 bezwingt er unser Herz, daß wir wie gebannt auf ihn hören und ihm gehorsam sein müssen. Es bleibt aber das große Rätsel, daß es solche gibt, die hören, und solche, die taube Ohren haben und ihre Ohren zustopfen, daß sie nicht hören können. Wir wissen es ja von uns selbst, daß es Zeiten gibt, in denen unsere Ohren taub sind. Es sind die Zeiten, in denen wir in wissentlichem Ungehorsam unser Herz gegen Gottes Willen verstocken und Sünde auf Sünde häufen, bis wir schließlich garnicht mehr hören können.11 Dann ist Satan unser mächtig geworden. So verhärtet Satan das Herz derer, die ihm dienen müssen im Kampf gegen Gottes Reich und Wort. Sie können nicht mehr hören, nicht mehr gehorchen. Weil aber ihr Ohr taub ist gegen die Gnade Gottes, darum ist auch ihr Mund stumm für das Recht Gottes. Das sind die Feinde Gottes und seiner Gemeinde, wie sie David, wie sie Christus, wie sie die Kirche Gottes erkennt.
Diese Erkenntnis führt ins Gebet. Wenn dies der Feind ist, dann helfen keine menschlichen Künste mehr dazu zum Frieden zu kommen. Dann hilft keine menschliche Kraft mehr, diese Feinde zu überwinden. Gottes Name muß angerufen werden. Und nun beginnen in unserem Psalm jene furchtbaren Gebetswünsche, vor denen uns graut, die wir nur mit Zittern und tiefem inneren Widerstand nachspre- | chen, wenn wir sie lesen. Gott wird angerufen zur Rache über die Feinde. „Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul; zerstoße, Herr, das Gebiß der jungen Löwen.“ Vor allem wollen wir hier dies lernen: im Angesicht der Feinde Gottes und seiner Kirche können wir nur beten. Unser eigner Mut – und sei er noch so groß – all unsere Tapferkeit muß vor diesem Feinde zerbrechen. Wir haben es mit dem Angriff des Satans zu tun. Da muß die Sache in die Hand nehmen, der allein Gewalt hat über den Satan, Gott selbst. Es wäre viel, wenn wir dies lernten, daß wir ernstlich zu Gott beten müssen in solcher Not. Und dann das andere: Wer Gott die Rache befiehlt, der verzichtet damit auf jede eigne Rache. Wer sich selbst rächen will der ahnt noch nicht, mit wem er es zu tun hat, der will seine Sache noch selbst in die Hand nehmen. Wer aber Gott allein die Rache anheim gibt, der ist bereit geworden selbst zu leiden und zu dulden, ohne Rache, ohne einen Gedanken an eigne Rache, ohne Haß und ohne Widerspruch, der ist sanftmütig, friedfertig, der liebt seine Feinde. Ihm ist Gottes Sache wichtiger geworden als seine Leiden. Er weiß, Gott wird den Sieg behalten. „Mein ist die Rache spricht der Herr, ich will vergelten“12 – und er wird vergelten! Aber wir sind frei von Rache und Vergeltung. Nur wer ganz frei ist von eignen Rachewünschen und von Haß, und wer ganz gewiß nicht sein Gebet wieder dazu benutzt, um eigne Rachegelüste zu befriedigen, der kann in der Reinheit des Herzens beten: „Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul, zerstoße, Herr, das Gebiß der jungen Löwen.“ Das heißt ja, Gott deine Sache allein ist es, die hier Schaden leiden soll. Deine Ehre wird geschändet. Gott nun tritt du herein und vernichte deinen Feind, übe deine Gewalt, laß deinen gerechten Zorn entbrennen. Gott läßt sich nicht spotten.13 Er wird furchtbar Gericht halten über seine Feinde. Und ob wir erschrecken vor dem grauenhaften Wunsche des Psalms, Gottes Gewalt wird noch viel | grauenhafter sein für den, den sie trifft. Und ob wir erschrecken vor Menschenfäusten, wie viel mehr müssen wir erschrecken vor Gottes Fäusten, die den Gottlosen zerschlagen um seines Reiches, seines Namens, seiner Ehre willen. Der Herr der Welt richtet sein Reich auf. Sein ist die Rache über seine Feinde.
Nun bricht David in einen unermeßlichen Jubel aus. Ganz gewiß ist er der Erhörung des Gebets. In sich überstürzenden Bildern sieht er schon jetzt mitten in Kampf und Not und Leiden den Untergang der Gottlosen. „Sie werden vergehen, wie Wasser das dahin fließt“ – schnell und plötzlich wird [es] ein Ende mit ihnen nehmen. Wie sich Wasser schnell verläuft, so werden sie nicht mehr da sein. „Sie zielen mit ihren Pfeilen, aber dieselben zerbrechen“ – noch schwirren die todbringenden Pfeile, aber sie können keinen Schaden mehr tun, sie sind machtlos. „Sie vergehen wie eine Schnecke zerfließt“ – so voll Verachtung spricht David nun von seinen Feinden. Wie man eine Schnecke zertritt, so wird es sein, wenn Gott die Gewaltigen und Großen dieser Erde zertreten wird. „Wie eine unzeitige Geburt eines Weibes sehen sie die Sonne nicht“ – so schnell wird es mit ihnen aus sein, so werden sie im Dunkeln und in der Vergessenheit bleiben, und keiner wird nach ihnen fragen. „Ehe eure Dornen reif werden am Dornstrauch, wird sie eine Zornesglut wegreißen“ – Gottes Zorn wird die Pläne seiner Feinde nicht zur Reife kommen lassen. Vorzeitig werden die Gottlosen weggerissen mit Gewalt. Sie bringen nichts zu Ende [–] das ist Gottes Rache. Schnell wird sie kommen, schneller als wir geahnt haben.
„Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache sieht und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut.“ Noch einmal schaudern wir zurück vor diesem Psalm. Ist dieses Ende nicht wirklich ganz unmöglich für uns als Christen zu beten? Liebe Gemeinde, wenn wir hier noch ausweichen, haben wir nichts von allem verstanden. Es geht ganz allein | um Gott und seine Gerechtigkeit. Der Gottlose muß sterben, damit Gottes Gerechtigkeit siege.14 Es geht hier nicht mehr um menschliche Freundschaft und menschliches Mitleid. Es geht allein darum, daß Gott den Sieg behält. Wer vor dieser Freude über die Rache Gottes und über das Blut des Gottlosen zurückschreckt, der weiß noch nicht, was am Kreuze Christi geschah. Gottes gerechte Rache über den Gottlosen ist ja schon über uns gekommen. Das Blut des Gottlosen ist ja schon geflossen. Gottes Todesurteil über die gottlosen Menschen ist gesprochen. Gottes Gerechtigkeit ist erfüllt. Das ist geschehen im Kreuze Jesu Christi. Jesus Christus starb von Gottes Zorn und Rache getroffen den Tod des Gottlosen. Sein Blut ist das Blut, das Gottes Gerechtigkeit forderte für die Übertretung seiner Gebote. Gottes Rache ist vollstreckt, furchtbarer als es selbst der Psalm weiß, mitten auf der Erde. Christus, der Unschuldige, starb den Tod des Gottlosen, damit wir [ihn] nicht sterben müssen. Nun stehen wir als die Gottlosen unter seinem Kreuze und nun löst sich ein schwer begreifliches Rätsel: Jesus Christus, der Unschuldige betet in der Stunde[,] in der Gottes Rache an dem Gottlosen auf Erden, in der unser Psalm sich erfüllt: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.15 Er der die Rache trug, er allein durfte um Vergebung für die Gottlosen bitten; denn er allein hat uns frei gemacht von Gottes Zorn und Rache, er hat seinen Feinden die Vergebung gebracht und keiner vor ihm durfte so beten. Er allein darf es. Sehen wir ihn an, den Gekreuzigten, so erkennen wir Gottes wahrhaftigen und lebendigen Zorn über uns Gottlose und im selben Augenblick die Befreiung von diesem Zorn, und wir hören: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
„Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache sieht und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut.“ Ist das nicht wahrhaftige Gottesfreude? Ist das nicht Freude der | Gerechten, daß Gottes Gerechtigkeit triumphiert am Kreuze, Freude über den Sieg Christi? Gottes Rache ist erloschen und das Blut des Gottlosen, in dem wir uns baden, gibt uns teil am Siege Gottes, das Blut des Gottlosen ist unsere Erlösung geworden, es macht uns rein von aller Sünde.16 Das ist das Wunder.
So ersteht mitten aus dem Psalm der Rache das Bild des blutigen Heilands, der für die Gottlosen starb von Gottes Rache geschlagen uns zum Heil. Keiner ist hier ausgeschlossen. Christus hat die ganze Rache Gottes für alle getragen. Wer zu ihm kommt, wer sich zu ihm hält, den wird Gottes Zorn und Rache nicht mehr treffen, der ist im Schutze der Gerechtigkeit Christi, wer er auch sei. Wer aber nicht kommen will, wer sich vor dem Kreuze Christi nicht niederwerfen will als Gottloser, wer dem Kreuze Christi trotzt, über den wird Gottes Zornesgericht kommen, Gottes Rache, wie sie über Christus gekommen ist, aber nicht zum Leben, sondern zum ewigen Tode.
„Die Leute werden sagen: Der Gerechte wird ja seine[r] Frucht noch genießen.“ Nicht Glück oder Macht oder Ehre dieser Welt ist die Frucht des Gerechten. Sie ist nichts anderes als die Gemeinschaft des Kreuzes Jesu Christi, die Erlösung vom Zorne Gottes. „Es ist ja noch Gott Richter auf Erden.“ Wo ist Gottes Gericht über die Gottlosen auf Erden? Nicht in sichtbarem Unglück, Mißerfolg oder Schande vor dieser Welt, sondern allein im Kreuze Jesu Christi. Ist uns das nicht genug? Sehen wir nicht in diesem Kreuz alle Feinde Gottes schon gefallen und gerichtet? Was soll all unsere Unruhe, die noch mehr sehen will als dieses Gericht Gottes? Darum, wenn wir irre werden wollen an Gottes Gerechtigkeit auf Erden, so laßt uns auf das Kreuz Christi sehen: hier ist Gericht, hier ist Begnadigung.
Was wir aber einst sehen sollen am jüngsten Tage, die Errettung der Gerechten und die Verdammnis der Gottlosen, | das verdeckt uns heute noch der Gekreuzigte in seiner Liebe. Wir könnten es auf dieser Erde nicht ertragen. Aber wir dürfen gewiß sein, daß alles zur Freude der Gerechten dienen wird. Es ist ja der Sieg und der Triumph Christi der dort offenbar wird in Errettung und Gericht. Bis zu jenem Tage aber wird der Satan weiter die Feinde gegen Christus und seine Gemeinde antreiben, mit Unrecht, Gewalttat und Lüge. Mitten in diesem Toben betet Christus diesen Psalm stellvertretend für uns. Er klagt die Gottlosen an, er ruft Gottes Rache und Gerechtigkeit über sie herbei und er gibt sich selbst allen Gottlosen zugute mit seinem unschuldigen Leiden am Kreuze.
Und nun beten wir diesen Psalm mit, in demütigem Dank, daß uns Errettung geschenkt ist vom Zorn durch das Kreuz Christi; in der inbrünstigen Bitte, Gott wolle alle unsere Feinde unter das Kreuz Christi bringen und ihnen Gnade schenken, in brennendem Verlangen, der Tag möchte bald kommen, an dem Christus sichtbar über alle seine Feinde triumphiert und sein Reich aufrichtet. So haben wir diesen Psalm beten gelernt. Amen.

1 Im 17. Finkenwalder Rundbrief 3. 3. 1937 stand, zu B’s Geburtstag am 4. 2. sei an ihn der Wunsch gerichtet worden: „Die ‚Nachfolge‘ möchte doch noch vor unserer Emeritierung erscheinen“; dazu konnte Bethge „aber tröstlich berichten, daß der Teil ‚Bergpredigt‘ fertig ist und damit nicht mehr viel an der Vollendung fehlt“; im 18. Finkenwalder Rundbrief 17. 4. 1937: „In den Ferien hat, wie ich berichten kann, Bruder Bonhoeffer ein großes Stück seiner Arbeit vorwärtsgebracht, was zu kühnsten Hoffnungen auf Fertigstellung Anlaß gibt.“ Für den fünften Kurs erarbeitete Texte dienten B zur Ergänzung des Druck–Ms, auch ein Teil der NT–Vorlesung. Deren Thema „Gemeindeaufbau und Gemeindezucht“ ist im 19. Finkenwalder Rundbrief 15. 5. 1937 genannt. Siehe NL A 48,2 (17.–19.). Vgl. II/29.1 (Sätze über Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament). Gang der Vorlesung s. Anhang III S. 1063.

2 NL B 9,4: Mitschrift unter der Vorlesungsbezeichnung „Neues Testament“ von Otto Dudzus 1937 Seite 7–10 (= OD); dazu aus dem zweiten Kurs NL B 18: Mitschrift von Eberhard Bethge am 9. 12. 1935 Seite 20–23 (= EB), vgl. II/8.4 S. 447 f Anm. 124. Anfang des Abschnitts „3.) Verkündigung und Bekenntnis“ in der Mitschrift EB.

3 1935/36 EB: „(außer in Athen) … (Athen: Schule, Markt und Gerichtsplatz)“.

NT Neues Testament

4 Vgl. die frühere Formulierung 1935/36 EB: „Die christliche Gemeinde will in jeder Beziehung der legitime Erbe des Volkes Gottes sein: darum Raum der Synagoge gehört uns.“

5 Dt.: „nach der Gewohnheit“, s. Act 17,2.

6 Siehe Act 19,9.

7 Act 18,6; 18,8: Krispus.

8 1935/36 EB in Punkt „c.)“ über die „gottesdienstlichen Formen“: „Akt 13,15. Im Rahmen des jüdischen Gottesdienstes. Schriftlesung, Predigt und Gebet.“

9 1935/36 EB in Punkt „d.)“ zum ‚Lohn‘ der Verkündiger des Evangeliums: „Keine Gehaltsordnung.“

10 Mt 10,8.

11 Lk 10,7; vgl. DBW 4 (N), 199–201 in B’s Auslegung der Aussendungsrede nach Mt 10.

12 1935/36 EB: „Der Lohn ist die tägliche Nahrung, aber nicht die Sicherung für den nächsten Tag“.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

13 Siehe II Kor 11,7.13–15; Tit 1,11; I Petr 5,2.

14 Vgl. Phil 4,10.15–18.

15 Vgl. S. Kierkegaard, Augenblick Nr. 1 (24. 5. 1855), in Wilhelm Kütemeyers Kierkegaardbuch „Der Einzelne und die Kirche“ (von B für sein Buch „Nachfolge“ benutzt) 226 und 227 f: „… es gibt im Lande eine Million Menschen, ergo eine Million Christen – und [man] stellt dann 1000 Beamte an damit sie davon leben. … Die Art Geistliche, wie wir sie haben, stehen sich wahrlich am besten wenn sie sich nicht aufspielen und als Wahrheitszeugen zu gelten versuchen; denn wenn sie es sind, nun ja, dann ist das schwierige Problem unendlich leicht gelöst: man ziehe ohne weiteres ihre ganze Gage ein und spare jede Pension – in so etwas müssen sich ja Wahrheitszeugen zu finden wissen“. Vgl. 1935/36 EB: „Paulus arbeitet eigenhändig, 2. Kor 11 Vers 7 um seine Sendung deutlich von der der falschen Apostel abzugrenzen. Um der Glaubwürdigkeit seines Auftrags willen. Glaubwürdigkeit begründet Verzicht.“ Bei EB schließt an: „e.) Der Dienst des Verkündigers ist ein geordneter Dienst Akt 6,4. Wir aber wollen halten am Wort und Gebet. Zur Wortverkündigung gehört Schriftstudium. Akt 18,25 die Verkündigung geschieht durch einen, der ‚brünstig im Geist‘ ist. Akt 6,4 προσευχή [„Gebet“] bezeichnet nicht wohl Gemeindegebet oder so, sondern längere Gebetszeit, Dienst an der Gemeinde, der nicht von jedem getan werden kann. Die sich absondern zu längeren Gebetszeiten 1. Kor 7,5 Akt 9,12 [Vers 11: „er betet“] 21,26. Besonderer Dienst an der Gemeinde. Weil die Gemeinde Kräfte empfängt Jak 5,16, die es ohne Gebet nicht gibt Mk 9,25 [Vers 29]. Wortverkündigung und Gebet gehören nach NT also wohl inniger zusammen als Wortverkündigung und Diakonie. Der Verkündiger muß mehr beten als andere. Er darf sich ebensowenig Zeit und Raum zum Gebet wehren lassen, wie er sich Raum und Zeit zur Verkündigung wehren lassen darf. Das ist Gottes Ordnung über den Verkündiger.“

16 Joh 19,34. Siehe DBW 4 (N), 230.

17 Vgl. 1935/36 EB: „f.) Zur Verkündigung gehören auch die Sakramente. Ob durch den Verkündiger allein verwaltet, nicht klar. Nicht notwendig an den Verkündiger geknüpft. Aber es gehört zum Sakramentsdienst jeweils die Verkündigung des Todes Christi 1 Kor 1,10[–17] Rö 6,3 Kol 2,20 [Vers 12: Taufe; vgl. 3,3] 1. Kor 11,26. Und zwar Tod verkündigt als die Gnadengabe an seine Gemeinde. Die Bedeutung der Taufe wird nicht etwa abgewertet. 1. Kor 1,13 Christus und Taufe zusammengewertet, nicht Abwertung gegeneinander, sondern nur Ausrichtung wohl getrennt. Wort gehört allen Menschen; Sakramente gehören nur den Gläubigen, der Gemeinde!“ Vgl. DBW 4 (N), 244 f.

18 1935/36 EB: „Durch die Taufe wird die Gemeinde einer, hineingezogen in die Gemeinde. Einer in Christo 1 Kor 12,13 Eph 4,15 [4,4 f „Geist“, „Taufe“]. Die Zusammengehörigkeit von Taufe und Geist bezeugt, daß die Taufe nicht opus operatum [Werk, das durch bloßen Vollzug wirksam ist]. Dennoch reine passio [„Erleiden“]. Sofern sie Teilhabe am Leib Christi ist. Mitsterben und Mitleben aus der Kraft des Leibes Christi. Taufe Geist Leib Einheit, gehören hier wesentlich zusammen. Aus Taufe auch Einheit der Gemeinde gefolgert 1. Kor 1 [vgl. Vers 13]. Durch die Taufe der Leib Christi umgrenzt. Welche Rechte verleiht die Taufe? Verleiht die volle Teilnahme am Leben des Leibes Christi. Am Raum, den der Leib in der Welt einnimmt. Durch die Einheit in Christus die Unterschiede zwar nicht verloschen, aber gleichgültig und uninteressant. Gefragt nicht nach Rasse, sondern nach der Taufe. Hineintaufen in diesen Leib Christi.“ Vgl. DBW 4 (N), 250.

V. Vers

V. Vers

19 Dt.: „im Fleisch“ und „im Herrn“.

20 Zur ApU–Bekenntnissynode in Berlin–Steglitz 23.–26. 9. 1935 s. DB 555–559. 1935/36 EB hat zum Philemonbrief nur: „Philemonbrief Vers 16! Die Einheit der Gemeinde in vollem Umfang. Unbedingte Teilnahme am ganzen Leben des Leibes Christi.“ Im fünften Kurs trug B, mitgeschrieben OD 1937 Seite 21 f, die im Buch „Nachfolge“ gedruckte Philemon–Auslegung vor, s. DBW 4 (N), 251 f.

21 1935/36 EB Stellenangabe zu „Herstellung der κοινωνία [„Gemeinschaft“]“: „1. Kor 10,16 ff“ (s. Vers 16 f). Vgl. DBW 4 (N), 230 und 244.

22 M. Luther, Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften. 1519 (WA 2, 738–758). Dieser Sermon war B schon beim Schreiben seiner Dissertation wichtig, s. DBW 1 (SC), 117 Anm. 41).

23 1935/36 EB: „In der Abendmahlsgemeinschaft ist die vollkommene Gemeinschaft hergestellt, wo der eine dem anderen bedingungslos gehört, darum Eph 5[,22–32] das Ehebild für diese Gemeinschaft gebraucht.“

24 1935/36 EB: „Ineinander von Gemeinde und Christus ausgedrückt, dennoch keine Verschmelzung.“ Vgl. DBW 4 (N), 234. In Eberhard Bethges Mitschrift am 9. 12. 1935 folgt noch ein Absatz, vgl. II/8.4 S. 448 Anm. 124. Den Teil „III. Der Raum der Ämter und der Gaben“ schrieb er 1935/36 nicht mehr mit.

25 NL B 9,4: Mitschrift von Otto Dudzus Seite 10–17 (= OD). Vgl. II/8.6 S. 452–460 B’s Vorlesungs–Ms NL A 57,3 (2) und Friedrich Trentepohls Mitschrift 1935/36 Seite 15–22.

etc. et cetera („und die übrigen“), und so weiter

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

26 Dt.: „Dienst“. „Diener“.

27 Lücke bei OD; s. II/8.6 S. 454: Eph 1,10; 3,2.9. Dt.: „Hausverwaltung“ oder „Haushalterschaft“.

28 Dt.: „Bischof“, „Ältester“.

f folgende Seite bzw. folgender Vers

29 Vgl. II/8.6 S. 454: Der Zusatz in B’s Ms zur Einsetzung der διακονίαι wird erst nach dem zweiten Kurs 1935/36 entstanden sein. Vgl. DBW 4 (N), 245 f.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

30 Dt.: „Gnadengaben“ und „Geist“.

31 Dt.: „Herr“.

V. Vers

V. Vers

32 Dt.: „Öffentlichwerden“.

V. Vers

V. Vers

V. Vers

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

33 Dt.: „Wort des Wissens“.

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34 I Kor 8,1.

35 I Kor 12,8.

36 Dt.: „Weisheit“.

37 Dt.: „Glaube“.

38 Vgl. M. Luther, Auslegung deutsch des Vaterunsers für die einfältigen Laien. 1519 (WA 2, 126–128 „Von dem wortlein Amen“; 127: „deyner warheit gewiszheyt macht mich, das ichs festlich glewb“).

39 Dt.: „Gaben des Heilens“.

40 Dt.: „Prophetie“. Keine Aufzeichnungen dazu an dieser Stelle; vgl. II/8.6 S. 456 in B’s Ms: „(siehe unten)“.

41 Dt.: „Unterscheidung der Geister“.

42 Noch nicht so entschieden argumentierte B im zweiten Kurs, s. II/8.6 S. 457 f Anm. 195 1935/36 FTr („Ob eine Christuserscheinung Voraussetzung fürs Apostelamt ist, lassen wir dahingestellt sein“). Vgl. DBW 4 (N), 243: Die Apostel „haben den Menschgewordenen, Gekreuzigten und Auferstandenen gesehen“ – eine Zufügung gegenüber B’s Ms für die Vorlesung am 18. 11. 1935, s. II/8.1 S. 432.

43 Vgl. Mt 10 und 28,18–20.

44 Dt.: „Apostel“, vom Verb ἀποστέλλειν, „senden“.

45 I Kor 15,6 f „Nestle“: Der Auferstandene ist gesehen worden „von mehr denn fünfhundert Brüdern … darnach von allen Aposteln“.

f folgende Seite bzw. folgender Vers

46 Vgl. Act 1,21 f.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

47 I Kor 9,1: „Habe ich [Paulus] nicht unsern Herrn Jesus Christus gesehen?“

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

48 Act 8,17; Joh 20,22.

49 Vgl. Mt 10,1 und Lk 10,1; Lk 10,16 (vgl. Mt 10,40).

50 Act 11,28.

= Zeichen für Gleichsetzung

51 Dt.: „Propheten“.

52 Dt.: „Lehrer“.

53 Siehe I Kor 12,28; Röm 12,8.

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54 Dt.: „Leiter“.

usw. und so weiter

55 Die Pluralform (–οι) ist bei OD unterstrichen.

56 I Tim 3,1–13.

57 Vgl. I Tim 3,2.

58 I Tim 3,11 „Nestle“ Luther–dt. „Desgleichen ihre Weiber“ („ihre“ hat keine Entsprechung im griech. Text) klingt, als handele es sich um Ehefrauen der Diakone.

59 Vgl. Num 11,16.

60 Siehe Act 20,17 (so in B’s Ms).

61 Dt.: „Vorsteher“.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

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62 Dt.: „Witwen“.

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63 Hiernach folgt bei OD Seite 17–20 „Versiegelung und Heiligung“; s. im vierten Kurs II/22.1 S. 725–728 1936/37 EK.

1 DB 643: B lud „gleich nach Pfingsten 1937 einige entschlossene Pfarrer aus Pommern, der Provinz Sachsen und Brandenburg zu einer Beratung über Recht und Möglichkeiten der Kirchenzucht nach Finkenwalde ein“, s. I/140 (Brief 18. 4. 1937 an Martin Strege und Arbeitsplan 19.–23. 5. 1937). Auf dieser Pfarrerfreizeit referierte B im Beisein der Kandidaten des fünften Kurses über Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament. Bei der Freizeit in Stecklenberg im Harz 24.–27. 8. 1937 (vgl. I/146 Brief B’s an Zippel) behandelte B „Schlüsselgewalt und Gemeindezucht“ nicht nur im NT, sondern auch bei den Reformatoren.

2 NL A 57,5: masch. Hektographie; Abdruck: GS III 369–381. Vgl. DBW 4 (N), 287–292: Wiedergabe (im Erstdruck des Buches „Nachfolge“ 1937 nahezu zeichengetreu einschließlich versehentlicher Interpunktion) der „Sätze“ 8 und 9. Dazu NL B 26: stenographische Mitschrift in masch. Transkription der Aussprache in Finkenwalde Mai 1937 von Heinz Krüger (= HKr); NL A 47,6 (5): stenographische Mitschrift in masch. Transkription des Vortrags in Stecklenberg im Harz (Thema dort erweitert: „Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament und bei den Reformatoren“) am 24. 8. 1937 von Hulda Trebesius Seite 1–3 (= HT).

3 Nach Mt 16,19 „Nestle“ Luther–dt. will Jesus Petrus „des Himmelreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein“.

4 HT: „nicht mehr Rettung aus der Verdammnis, sondern Anwendung eines allgemeinen Satzes: Dieu pardonnera, c’est son metier“ („Gott wird verzeihen, das ist sein Beruf“); diesen (Heinrich Heine zugeschriebenen) Ausspruch hatte B auch in der homiletischen Übung zu Röm 6,1–11 im ersten Kurs zitiert, s. II/3.9 S. 348 (Mitschrift Bethge 1935).

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bzw. beziehungsweise

5 Vgl. lat. absolvere = loslösen, retenire = zurückoder behalten.

6 HT: „Schon in der Reformationszeit macht sich Mißbrauch geltend: man predigt Gesetz höchstens noch als allgemeine Sündenpredigt. Die Kirchenordnungen fordern demgegenüber konkrete Bußpredigt.“

7 HT: „Der Unterschied zur Predigt: In der Beichte geschieht der Zuspruch nicht nur pronuntiative [als Aussage] sondern effektiv (exhibitive). … Nicht: die Vergebung hängt an meinem Glauben (Predigt) sondern: mein Glaube hängt an der Vergebung meiner Sünden (Beichte). Darum darf die exhibitive Absolutionsformel nicht über den ganzen Haufen ausgesprochen werden.“

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8 Vgl. I/140.2 S. 285 in der Tagungsplanung: „Bezugnahme auf Bugenhagens Kirchenordnung ist erwünscht (erhältlich in H. Lietzmann: Kleine Texte).“ Die von Hans Lietzmann hg. Reihe „Kleine Texte für theologische Vorlesungen und Übungen“ enthält Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung von 1528, die auch für seine späteren Kirchenordnungen, u. a. die für Pommern von 1535, grundlegend wurde. Ein Exemplar „Pommersche Kirchen–Ordnung und Agenda …“, das in der Finkenwalder Seminarbibliothek stand, weist Striche und Notizen bes. zu Kirchenzucht und Beichte auf; an der Stelle „Derowegen soll …“ (Agenda, 132) ist neben dem unterstrichenen Text „die Absolution … absetzen“ ein großes Ausrufungszeichen. Vgl. E. Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen IV, 446 (in „Agenda. 1569“): „Derwegen schal mit ernste vorbaden sin, dat de parrherren dat volk nicht bi hupen, in gemene absolveren … unde so jemand ut giricheit, gunst der lüde edder ut vuelheit, dat he der arbeit vorhaven si, de absolution int ungewisse aver dat volk buwen hen spreckt, den schal de superintendens, wenn he vormanet is, unde nicht afflet, alse einen untruwen meedtlink vam predigamte affsetten.“ A. a. O., 325 in der Einleitung für „Das Herzogthum Pommern“ zu dieser Agende: „Ein besonderes Gewicht legte die pommersche Geistlichkeit nach Bugenhagen’s Vorgange (s. Kirchenordnung von 1535 [a. a. O., 330 „Van der bicht“]) auf die Beichte.“ In der Agende handele es sich um „eine catechetische Fortentwickelung der Lehre von der Schlüsselgewalt“. HT im Anschluß: „Hier liegt auch der Unterschied zwischen lutherischer und reformierter Auffassung der Schlüsselgewalt: reformiert: Schlüsselgewalt = Verkündigung des Evangeliums (öffentlich) und christliche Bußzucht; lutherisch: hier kommt noch die effektive Wirkung der Absolution in der Privatbeichte hinzu, die fällt in der reformierten Kirche aus. Beichten ist hier: Sich Rat holen (Heidelberger Katechismus Frage 83 f)“.

9 Hierzu s. DBW 4 (N), 180.

10 Dieser Satz wurde in der Finkenwalder Aussprache angefochten (HKr: „die Kirche maße sich zuviel an“). Siehe II/29.2 S. 844: These „2)“ enthält B’s Entgegnung.

11 HT: „Wir fragen im Blick auf unsere bisherige Taufpraxis: Vollzieht sich jetzt schon jener Fluch an uns?“

12 HT: „die da draußen (Missionsgemeinde)“.

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13 HT: „Kirchenzucht gibt es nur innerhalb der Gemeinde.“

14 HT: „(Deutsche Messe 1526 schlägt vor, für die, die mit Ernst Christen sein wollen, den Bann = Gemeindezucht wieder einzuführen.) Luther wollte – nein durfte, wie er sagt, noch nicht mit der Bildung solcher Gemeinde anfangen. Wird etwas von dem heute in den bekennenden Gemeinden wahr? – Der Unterschied zur Missionssituation im Neuen Testament liegt ja darin, daß der ‚grobe Haufe‘ doch die Gemeinde der Getauften ist. Wo setzt Gemeindezucht ein? In den bekennenden Gemeinden. (1529 Entwurf der hessischen Kirchenordnung. Luther stimmt in der Sache zu, lehnt in der Praxis ab: Das muß wachsen.)“

15 HT: „Die Sakramentsgemeinde ist geschlossen, durchs Wort gewonnene und durchs Sakrament zum Leibe Christi gewordene Gemeinde“.

16 Mit diesem 6. „Satz“ vgl. DBW 4 (N), 224–226.

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ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

f folgende Seite bzw. folgender Vers

17 I Kor 12,12–30; Röm 12,4–21.

18 HT: „Christliche Bußzucht ist immer nur der Ausschluß aus der Gemeinschaft der Gemeinde, nicht aus der Gemeinde, aus der Kirche. Bußzucht kann sich immer nur in dem Rahmen innerhalb der Taufe vollziehen, innerhalb der Gemeinde.“

usw. und so weiter

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19 HT: „Das heißt aber, daß Kindertaufe nicht das Sakrament der Bildung einer Volkskirche ist, sondern nur innerhalb einer glaubenden Gemeinde (bekennenden Gemeinde) geübt werden kann. Notwendige Voraussetzung der Taufe ist also: Bereitwilligkeit und Fähigkeit der Kinder zum Katechumenat. Katechumenat beginnt mit dem Patenamt. Patenamt, Katechumenat entspringen notwendig aus dem neutestamentlichen Begriff der Taufe. (Kirchenordnung: Vater des Kindes soll die Taufe erbitten, die Paten sollen fromme Leute sein.)“

20 Vgl. I Kor 11,28: „der prüfe sich selbst“ (ἑαυτόν). Hierzu und zu dem im vorigen Absatz zitierten Vers 29 s. DBW 4 (N), 287.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

etc. et cetera („und die übrigen“), und so weiter

21 HT: „Weil ich mir über die Kraft meiner Selbstprüfung im Zweifel bleiben muß (Anfechtung!), kann an Stelle der Selbstprüfung das Beichtverhör treten, um der Gewißheit der Selbstprüfung willen. (Dürftiger Rest dessen bei uns ist die Sitte der Anmeldung zum Abendmahl.) Die Reformationsgeschichte zeigt die Schwierigkeit, Glaubensverhör und Beichtverhör in’s rechte Verhältnis zu setzen. Aus dem Beichtverhör wurde Katechismusverhör: Sonnabends Katechismus abgefragt, darauf Absolution! Bekenntnisschriften C.A. 25: Keiner soll unverhört zum Abendmahl zugelassen werden.“

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

22 Der folgende Text bis zum Ende des 9. „Satzes“ ging ein in B’s Buch „Nachfolge“, vgl. DBW 4 (N), 287–292 bis zum Ende der Anmerkung 20).

23 HT: „Ordinationsgelübde! Da liegt der praktische Beginn der Kirchenzucht.“

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

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24 So (auch Vers „26“) im Druck der „Nachfolge“ 1937; s. II Tim 2,25 f, vgl. DBW 4 (N), 289. Im „Nestle“ Luther–dt. steht in Vers 25 kein „nicht“ („… Gott dermaleinst Buße gebe …“), und Vers 26 lautet: „und sie wieder nüchtern würden aus des Teufels Strick, von dem sie gefangen sind zu seinem Willen“. Vermutlich sollte B’s Zitat lauten: „… und sich von ihm [dem Teufel] nicht einfangen lassen in seinen Willen“.

25 Mt 18,15: „deinen Bruder“; auch DBW 4 (N), 289 steht „einen“.

f folgende Seite bzw. folgender Vers

d. h. das heißt

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

26 I Tim 5,19.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

27 II Kor 2,6–10.

28 Dieses versehentlich gesetzte Semikolon wurde 1937 zeichengetreu im Buch „Nachfolge“ abgedruckt.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

29 Vers 18 und 20.

30 Siehe Vers 11; „Tit. 3,10“ auch im Druck der „Nachfolge“ 1937.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

d. h. das heißt

d. h. das heißt

31 Vgl. II Tim 2,20: Gefäße „zu Unehren“; vgl. Röm 9,21–23; Jer 18,6; Jes 45,9.

32 Der hier endende Absatz nicht im Buch „Nachfolge“. Mit dem folgenden Absatz beginnt B’s Anmerkung 19) DBW 4 (N), 291, an die sich Anm 20) – in ihr ist der 9. „Satz“ abgedruckt – anschließt.

33 Aus dem Griechischen als Fremdwort in die Kirchensprache übernommene Bezeichnung für „Ausstoßung“, „Verbannung“, „Verfluchung“ aus der kirchlichen Gemeinschaft.

34 Dt.: „Bann“.

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f folgende Seite bzw. folgender Vers

35 Dt.: „Lehre ist Himmel, Leben ist Erde“. Von B häufig zitiertes Lutherwort aus der Galaterbrief–Vorlesung 1531/35, hier in der Druckfassung WA 57, 13.

d. h. das heißt

36 Otto Dudzus hat 1937 im Zusammenhang der NT–Vorlesung (NL B 9,4 Seite 29: „Dem Satan übergeben“, ἀνάθεμα, Lehrzucht) notiert: „ ‚Niemandem die Hände zu früh auflegen‘. Timotheus da 40. Wir mit fast 20 Jahren auf Kanzel. Ungeheure Gefahr.“

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

f folgende Seite bzw. folgender Vers

37 Verse 13–16.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

38 Siehe I Kor 1,12 f.

f folgende Seite bzw. folgender Vers

vgl. vergleiche

z. B. zum Beispiel

39 Von „Treten Lehrverschiedenheiten …“ bis hierher nicht in der Anmerkung 20) DBW 4 (N), 292, jedoch ähnlich a. a. O., 247.

f folgende Seite bzw. folgender Vers

f folgende Seite bzw. folgender Vers

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

40 Vgl. auch Vers 9 („der hat keinen Gott“).

41 HT: „Wer hat die Vollmacht, so etwas zu sagen oder zu tun? Es geht nicht darum, daß wir Vollmachten hätten, sondern daß hier ein Gebot Christi vorliegt. Wir haben diesen Befehl, die einzige Vollmacht ist der Auftrag und das Gebot Christi, gegen das wir sündigen, wenn wir’s in eigener Vollmacht verkürzen. Sind die Gemeinden reif? Die Frage nach der Reife ist die Frage nach der Not der Gemeinde. Der Gemeinde tut es not, dann ist sie reif.“

42 Dt.: „Spaltungen“.

43 Siehe Vers 22.

44 Mit diesem 10. „Satz“ vgl. DBW 4 (N), 245 f.

45 NL B 26: stenographische Mitschrift in masch. Transkription der Aussprache in Finkenwalde Mai 1937 von Heinz Krüger (= HKr); in den Thesen (HKr Seite 1) sind B’s Beiträge in der Aussprache unter den Pfarrern zusammengestellt.

46 Vgl. Vers 15–20.

47 Nach HKr verwies Pfarrer Peter Bultmann auf Luther (1521 Bannbulle Papst Leos X. gegen Luther); daraufhin B: „Es muß gewagt werden!“

48 Dt.: „die eine heilige (Kirche)“.

49 NL A 47,6 (5): stenographische Mitschrift in masch. Transkription der an den Vortrag anschließenden Aussprache in Stecklenberg im Harz am 24. 8. 1937 von Hulda Trebesius Seite 3 f (= HT).

50 Dt.: „Tröstung“.

51 Dt.: „das sichtbare Wort“.

52 Sc. Christus.

53 Dt.: „Gesetzlosigkeit“ bzw. „Gesetzlichkeit“. Antinomismus und Nomismus sind Begriffe im Streit um die Geltung des Gesetzes im 16. Jahrhundert.

= Zeichen für Gleichsetzung

54 Dt.: „(unzulässige) Heilssicherheit“ – im Gegensatz zur notwendigen „Gewißheit des Glaubens“ (certitudo).

55 Dt.: „Du bist gewiß“ (sc. des Glaubens).

56 Pfarrer Giersch war für die Finkenwalder Freizeit Mai 1937 als Referent zum Thema „Aufbau einer Bekennenden Gemeinde nach Barmen und Dahlem“ vorgesehen. Er scheint in Stecklenberg zum gleichen Thema gesprochen zu haben.

57 Vgl. I Petr 4,17.

58 Vgl. Phil 2,12.

= Zeichen für Gleichsetzung

59 Vgl. Hebr 4,12.

60 Vgl. I Kor 9,16: „Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!“ – HT hat nicht protokolliert, was Johannes Hamel, ein Teilnehmer der Konferenz, berichtet (Brief an den Hg. Otto Dudzus 15. 12. 1988): „Erinnerlich ist mir nur, daß Bonhoeffer über die Frage der erneuerten Taufzucht referierte – Taufe nur gewähren an fromme Eltern, die sich zu Gottes Wort halten – und den höchsten Zorn Schniewinds erregte: ‚Nun wollen Sie die armen Menschen massenweise aus der Kirche herauswerfen, denen noch nie das Evangelium gepredigt worden ist! Denn in unseren Gegenden hat es nie eine Erweckung gegeben, alles kam jeweils von der Obrigkeit‘ – und Bonhoeffer schwieg.“ Mit Sicherheit nicht aus Mangel an Gegenargumenten!

1 NL A 53,2: masch. Hektographie (wahrscheinlich Abschrift durch Albrecht Schönherr von B’s hsl. Ms [verschollen]); Abdruck: GS IV 391–399 und PAM 11 16–24. Die Predigt wurde am Sonntag Exaudi, 2. 6. 1935, in der Dorfkirche Zingst gehalten. Die Seminaristen hatten den Dorfpfarrer um Überlassung des Gottesdienstes gebeten. Am 2. 6. 1935 schrieb Gerhard Vibrans (vgl. Briefedition „So ist es gewesen“, 159) an seinen Vater: „Heute hat nun Bonhoeffer eine wunderbare Predigt gehalten, d.h. es war in Praxis ein rechter Bekenntnisgottesdienst oder noch besser: Bittgottesdienst. … Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten ist nun kein guter Gottesdienstbesuch, wir stellten ein wesentliches Kontingent. Trotzdem war der Eindruck groß. … die Leute (wir selbstverständlich) haben alle zugehört. Als die berühmten 19 hessischen Pfarrer usw. [Abkündigung der Namen verhafteter Pfarrer] kamen, kam eine Bewegung in die Kirche. Eine Frau vor mir schüttelte ihren Kopf, anderer bemächtigte sich so eine Erregung, daß sie ihr Taschentuch hervorholten. … Daß dann noch im Schlußgebet ausdrücklich für Pfarrer im Konzentrationslager und im Gefängnis gebetet wurde, machte sichtlich einen tiefen Eindruck. Welche Gefühle mag der arme BDM [„Bund der Mitte“]-Pastor gehabt haben, der das alles miterlebte. Die Gemeinde kann ja doch nun fragen: Warum sagst Du uns nichts davon? Und die Gegenseite wird mobil machen und sagen: Wie konntest Du diesen Landesverräter auf deine Kanzel lassen?“ Vgl. I/3 das polizeiliche Vernehmungsprotokoll vom 6. 6. 1935.

2 Vgl. Act 17,23.

3 Am 30. 9. 1935 notierte Eberhard Bethge (NL 8/18 Seite 61) bei B’s Bergpredigtauslegung zu Mt 7,7 („suchet, so werdet ihr finden“): „Augustin: ‚Du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht schon gefunden hättest.‘ “ Vgl. DBW 4 (N), 182.

4 EG.BP 216, EKG 287 (Martin Moller 1596) Strophe 1. Diese wie alle folgenden Liedstrophen wurden jeweils nach Kurzauslegung und Gebet von der Gemeinde gesungen.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

5 Vgl. I Kor 13,12.

6 Strophe 2 des geistlichen Liedes von Gustav Knak „Laßt mich gehn, laßt mich gehn, daß ich Jesum möge sehn“ EG.BP 581.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

7 Anklang an M. Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae. 1520 (WA 6, 511,37 f): „Hic homo est deus, hic deus est homo.“ („Dieser Mensch ist Gott, dieser Gott ist Mensch.“) Siehe auch DBW 4 (N), 241.

8 EG.BP 196, EKG 249 (Georg Weißel 1623) Strophe 1.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

9 EG.BP 108, EKG 217 (nach Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf 1725/1753) Strophe 1. Am 5. 8. 1936 im Olympiade–Vortrag erhob B gegen das Lied erhebliche theologische Bedenken, s. II/21 S. 718. Für den Gemeindegottesdienst am 2. 6. 1935, dem ersten mit dem Seminar, wählte B aus diesem Lied und geistlichen Volksliedern wie „Laßt mich gehn“ und „Wie mit grimmgem Unverstand“ Strophen aus. Vgl. DB 508 und 506: „Bonhoeffer wehrte der Verwechslung der Kanzel mit einem Katheder“ und vermittelte „einen Instinkt für den Sachverhalt des Gottesdienstes“.

10 EG.BP 222, EKG 297 (Paul Gerhardt 1653) Strophe 1.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

11 EG.BP 320, EKG 320 (Johann Matthäus Meyfart 1626) Strophe 1.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

12 Strophe 4 des geistlichen Liedes von Johannes Daniel Falk „Wie mit grimmgem Unverstand“ EG.BP 558.

13 Vgl. Röm 8,28. An diesen Vers erinnerte B dann auch in der Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 „Nach zehn Jahren“ DBW 8 (WEN 20: Gott braucht „Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen“).

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

14 EG.BP 251, EKG 232 (Paul Gerhardt 1653) Strophe 1.

15 EG.BP 161, EKG 140 (Nikolaus Selnecker 1572) Strophe 1.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

16 EG.BP 98, EKG 209 (Johann Heermann 1630) Strophe 1.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

17 Strophe 6 des Liedes „Jesu, meine Freude“ EG.BP 198, EKG 293 (Johann Franck 1653).

1 NL A 43,17: hsl., Fotokopie (Ms bei Elisabeth Bornkamm); Abdruck: GS V 561–568 und PAM II 25–32. Die Predigt wurde am 5. Sonntag nach Trinitatis, 21. 7. 1935, im Predigerseminar Finkenwalde gehalten. Im Ms steht der zusammenhängende Sacharja–Text (LB) der Predigt nicht voran.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

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2 Teile aus den Strophen 6 und 7 des Liedes „Hüter, wird die Nacht der Sünden nicht verschwinden?“ EG.BP 180, EKG 266 (Christian Friedrich Richter 1704). Vgl. II Kor 3,13–16 zu Ex 34,33.35 („Decke“).

3 Ersetzt wohl: „Sünde“.

4 Vgl. Luthers Übertragung des griech. Wortes „Evangelium“ in der Vorrede auf das Neue Testament. 1522 (WA.DB 6, 2,23 f).

5 Ersetzt: „ausgekämpft“.

6 Vgl. Apk 2,7 u. ö. („Wer Ohren hat, der höre“).

7 Vgl. Esra 2,2 u. ö. (Jesua), dazu B’s Bibelarbeit über den Wiederaufbau Jerusalems 21. 4. 1936 III/13 S. 935.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

8 Vgl. die Anspielung („ ‚Denn auch die Dunkelheit muß Licht sein vor dir‘, sagt der Psalm“) wohl auf Ps 139,12 in B’s Bußtagspredigt zu II Kor 5,10 in London am 19. 11. 1933 DBW 13, 322.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

9 Ersetzt: „Satan und Gott, der Herr“.

10 Ersetzt: „Gott“.

11 Gestr.: „sei nicht satanischer als du sein darfst“.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

12 Gestr.: „deren Haupt er ist“.

13 Ersetzt: „verschiedenen Motiven unsere Arbeit an der Kirche getan wird“.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

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[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

14 Ersetzt: „er hat sie auf sich genommen und uns [nicht gestr.:] freigesprochen“.

15 Ersetzt: „durch die uns Gott als rein ansieht“. Vom ‚Bekleiden‘ – bzw. „Christus anziehen“ (Gal 3,27) – sprach B in den Finkenwalder NT–Vorlesungen seit dem zweiten Kurs 1935/36, s. II/8.2 („Sichtbare Kirche im Neuen Testament“) S. 436 und DBW 4 (N), 233.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

1 NL A 53,11: hsl.; Abdruck: PAM II 137 f. Undatiert, mögliche Abfassungszeit Sommer 1935. Vielleicht Skizze einer Wochenschlußandacht zu Prov 3,27–35. Im Ms ist der Text nicht zitiert, in LB Vers 28 mit Bleistift angestrichen.

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

2 Vgl. Prov 3,5 („verlaß dich nicht auf deinen Verstand“).

3 ‚Lebenserfahrung‘ ist hinzugefügt; vgl. etwas weiter unten: Lebens- im Gegensatz zu Gottesund Christuserfahrung.

4 Nachträgliche Hinzufügung am oberen Ms–Rand.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

5 Dieser Satz ist Randbemerkung neben dem folgenden Satzanfang (Gottes Hilfe kommt, wenn sie gebraucht wird).

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

6 Durch Zusatz verändert aus: „Nicht–ernstnehmen des Todes“.

7 „Jede Bitte … sterben?“ ist Randbemerkung.

8 Vgl. DBW 5 (GL), 78 f und DB 491 (Finkenwalder Regel).

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

f folgende Seite bzw. folgender Vers

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

1 NL A 51,8: hsl., undatiert, mögliche Abfassungszeit Sommer 1935; Abdruck: GS IV 448 f und PAM II 113–115. Nicht alle Unterstreichungen (sie sind zum Teil doppelt) werden wiedergegeben. Zur in Finkenwalde geübten Beichtpraxis vgl. DBW 5 (GL), 93–102 und DB 532 f.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

2 LB: „… dem wird nicht gelingen“; B hat mit Bleistift den Vers angestrichen und „es“ eingefügt. In der Skizze ist der Spruch nicht zitiert.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

3 „zum Verkläger der Brüder werden“ und „zum Verkläger des Schöpfers“ sind Zusätze.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

1 NL A 52,2: hsl., ohne Überschrift, ohne Datum, aber wahrscheinlich (da voller Erwägungen für den Tagesbeginn im gemeinsamen Leben des Seminars) im Sommer 1935 entstanden; Abdruck: GS IV 290–293 und PAM II 185–189. Im Frühjahr 1936 lag das Ms der Ausarbeitung der „Anleitung zur täglichen Meditation“ zugrunde, s. III/14. Vgl. 1938 DBW 5 (GL), 35–38 (Tagesanfang), 70–75 (Schriftmeditation) und 38–56 (gemeinsame Morgenandacht).

2 Doppelt unterstrichen. Vgl. DBW 3 (SF), 45 f „Der Tag“ (zu Gen 1,4 f).

3 Stichworte und Bibelstellen notierte B sich als Merkpunkte für die Weiterarbeit (ähnlich z. B. II/22.2 seine Notizen 1936/37 zu den Lasterkatalogen). Die Angaben „[Ps] 55,18 (!) 73,14“ und „Am 4,4 5,8“ sind gestrichen.

4 Ersetzt: „Über den heutigen Tag hinaus sorgen zu wollen, hat Jesus uns verboten.“

5 Ersetzt: „oder in Unglauben zu versinken“.

6 Ersetzt: „Gnade“.

7 Ersetzt: „Gemeinde“; der Teilsatz ersetzt: „Früh am Morgen kommt Gott seiner heiligen Stadt, der Kirche, zu helfen.“

f folgende Seite bzw. folgender Vers

8 Vgl. Mk 16,2–6.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

9 „und Sorgen“, vielleicht gestr., ist Zusatz.

10 LB: „mit Sorgen“; „mit Tränen“ steht auch DBW 5 (GL), 38.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

11 Vgl. I/119 S. 237 in B’s Brief an Karl Barth 19. 9. 1936 („Was soll daran wirklich gesetzlich sein, daß ein Christ sich anschickt zu lernen, was beten ist“).

12 Ersetzt: „Treue“.

13 Ein früherer gestr. Beginn dieses Absatzes fuhr fort: „ist eine ernste und oft schwere Sache.“

14 Ersetzt: „zum Hören des Wortes“.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

15 Ersetzt: „denn das ist das Amt, zu dem er gesetzt ist“. Vgl. Bethges Mitschrift am 9. 12. 1935 zu Act 6,4, s. II/28 S. 822 Anm. 15: „προσευχή bezeichnet … längere Gebetszeit, Dienst an der Gemeinde, der nicht von jedem getan werden kann. … Weil die Gemeinde Kräfte empfängt …, die es ohne Gebet nicht gibt … Wortverkündigung und Gebet gehören nach NT also wohl inniger zusammen als Wortverkündigung und Diakonie.“

16 So wurde es in der Meditationspraxis des Seminars die ganzen Jahre über gehalten. In den Finkenwalder Rundbriefen wurden die Schriftabschnitte regelmäßig mitgeteilt.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

17 Im Ms eingeklammerte Leerstelle. „Achte deine Seele hoch“ notierte B im Herbst 1940 für sein geplantes „Ethik“–Buch, s. Zettelnotizen 56 f (Nr. 50).

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

18 Ersetzt: „bevor wir mit Freude und Gewißheit“.

19 Vgl. 21. 11. 1943 DBW 8, 197: „Ich habe die Anweisung Luthers, sich ‚mit dem Kreuze zu segnen‛ bei Morgen- und Abendgebet ganz von selbst als eine Hilfe empfunden. Es liegt darin etwas Objektives, nach dem man hier [in der Haft] besonderes Verlangen hat.“

20 Ersetzt: „kleiner“.

1 NL B 22 Seite 10–12: Mitschrift von Eberhard Bethge am 28. 9. 1935. B’s Auslegung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung der Judenfrage auf der ApU–Bekenntnissynode in Berlin–Steglitz 23.–26. 9. 1935. Nach einem Beschluß der Synode war die weitere Behandlung dieser Frage an den Reichsbruderrat verwiesen; vgl. DB 558. Intern wurde B bzw. dem Finkenwalder Seminar der Auftrag erteilt, ein theologisches Gutachten für den Reichsbruderrat (für eine in Aussicht genommene Reichssynode zur Judenfrage) vorzubereiten. Dies geht aus Gerhard Vibrans’ Brief an seine Eltern 5. 10. 1935 hervor. Die Datierung in Bethges Mitschrift zeigt, daß B diese Aufgabe unmittelbar nach der Rückkehr aus Berlin in Angriff nahm.

2 Vgl. Röm 9,3.

= Zeichen für Gleichsetzung

3 Dt.: „Same“, „Nachkommenschaft“; vgl. Röm 9,7–9.

4 In Röm 9,7 ist Gen 21,12 zitiert: „in Isaak soll dir der Same genannt sein“.

5 Anspielung auf Luthers Erklärung der Taufe im Kleinen Katechismus BSLK 516 („Zum dritten“): „Wasser tut’s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, so mit und bei dem Wasser ist“.

6 Vgl. Röm 9,3.

usw. und so weiter

7 Vgl. Röm 9,4.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

8 Im Ms „Gaben“ gestr.

9 Vgl. Röm 9,8.

10 Dt.: „Nachkommen Abrahams“, Röm 9,7.

11 Lk 19,9 (Zachäus).

ff folgende Seiten bzw. folgende Verse

12 Substantiv fehlt im Ms. Vermutlich: „Wille“; vgl. Röm 9,18 („So erbarmt er sich nun, welches er will, und verstockt, welchen er will“) und später im Ms („Verstockung: 1. Gottes Wille“).

vgl. vergleiche

13 Dt.: „von dem Berufenden“.

14 Vgl. Röm 11,1: Paulus.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

15 Vgl. Röm 11,7.

16 Vgl. Röm 11,2–4 (Zitate aus I Reg 19,10.14.18 über Elia); 9,27 ὑπόλειμμα („Überrest“).

17 Anspielung auf die Gestalt des Knechtes Gottes bei Deuterojesaja in den „Gottesknechtsliedern“, auf deren Hintergrund B offenbar die Bedeutung und Sendung Israels betrachtete. Vgl. II/3.6 B’s Predigtentwurf 1935 zu Jes 53.

18 Im Ms schließt an das Fragezeichen ein Pfeil an, der auf den folgenden Satz deutet. Vgl. den vorigen Absatz („Stellvertretungsgedanke bleibt“).

19 Im Ms: „†“.

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20 Vgl. Röm 11,23 („abgehauen“) und Röm 11,24 („wie viel mehr“).

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21 Dt.: „Geheimnis“.

22 Dt.: „Feinde“.

23 Anspielung auf den Verrat des Judas, vgl. Mt 26,45–50 (zu diesem Text predigte B am 14. 3. 1937, s. III/18).

1 NL A 52,1: hsl.; diese Fassung kommt hier zum Abdruck (Ersetzungen und Streichungen werden in Auswahl dokumentiert). Die Bibelarbeit wurde in Finkenwalde 8.–11. 10. 1935 mit der Bruderschaft Pommerscher Vikare gehalten. In Junge Kirche 4 (1936) erschien sie in den Heften 2 (64–69), 4 (157–161) und 5 (197–203) in leicht überarbeiteter Form (= JK). Die Einteilung in JK in „erste“, „zweite“ und „dritte Stunde Bibelarbeit“ entspricht den Teilen I–III im Ms. Das der Veröffentlichung in JK zugrundeliegende Typoskript, wahrscheinlich von einem der Kandidaten nach dem Ms angefertigt, ist verlorengegangen. Nicht alle Modifikationen (und Entzifferungsirrtümer) in der Druckfassung werden im folgenden erwähnt. Abdruck der JK–Fassung: GS IV 294–320 (dem entspricht die Innenpaginierung) und PAM II 189–215.

2 Für das Ms existiert ein Deckblatt, das auf Vorder- und Rückseite hsl. Erläuterungen von B enthält. Vorderseite: „Eine Anleitung für den Christen, den Prediger und den Unterrichtenden zum rechten Lesen der Samuelisbücher soll hier gegeben werden. Nur in Umrissen kann das geschehen. Es ist zugleich ein praktisch–exegetischer Beitrag zum Problem Christus im Alten Testament. [Im Anschluß an das Buch von Wilhelm Vischer „Das Christuszeugnis des Alten Testaments“ I (1934) war die Diskussion um das angemessene Verständnis des AT für christliche Predigt neu entbrannt.] – 3 Stunden Bibelarbeit mit der Bruderschaft der pommerschen Bekenntnisvikare.“ (Mit diesem Text, etwas gekürzt, beginnt in JK „Die erste Stunde“.) Rückseite: „1. Der Gott des A. T. ist der Vater Jesu Christi. Der in Jesus Christus menschgewordene Gott ist der Gott des A. T’s. Es ist ein dreieiniger Gott. 2. Das A. T. muß von Menschwerdung und Kreuz, d. h. der uns gegebenen Offenbarung her gelesen werden. Sonst bleiben wir im judaistischen oder heidnischen Verständnis des A. T. 3. Die Menschen und Geschichten des A. T. sind nicht moralische Vorbilder, sondern Zeugnisse von der Erwählung und Verheißung Gottes. Gottes freies, gnädiges und zorniges Handeln mit seinem Volk, nicht moralische Exempel bezeugt das A. T.“

3 JK als Anmerkung: „Theologische Vorbemerkung: Das neutestamentliche und prophetische Zeugnis von David.“ In dieser Anmerkung stehen in JK die folgenden 5 Punkte der „Vorbemerkung“.

4 JK: „Stammbäume“.

5 Gestr. (aber in JK): „gerade“.

6 JK: „reinen“.

7 Dieser Satz – er steht auf einem beigelegten Blatt – ersetzt eine Streichung im ursprünglichen Ms, die beginnt: „Gott hat den fleischlichen Samen Davids erwählt, aber so daß seine Wahl und Verheißung gerade darin sich erweist, daß es eben am fleischlichen Samen nicht liegt [ersetzt: „Es liegt nicht am fleischlichen Samen, sondern an der Verheißung Gottes. Nach der Verheißung war David der Vater Jesu Christi (wie nach der Verheißung Abraham der Vater Isaaks war)“] …“.

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8 Gestr.: „hat er ‚zuvor gesehen‘ “.

9 JK: „wirklich“.

10 „wieder“ fehlt in JK.

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] Hinzufügungen der Herausgeber

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11 JK: „Christus war wirklich in den Worten Davids gegenwärtig.“ Das Satzende („wie ja auch Jesus …“) fehlt in JK.

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] Hinzufügungen der Herausgeber

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[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

12 „geschichtlichen, einmaligen“ fehlt in JK.

13 Im Ms folgen zwei Zeilen (beginnend mit: „Alte Dogmatik unterschied …“), nicht gestr., auf einem Blatt „1 (4) a“ ersetzt. Im Ms (auf der 4. Seite des 1. [gefalteten] Bogens) kein Hinweis auf die Ersetzung.

14 Dt.: „das Erste“; JK: „Ursprüngliche“.

15 Das griech. Wort ist im Ms, wie bei B oft, akzentlos geschrieben; es wird von B selbst erläutert. JK: „ist das Himmlische, das Von–oben–her“.

16 Gestr.: „das von der Welt.“

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[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

17 Ersetzt: „ ‚Vorbild‘, Beispiel ist David für Christus“. JK: „ist David, sofern in ihm Christus vorgebildet ist“.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

18 Ersetzt: „Prius“.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

19 JK: „besondere“.

20 Ersetzt war: „Alte Dogmatik unterschied zwischen Real- und Personaltypen. David zu letzteren.“ Die Differenzierung findet sich genauestens ausgeführt auf dem Höhepunkt der Tradition typologischer Auslegung des AT bei dem reformierten Dogmatiker Johannes Coccejus.

21 Ende der Ersetzung auf Blatt „1 (4) a“.

22 In JK fehlt das im Ms zugesetzte „als Vorbild … Christi“.

23 Im Ms ist Vers 69 angegeben.

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24 JK zusätzlich: „durch den Mund Jesu“.

25 Gestr.: „Nichts wissen wir von Jesus bevor er getauft wird, erfahren wir bei Mk“ [nichts vor Mk 1,9]. „Was bei Jesus die Taufe ist, ist bei David die Salbung“.

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26 Ersetzt: „der Übermacht“.

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27 JK zusätzlich: „und Berufung“.

28 Vgl. Mt 26,55.

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29 Ersetzt: „immer wieder erkennen“; LB Kopfzeile zu I Sam 26,21: „Saul bekennt sein Unrecht.“

30 JK (Entzifferungsirrtum): „erheitern“.

31 I Sam 18,11; 19,10.

32 Vgl. I Sam 21,11–16 und 27,1–12.

33 Anspielung auf Mt 8,20.

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34 JK: „als der natürliche Thronerbe“.

35 Gestr.: „er erkennt gegen die Natur, daß der Geist auf David ist und er der messianische König.“

36 JK: „dieser“.

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37 JK: „härter“.

38 JK: „spricht“.

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39 JK (Entzifferungsirrtum): „zwingt“.

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40 Eingeklammert und gestr.: „David behält immer ein Herz, das an unrecht vergossenem Blut schwer trägt. Abner!“ Vgl. II Sam 3,28–37.

41 Gestr.: „zuerst“.

42 „Israel“ und „um der Kirche willen“ sind spätere Zusätze.

43 Ersetzt: „um zu herrschen“.

44 Anspielung auf Mt 20,28.

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45 Ersetzt: „wird sich der Tempel Gottes erheben“.

46 „das Zelt … Wanderschaft“ ist später zugesetzt; vgl. II Sam 7,6. JK: „war das Zelt das Zeichen der Wanderschaft Israels“.

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47 Vgl. Mk 11,9.

48 Im Ms folgt eine längere Streichung (David will „dem Gott, der in einem Zelt wohnt, einen Tempel bauen …“), durch das Folgende ersetzt.

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49 JK: „Er folgt dem Propheten“.

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50 JK: „Es ist Salomos Wort“.

51 Gestr.: „Jetzt gab Gott mir Ruhe“, s. I Reg 5,18 LB Hauptzählung (Nebenzählung: 5,4).

52 Gestr.: „Salomo: sein Name!“ Namenserklärung in DBW 4 (N), 237: „Salomo, der ‚Sohn des Friedens‘ Gottes mit dem Hause David“.

53 LB Nebenzählung.

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54 Von Kirche als dem Ort Gottes in der Welt hatte B in der Vorlesung „Das Wesen der Kirche“ im Sommersemester 1932 DBW 11, 247 f, gesprochen.

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55 Gestr.: „zu finden, was du suchst“.

56 „den“ ist zugesetzt.

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57 Gestr.: „und Gottes“.

58 Vgl. die von B in seiner Dissertation DBW 1 (SC) und Habilitationsschrift DBW 2 (AS) gebrauchte Formulierung „Christus als Gemeinde existierend“ und ihre Weiterführung in DBW 4 (N), 234 im Kapitel „Der Leib Christi“.

59 Vgl. II Sam 7,14 („Missetat“ tun).

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60 JK: „ausgezeichnet“.

61 JK: „erst recht“.

62 Randglosse zu II Sam 7,19 in: WA.DB 9 I, 319.

63 Vgl. Lk 2,4.

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64 Ersetzt: „Die Ursache seiner Sünde ist seine Sicherheit“.

65 Dt.: „Sicherheit“ (Vertrauen auf das Erreichte, auf den inneren Besitz) statt „Gewißheit“ (stets neues Sich–bergen in Gottes Verheißung); Formel aus der reformatorischen Rechtfertigungslehre – nur hier ist die tiefe Gegensätzlichkeit der beiden Begriffe erkennbar. Vgl. DBW 4 (N), 30 („securus“).

66 Ersetzt: „dessen Ruf keine falsche Sicherheit duldet“.

67 JK: „Diese müßigen Tage“.

68 Ersetzt: „falsche“.

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69 Zum ‚Sündigen auf Gnade hin‘ vgl. DBW 4 (N), 38 f.

70 Ersetzt: „Werden wir untreu“. Die Luther–dt. „Nestle“–Übersetzung von εἰ ἀπιστοῦμεν: „glauben wir nicht“; so auch in der Fassung JK.

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71 II Sam 12,7.

72 Zu ‚Sonderrecht‘ vgl DBW 4 (N), 180.

73 JK (Entzifferungsirrtum): „Leiden“.

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74 Ersetzt: „gezüchtigt durch den, der das Schwert trägt, durch [gestr.: „die“] weltliche Gewalt.“

75 Ersetzt: „weltlicher Gewalt“.

76 JK (Entzifferungsirrtum): „seine Straftat an dem Haus David“. Vgl. II Sam 12,10 a.

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77 Vgl. Mt 26,24 (Judas).

78 Gestr.: „von außen“.

79 JK: „so im Munde Nathans“.

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80 Vgl. Ex 20,5; Dtn 5,9.

81 JK (Entzifferungsirrtum): „Vollstreckung“.

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82 Gestr.: „die Versöhnung mit Gott“.

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83 Dt. LB: „in der Gestalt des sündlichen Fleisches“; wörtlich: „in der Ähnlichkeit“.

84 JK (Entzifferungsirrtum): „zugleich“.

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85 Vgl. Röm 6,23.

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86 Anspielung auf Hebr 13,12.

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87 Gestr.: „Joh 18[,1 ]“. JK: „über den der Sohn Davids in der Nacht vor seiner Kreuzigung ging, als er sich anschickte, die Strafe der Welt zu tragen draußen vor dem Tor (Hebr. 13,12).“

88 Mit Bleistift verändert aus: „Gottes Strafe“ (hier und öfters im Ms Markierungen schwer leserlicher Stellen, offenbar vom Abschreibenden). JK: „Er trägt das Strafleiden seines Hauses“.

89 Ersetzt: „Er kann Gott nicht zwingen“.

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90 Vgl. I Sam 26,8 (die frühere Versuchung durch Abisai). JK statt „Wieder“: „Zum zweitenmal“.

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91 JK irrtümlich: „Versöhnte“.

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92 JK zusätzlich: „in dunkler Weise“.

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93 JK statt „ist die Bekundung“: „bezeugt“.

94 Verändert aus: „Reich“ (so in JK).

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95 Der ganze Abschnitt („Kapitel 24 … Kapitel 7 an“) erscheint in JK als Anmerkung.

96 JK: „fleischlich (1. Kön. 1,1 ff[–4] erzählt.“ Die Stellenangabe steht statt des im Ms folgenden Teilsatzes („… Abisag von Sunem …“).

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97 LB: „des Herrn Werke verkündigen“. – In der Stuttgarter Zeitung „Durchbruch“ erschien am 26. 3. 1936 folgende Reaktion („Das Lob Judas im Dritten Reich“) des Journalisten Friedrich Imholz: „Die ‚Junge Kirche‘ (Bekenntnisfront) Heft 4, 15. Februar 1936, bringt einen längeren Artikel, dessen Überschrift lautet: ‚König David. Die zweite Stunde Bibelarbeit. Der messianische König. Die zweite Salbung Davids‘ (als Kapitelüberschrift). Die Fußnote sagt uns: Fortsetzung der drei Stunden Bibelarbeit, gehalten mit der Bruderschaft pommerscher Vikare. Der Aufsatz beginnt: ‚Der göttlichen Salbung durch Samuel folgt eine zweimalige Salbung durch die Männer von Juda (2. Sam. 2,4), dann durch die Ältesten in Israel (2. Sam. 5,3) …‘ usw. Unser Papier ist uns zu lieb, das widerwärtige Geseire um den König David (dessen Handlungsweise übrigens zweifellos gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstößt [Formulierung nach Punkt 24 des Parteiprogramms der NSDAP von 1922]), hier abzudrucken. Der Schlußabsatz aber ist mehr als bezeichend: [Abdruck des Absatzes zum Ende von II Sam 7 im Fettdruck], V. 23 ff.: Das Volk Israel wird das Volk Gottes bleiben in Ewigkeit, das einzige Volk, das nicht vergehen wird, denn Gott ist sein Herr geworden, Gott hat in ihm Wohnung genommen und sein Haus gebaut. Die Kirche, das wahre Israel, ist verheißen. Wie sollte David das Bekenntnis seiner Demut und des Dankes anders enden als mit der Bitte, Gott wolle sein Wort bekräftigen in Ewigkeit, Er wolle tun, wie Er geredet hat. Er wolle seinem Volke, seiner Kirche treu bleiben. Finkenwalde (Pommern) Lic. Dietrich Bonhoeffer.‘ Der Anfang des Schlußabsatzes (V. 23 ff.) tritt für den Leser nicht genügend hervor, so daß man den Eindruck leicht bekommen kann, die Worte seien Worte des Verfassers. Und wenn man auch diesen Eindruck nicht bekommt, so ist der zusammenfassende Schlußgedanke die Verherrlichung des Ehebrechers Seine Majestät David, König von Jahwes Gnaden! Aus diesem Artikel ist wohl klar zu erkennen, was dieser Bekenntnispfarrer Bonhoeffer vom Grundgedanken des nationalsozialistischen Aufbruchs hält: nämlich vom Rassegedanken. Ob es nicht angebracht ist, daß man sich mit der ‚Bibelarbeit‘ einer solchen ‚Bruderschaft‘ von Vikaren befaßt? Es gibt vieles, was harmlos zu nennen ist gegenüber solchen Vertretern einer orientalischen Glaubenslehre, welche den Weltfeind Juda noch im Jahre 1936 als das ‚ewige Volk‘, das ‚wahre Adelsvolk‘, das ‚Gottesvolk‘ hinzustellen sich erdreistet.“ Nach der Lektüre des Artikels schrieb B an Eberhard Bethge am 8. 8. 1936, s. I/107: „Ich kam aus dem Lachen kaum heraus … ein wüstes D.C. Organ.“

1 NL A 51,1: masch. Hektographie, Beilage zum 3. Finkenwalder Rundbrief 14. 12. 1935; Abdruck: GS IV 399–406 und PAM II 32–39. Die Predigt wurde am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, dem 17. 11. 1935, in der Notkirche des Predigerseminars Finkenwalde gehalten (Tagebucheintragung von Friedrich Trentepohl). Die Seminaristen hatten die Turnhalle des ehemaligen Pädagogiums zur Kapelle umgestaltet; vgl. DB 490 und Bildband 145. In der Rundbriefbeilage steht der Mt–Text („Nestle“ Luther–dt.) der Predigt nicht voran.

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2 In der Rundbriefbeilage: „euch“ (in B’s dt. Handschrift sehen „mich“ und „euch“ ähnlich aus).

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3 In der Rundbriefbeilage: „seinen Brüdern“.

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1 NL A 43,18: hsl., Fotokopie (Ms bei Elisabeth Bornkamm); Abdruck: GS V 568–576 und PAM II 39–47. Die Predigt wurde am Totensonntag, dem 24. 11. 1935, in der Finkenwalder Notkirche gehalten (Tagebucheintragung von Friedrich Trentepohl). B’s Veränderungen in seinem Ms werden in Auswahl dokumentiert. Im Ms steht der zusammenhängende Apk–Text („Nestle“ Luther–dt.) der Predigt nicht voran.

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2 Dieser Absatz ersetzt: „Vom Tod reden heißt von diesem Geschehen, [u. L.:] geheimem Leben, am Ende reden, dem wir nicht entgehen, von den Bildern und Gesichten, die Johannes sah und die wir auch einmal sehen werden.“

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3 Ersetzt: „wie wir Tag für Tag lesen“.

4 Ersetzt: „das Evangelium von Jesus Christus als dem Helfer und Heiland in unserer Not und Sünde“.

5 Ersetzt: „mißachtet“.

6 Ersetzt: „und seiner Welt“.

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7 Dieser Satz ist Randnotiz.

8 „Wonach … Evangelium“, mit Bleistift geschrieben, ersetzt die mit Tinte geschriebenen, mit Bleistift dünn gestrichenen Sätze: „Und dies Gericht ist das Evangelium selbst. Das ewige Evangelium ist der Richter über alle Menschen. Gott wird uns im Gericht nur nach dem einen fragen“.

9 Mit Bleistift gestr.: „und vor diesem Gericht wird das Größte gering werden“.

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10 Die beiden letzten Sätze, mit Bleistift geschrieben, sind ein Zusatz am Rand.

11 Ersetzt: „unwiderstehlich“.

12 Anspielung auf Gen 11,1–9. Gestr.: „die Gott dem Herrn trotzt und selbst Herr sein will“.

13 Ersetzt: „den Schöpfer und Richter“.

14 U. L.

15 Ersetzt: „gesehen haben … eingetreten sein“.

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16 Vgl. den durch Visser ’t Hooft überlieferten Ausspruch B’s im September 1941, s. DB 834: „… ich bete für die Niederlage meines Landes“.

17 Ersetzt: „fast“.

18 U. L.

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19 Zusatz gestr.: „ungeduldiges“.

20 Ersetzt: „in aller Anfechtung“.

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21 Vgl. hiermit die späteren Ausführungen über den Tod aus dem ersten Rundbrief an die ehemaligen Seminaristen im Krieg am 20. 9. 1939 DBW 15, 271: „… daß es uns geschenkt wird, daß uns der Tod von außen erst antrifft, wenn wir durch diesen eigenen Tod für ihn bereit gemacht sind, das darf unser Gebet sein“.

22 Ersetzt: „ob in der Stille der Einsamkeit“.

23 Gestr.: „– dann werden wir das ewige Evangelium sehen.“

24 Das angedeutete Zitat von Vers 13 b ist oben auf der letzten Ms–Seite zugesetzt, auf der der Text mit „und dann wird Ruhe sein …“ beginnt.

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25 Vgl. Mt 6,3.

26 Gestr.: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben …“.

27 Ersetzt: „gib uns ein seliges Ende mit dem Bekenntnis zu dem Herrn Christus“.

1 NL A 53,8: hsl., undatiert, wahrscheinlich für eine Andacht 1935 mit den Mitgliedern des Bruderhauses, die über Weihnachten mit B in Finkenwalde blieben, s. DB 573 f. Zum Magnificat Lk 1,46–55 hatte B in London gepredigt am 17. 12. 1933 DBW 13, 338–343.

2 So übersetzt die Vulgata κεχαριτωμένη in Lk 1,28.

3 Irrtümliche Reihenfolge statt: Johannes vor Jesus; vgl. Mt 3,11–15.

4 I Sam 2,1–10.

5 Jdc (Richter) 5.

6 Ersetzt: „den Preis“.

7 ταπείνωσις („Niedrigkeit“) wird von der Vulgata mit humilitas („Demut“) übersetzt.

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8 Im Ms: „s. K.“; „K.“, B’s Kürzel für „Kirche“, könnte an dieser Stelle vielleicht als „Knecht“ gelesen werden, vgl. Vers 54 „Nestle“: „… hilft seinem Diener Israel auf“.

1 NL A 51,11: Familiensonderdruck M. L. G. Eisemann, Berlin Steglitz; Abdruck: GS IV 456–460 und PAM II 48–52.

2 Strophe 1 aus Martin Luthers Sterbelied von 1524 EG.BP 304, EKG 310, leicht verändert.

3 Zu „… aber sie sind im Frieden“, Weisheit Salomos 3,3 b, predigte B in London am 26. 11. 1933 (Totensonntag) DBW 13, 325–331.

4 EG.BP 317, EKG 320 (Johann Matthäus Meyfart 1626) Strophen 1 und 2.

5 Ps 90 wurde im Hause Bonhoeffer regelmäßig bei den Feiern zum Jahreswechsel vorgelesen, s. DB 574.

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6 Julie Bonhoeffer lebte seit 1924 im Haus ihres Sohnes in der Wangenheimstraße 14, Berlin-Grunewald, s. DB 33.

7 DB 574: „Nach Weihnachten [1935] erkrankte die Großmutter Bonhoeffers an einer Lungenentzündung“.

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8 Wie sie gerade das Leben Dietrichs begleitet hatte, zeigt der langjährige Briefwechsel mit ihm; vgl. I/32 (ihren Brief an B 24. 10. 1935).

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9 Vgl. ihren mutigen Protest gegen den Boykott jüdischer Geschäfte am 1. 4. 1933, s. DB 31.

10 Wegen dieser Worte weigerte sich ein anwesender Vetter, der einen hohen Staatsposten bekleidete, nach der Trauerfeier, B die Hand zu geben, s. DB 574.

11 Das ‚nicht‘ steht in GS IV 459. Vgl. am Anfang dieses Abschnitts („… versinkt uns eine Welt“) und S. 115: Der „Tod von Großmama … war doch ein starker Abschnitt. Und wir können doch aus ihrer Art für heute viel lernen.“.

12 Inschrift auf dem Grab Fritz Reuters in Eisenach, von ihm selbst verfaßt; s. F. Reuter, Sämmtliche Werke I, 35.

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13 Strophe 2 des Liedes „Nun danket alle Gott“ EG.BP 245, EKG 228 (Martin Rinckart 1636).

1 NL A 51,12: masch. Abschrift der stenographischen Mitschrift der Traupredigt in der Kirche zu Falkensee bei Berlin–Spandau am 15. April 1936; Abdruck: GS IV 460–463 und PAM II 52–55.

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2 Vgl. im Trauformular der evangelischen Kirche: „… den Bund der Ehe … heilig und unverbrüchlich halten, bis daß der Tod euch scheidet“.

3 Vgl. 1938 DBW 5 (GL), 18: „Wir gehören einander allein durch und in Jesus Christus.“

4 „müssen wir“ ist wiederholt.

5 Mt 6,33.

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6 Anspielung auf Nietzsches Wort (Also sprach Zarathustra [Teil] II, Abschnitt „Von den Priestern“): „Bessere Lieder müßten sie mir singen, daß ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müßten mir seine Jünger aussehen!“

7 I Kor 3,22 f.

8 Vgl. DBW 5 (GL), 60: „… hinter dem Es der Tagesarbeit das Du Gottes finden, das ist es, was Paulus ‚ohne Unterlaß beten‘ (1. Thess. 5,17) nennt. So reicht das Beten des Christen über die ihm zugewiesene Zeit hinaus mitten in die Arbeit hinein … zum gnädigen Du“.

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9 Als Albrecht Schönherr durch Krieg und Gefangenschaft abwesend war, hat seine Frau die Gemeinde Brüssow in Verkündigung und Seelsorge in einer Weise begleitet, daß Bischof Otto Dibelius ihm bei seiner Heimkehr 1946 sagen konnte, besser hätte auch er selber, Albrecht Schönherr, diesen Dienst nicht zu leisten vermocht.

10 Die letzten Worte des auf dem Weg in die Verbannung am 14. 9. 409 gestorbenen Kirchenlehrers Johannes Chrysostomos „Ehre [!] sei Gott für alles“ (Palladius, Vita Chrysostomi 11) hatte B ähnlich auch in der Predigt zu I Thess 5,16–18 im Zweiten Theologischen Examen am 20. 7. 1930 zitiert: „Gott sei gedankt für alles“, s. DBW 10, 574.

1 NL A 52,3 a): hsl.; diese Fassung kommt hier zum Abdruck (Ersetzungen und Streichungen werden in Auswahl dokumentiert). Dazu NL A 52,3 b): Durchschlag der von Eberhard Bethge für den Druck 1936 angefertigten Schreibmaschinenvorlage mit zahlreichen hsl. Eintragungen bzw. Verbesserungen Bethges (= EB masch.); ferner die Veröffentlichung in der Jungen Kirche 4 (1936) Heft 14, 653–661 (= JK). Abdruck der Fassung JK: GS IV 321–335 (dem entspricht die Innenpaginierung) und PAM II 216–230. Die Bibelarbeit wurde am 21. 4. 1936 auf der Freizeit für die Teilnehmer des ersten Finkenwalder Kurses gehalten. Im Sommer 1933 hatte B die gleichen Texte auf einer studentischen Rüstzeit in Hermannswerder bei Potsdam behandelt. Vgl. auch I/51 (Brief an Walter Köller 17. 2. 1936): B’s Ankündigung einer Bibelarbeit über „die Bücher Esra und Nehemia, den Wiederaufbau Jerusalems“ in Halle 22. 2. 1936. Vorausgegangen war die nicht erhaltene „Mauerbaupredigt“ am 12. 1. 1936, als die Kanzelabkündigung der BK der ApU gegen die Kirchenausschüsse (s. K. D. Schmidt, Dokumente 1935–1937, 243 f) verlesen wurde. Nach der Veröffentlichung der Bibelarbeit griff der Greifswalder Alttestamentler Friedrich Baumgärtel in seiner Schrift „Die Kirche ist Eine – die alttestamentlich–jüdische Kirche und die Kirche Jesu Christi? Eine Verwahrung gegen die Preisgabe des Alten Testaments“, Greifswald 1936 (Datum des Vorworts: 4. 8. 1936), B’s Schriftauslegung an; dem folgte ein Briefwechsel zwischen Baumgärtel und Eberhard Baumann, Mitglied des Pommerschen Bruderrats der BK. Vgl. zum Ganzen DB 597–600.

2 Ersetzt: „Gemeinde“. Vor diesem Satz gestr. Textbeginn: „Gott, der sein Volk, eine Gemeinde zerschlagen hat“.

3 Ersetzt: „der zerstörten Gemeinde“.

4 Ersetzt: „gutem“.

5 Gestr.: „dieses Wiederkommen Gottes in einer rechten“.

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6 Ersetzt: „Die Kirche Gottes in ihrem Heiligtum“.

7 JK: „oder“.

8 JK: „vielen“.

9 Ersetzt: „Schutz des Staates“.

10 JK: „all die Jahre der Gefangenschaft hindurch“.

11 Gestr. (auch in EB masch. gestr.): „Ps. 126. 137“.

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12 Vgl. Ez 7.

13 Gestr.: „etwas ganz anderes“.

14 Ersetzt: „israelitische“.

15 JK: „Erweckung“.

16 JK: „aufgezählt“.

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17 JK: „an einem Trümmerfeld zu stehen“.

18 Gestr.: „(8,31)“.

19 Ersetzt: „Als Artaxerxes später dem Esra gern ein Geleit zur Sicherheit gestellt hätte, als die Gemeinde Gottes unter dem Schutz der politischen Macht ihren Weg antreten sollte“.

20 Ersetzung durch „des Glaubens“ rückgängig gemacht.

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21 Vgl. die Auslegung von Act 2,47 in der NT–Vorlesung im vierten (und fünften) Kurs 1936/37 II/22 S. 724.

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22 JK: „in den Berichten“.

23 „denen die Listen … einzutragen hatten“ ist nachträglich zu dem Wort ‚Namensregister‘ zugesetzt; Hinweis auf die Listen in der Alten Kirche fehlt in JK. Bei B’s Vorlesung über den altkirchlichen Katechumenat im vierten Kurs notierte Erich Klapproth 1936/37, s. II/11 S. 548 Anm. 76, zur „Einschreibung in die kirchlichen Listen“ („Bedeutsam, da nach den Listen die Verfolgungen stattfanden“) den Vergleich mit der roten Mitgliedskarte derer, die sich zur BK hielten.

24 Dt.: „Kirche“; ἐκκλησία ist etymologisch abzuleiten von καλέω („ich rufe“) und ἐκ („heraus“).

25 Gestr.: „in der Bibel“.

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26 Vgl. II Sam 7 und B’s Ausführungen in der Bibelarbeit „König David“, s. III/7 S. 892 f.

27 Diese Namensform regelmäßig in den Büchern Esr und Neh.

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28 Ersetzt: „von Menschen“.

29 Dieser Satz – im Ms zugefügt – fehlt in JK.

30 JK: „des Berges Zion“.

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31 „Erster Weg“ fehlt in JK.

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32 Ersetzt: „des Staates“.

33 JK fügt hier Esr 4,2 ein: „Wir wollen mit euch bauen, denn wir suchen euren Gott gleichwie ihr.“

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34 JK: „müssen“.

35 JK: „etwas Bedeutungsvolles“.

36 In Punkt 24 des Programms der NSDAP von 1920 bekannte die Partei sich zu einem „positiven Christentum“.

37 Gestr.: „verantwortliches“.

38 JK: „bauen will“.

39 Ersetzt: „des Christentums“. JK: „Anspruch der Öffentlichkeitskirche“.

40 Vgl. Lk 14,28.

41 Vgl. Mt 10,16.

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42 B weicht vom LB–Wortlaut ab; in LB steht nicht „Jahwe“, sondern stets „HErr“ (mit zwei großen Anfangsbuchstaben).

43 Gestr.: „Die Verlockungen waren gewiß groß. Aber es geht nicht an, die Kirche zu gleichen Teilen mit den politischen Mächten zu bauen“.

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44 In JK fehlt „oder anzunehmen nach eigenem Gutdünken“.

45 Anspielung auf den von Reichskirchenminister Hanns Kerrl am 3. 10. 1935 eingesetzten Reichskirchenausschuß, mit dessen Hilfe die „Wiederherstellung geordneter Zustände“ in der Deutschen Evangelischen Kirche erzwungen werden sollte.

46 JK: „Wahrheit seines Glaubens“.

47 In JK fehlt „nur auf die Verheißunghin“.

48 Ersetzung durch „des Gehorsams“ rückgängig gemacht.

49 Zweiter Weg, vgl. S. 936 („Erster Weg“).

50 Dt.: „Widerstehe den Anfängen!“ (91. Vers von Ovids „Remedia amoris“); fehlt in JK.

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51 JK: „Durch Gewalt gehindert, ruht nun die Arbeit für einige Zeit“.

52 Neh 3,38 nach der Hauptzählung in LB, der B folgt (Nebenzählung: 4,6). Vom LB–Wortlaut weicht B leicht ab.

53 Gestr.: „sich verkleiden, sich unsichtbar machen“.

54 Anspielung auf Mt 7,15.

55 Vgl. II Kor 11,14.

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56 Vor „mußten sich schämen“ (die Worte sind oberhalb der Zeile zugesetzt): „?“; „zitterten“ (in der Zeile) ist unterpunktiert. Bei diesem Zitieren von Vers 16 weicht B vom LB–Wortlaut ab.

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57 JK: „daß die Kirche Gottes Werk ist“.

58 Esr 6,16 LB: „… hielten Einweihung des Hauses Gottes mit Freuden“.

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59 Gestr.: „große“.

60 Ersetzt: „Weil Israel ungehorsam“. EB masch.: „Gehorsam“ (Mißverständnis der Veränderung von „u“ zu „U“ als Streichung).

61 Ersetzt: „Weil Israel … abgefallen war, darum kam die Verwerfung über es.“

62 Die beiden Sätze „Aber das angebotene … erkannt“ fehlen in JK.

63 JK: „durfte die neue Gemeinde ihre Zukunft vor Gott sehen“.

64 Im Versuch, aus der Abhängigkeit von fremden Großmächten loszukommen, hatte Israel sich mehr als ein Jahrhundert lang um wechselnde Bündnispartner bemüht, bis schließlich Jerusalem 587 vor Christi Geburt von den Belagerungstruppen Nebukadnezars erobert wurde (vgl. Jer 39,1 f).

65 JK: „tributpflichtig“.

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66 Dieser Satz fehlt in JK.

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67 „als aus“ ersetzt: „wenn nicht“.

68 Irrtum; vgl. Neh 10,31 LB Hauptzählung (Nebenzählung: Vers 30).

69 Ersetzt: „ungeheuerlichen“.

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70 Ersetzt: „jedes Opfer gebracht werden muß“.

71 JK: „zwischen Gläubigen und Ungläubigen“.

72 „Aber freilich … zu bringen“ fehlt in JK.

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73 JK: „Zuletzt muß es gelten“.

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74 Zitiert ist Vers 16, hier nach LB.

1 NL A 48,2: masch. Hektographie, Beilage zum 8. Finkenwalder Rundbrief 22. 5. 1936; Abdruck: GS II 478–482. Diese Anleitung wurde am 22. 4. 1936 auf der Freizeit für die Teilnehmer des ersten Kurses vorgetragen und erläutert. Die zahlreichen hsl. Zusätze auf Eberhard Bethges Exemplar der Anleitung (= EB) sind in den folgenden Anmerkungen dokumentiert. Bethge schrieb in dem von ihm verfaßten 8. Finkenwalder Rundbrief am 22. 5. 1936: „Die Ausarbeitung über die Meditation, die Br. Bonhoeffer und ich in Friedrichsbrunn [dem Ferienhaus der Familie B. im Harz in den Osterferien 1936] im Auftrag Staemmlers für den Provinz-Sächsischen Rundbrief gemacht haben, wird Euch zu Bekanntem von neuem rufen.“ Die hier beschriebene Meditationspraxis wurde im Seminar seit den Zingster Tagen geübt. Jetzt erfolgte zum ersten Mal eine schriftliche Fixierung. Sie ging unter Eberhard Bethges Namen an die Öffentlichkeit. Zum Anteil B’s vgl. die biblische Besinnung III/5 (Der Morgen). Die Anleitung fand schnell weite Verbreitung in der BK, s. I/108 B’s Brief an Bethge 10. 8. 1936 („Asmussen schrieb, er wolle die Anleitung zur Meditation in vielen Exemplaren haben“). Andererseits übte Karl Barth Kritik, s. in seinem Brief an B vom 14. 10. 1936 I/124 S. 252 f („… ich könnte … nicht sagen, daß ich bei dieser Sache sehr glücklich war. Ich kann eben schon die grundsätzliche Unterscheidung zwischen theologischer Arbeit und erbaulicher Betrachtung … so nicht mitmachen. Und wiederum störte mich in jenem Schriftstück ein schwer zu definierender Geruch eines klösterlichen Eros und Pathos“).

2 Gerhard Vibrans hat in seine Konfirmationsbibel (im Besitz von Frau Lisa Bethge, verwitwete Vibrans) eingetragen: „Meditation ist ein Sichrüsten und Bereiten auf das letzte ‚Allein vor Gott stehen‘. Der Glaube treibt in die Gemeinschaft, um sich gegenseitig im Glauben zu stärken – zum letzten Einsamwerden. Jeder ist allein zum Tode gefordert [Anspielung auf den Beginn von Luthers erster Predigt am Sonntag Invocavit 9. 3. 1522 (WA 10 III, 1)]. Bonhoeffer am 22. IV. 36“ – während der Freizeit für die Teilnehmer des ersten Kurses in Finkenwalde.

3 EB: „Weil ich mich darin üben muß vor Gott allein sein zu können, denn ich allein stehe im Gericht vor ihm, muß allein Rechenschaft geben können und allein sagen können: ich vertraue auf Christus.“

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4 EB unter dem Wort „Pfarrer“: „Amtsträger“.

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5 EB: „biblischer Zeitbegriff: die Zeit Leihgabe Gottes an uns. Ich kann damit nicht verfahren wie ich will.“

6 EB: „Wie sollen wir Frieden in Gottes Auftrag geben, ohne ihn selbst zu suchen?“

7 EB neben „2.)“ links am Rand, gestr.: „Weil Erkenntnis meiner Selbst und meiner Umgebung“ „Weil mir das den Tag einteilt.“ Vgl. den EB-Zusatz am Textschluß.

8 EB: „Hierhin noch: Meditation soll mich selbstständig in der Schrift machen. Ich soll ohne Autoritäten damit umgehen können und Mut dazu haben.“

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9 EB: „Die freie Meditation gefährlich, weil wir drohen, mit uns allein zu bleiben. Umgang mit Gott aufgrund der Schrift. Selbsterkenntnis nur mit dem Wort. Gebet [ist] bestimmter für eine Zeit auf Grund des Wortes. Das Wort erweitert uns und begrenzt uns sehr heilsam!“ Weitere Zufügung rechts neben der vorigen: „Berneuchen da dann Rausch des Gleichtaktes, aber das Gegenüber?“ Der Name des Gutes Berneuchen (Neumark) bezeichnet auch die liturgische Bewegung der Evangelischen Michaelsbruderschaft.

10 Lk 2,19.

11 Vgl. in einer Einfügung Bethges weiter unten, s. S. 949, als Charakterisierung der Meditation: „dieser persönliche Umgang, dies Ausruhen an einer Stelle“.

12 EB: „möglichst jetzt die Stuttgarter Jubiläumsbibel. Genügend Erklärungen.“ – Links am Rand steht bei EB „Text und Gebet:“ vor dem folgenden Absatz.

13 EB Einfügung hier: „Die Fülle der Fürbitt–Gegenstände bei mir persönlich in Andacht nicht anzubringen“.

14 EB: „!!“ Vgl. III/5 (Der Morgen) S. 874 („Wir wollen nicht vergessen für uns selbst zu beten“); Zettelnotizen 56 f („ ‚Achte deine Seele hoch‘ [Jesus Sirach 10,31]. ‚Schaden an seiner Seele nehmen‘ [Mt 16,26]“). In der Haft am 5. 5. 1944 DBW 8,415 schrieb B an Bethge: „Ist nicht die individualistische Frage nach dem persönlichen Seelenheil uns allen fast völlig entschwunden? Stehen wir nicht wirklich unter dem Eindruck, daß es wichtigere Dinge gibt, als diese Frage (vielleicht nicht als diese Sache, aber doch als diese Fragel?)?“ – Links am Rand steht bei EB „Verlauf der Meditation:“ vor dem folgenden Absatz.

15 EB Einfügung hier: „Geduldig warten daß sich das Wort erschließt. Ausruhen auf einem Begriff.“ Rechts am Rand: „keine neuen Gedanken denken müssen! Und [nicht] böse werden über Fantasiearmut!“ Mit Hinweispfeil auf „Verlauf der Meditation“: „Andacht und Predigtmeditation zu unterscheiden von dieser! Hausandacht ist zu kurz, zu ausgefüllt, nicht einsam und speziell genug.“ Am oberen Seitenrand mit Zuweisungspfeil nach unten: „Nun ist es gut, für eine Zeit denselben Text zu behalten. Die Andacht ist etwas anderes als dieser persönliche Umgang, dies Ausruhen an einer Stelle. Jetzt Wochenspruchumgebung. Aber nicht allgemeine Regelungen. Initiative nicht ersticken! Wir dürfen auch die Wortbegegnungen nicht mit Organisation zustandezubringen meinen.“

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16 Meditationstexte wurden von den Mitgliedern des Bruderhauses jeweils für ca. ein Vierteljahr ausgewählt und den Ehemaligen in Rundbriefen mitgeteilt, niemals ohne die Bitte um Treue im gemeinsamen Meditieren.

17 EB: „Keine Selbstvorwürfe wegen Erfahrungslosigkeit!“

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18 Röm 8,26.

19 Vgl. Joh 5,39. EB unterhalb des Textschlusses: „Und wir haben einen geordneten Tag und einen persönlich und selbständig gestalteten Tag, dies Alleinsein befreit. Und wir haben das rechte Verhältnis zur Gemeinschaft der Gemeinde [und] zur Gemeinschaft der Welt nicht als christliches Wissen, sondern haben uns existentiell damit in der Stille befaßt. Das Gebet Fürbitte ordnet mich und meine Umgebung! Wir wissen, daß der Glaube die Stellung zur Zeitung [wohl irrtümlich statt „Zeit und“] zu den Zeitgenossen ordnet und regelt, aber erfahren tun wirs nur in solchem absichtslosem Praktizieren! Luthers drei Stunden.“ Siehe B’s Seminararbeit „Luthers Stimmungen gegenüber seinem Werk“ Sommersemester 1925 DBW 9, 284 f: „Man [Veit Dietrich im Brief an Melanchthon 30. 7. 1530] berichtet, er [Luther] habe tagsüber während der besten Arbeitszeit drei Stunden lang gebetet.“

1 NL A 51,13: hsl.; Abdruck: GS IV 463–465 und PAM II 56–58. Diese Traupredigt für Annemarie und Bernhard Riemer wurde am 18.7. 1936 in Magdeburg gehalten. Bernhard Riemer war Eberhard Bethges langjähriger Freund, s. E. Bethge, In Zitz gab es keine Juden, 51–63.

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2 Ersetzt: „… Nächsten an. Ein neues Gebot bindet ihn an den andern“.

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3 „ihrem Leben“: u. L. (Satz ist am Rand zugesetzt, dort ist der Bogen zum Abheften gelocht).

4 Gestr.: „Gottes zu uns“.

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5 Vgl. Röm 15,7.

1 NL B 16,3: stenographische Mitschrift in masch. Transkription von Gerhard Riemer. Dazu NL B 16,2: Mitschrift von Eberhard Bethge (= EB); NL B 16,1: stenographische Mitschrift (Schluß fehlt) von Erich Klapproth (= EK). Die Bibelarbeit wurde gehalten auf der Finkenwalder Freizeit 19.–23. 10. 1936 für die Teilnehmer des zweiten Kurses. Auf den Freizeiten des ersten Kurses 12.–17. 4. 1937 und des dritten Kurses 31. 5.–4. 6. 1937 wiederholte B diese Bibelarbeit, s. NL B 16,4: Mitschrift von Otto Dudzus 1937 (= OD). Erste Veröffentlichung nach den Mitschriften von 1936 Riemer und EB und 1937 OD: GS IV 344–357 (dem entspricht die Innenpaginierung); leicht überarbeitete Fassung PAM II 231–246.

2 1937 OD: „Zugang zu Pastoralbriefen uns versperrt durch große Paulusbriefe. Das hat sachliche Gründe.“

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3 In I und II Tim immer: „rechtschaffener Sohn im Glauben“.

4 Die orthodoxe Dogmatik unterscheidet zwischen fides quae creditur („Glaube, der geglaubt wird“) und fides qua creditur („Glaube, durch den“ oder „mit dem geglaubt wird“); im ersten Fall ist der Inhalt des Glaubens gemeint, im zweiten der Akt des Glaubens.

5 EB: „Nicht etwa schon anhebende Verflüchtigung von Lehre zu Leben. Sondern dies Erinnern: äußerste Festigung der Lehre schon.“ 1937 OD: „Solch ein Hinweis kein Beginn einer Verflachung, Fortschreiten von Lehre zu Leben, wie gewöhnlich ausgelegt.“

6 D. h. in den großen Paulusbriefen.

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7 1937 OD: „Unterschied, ob Paulus jemanden so nennt oder ob jemand sich auf die Vaterschaft des Paulus beruft.“

8 EB: „Anderes, ob Paulus sich zu der Vaterschaft bekennen wird. Timotheus [also] das echte Kind [im Glauben] im Unterschied zu so vielen unechten.“ EK: „Die Vaterschaft von unrechten Kindern mußte Paulus später verleugnen!“

9 1937 OD: „Spricht über Amt als geistlicher Vater.“

10 EK: „Autorität und geistliche Liebe zugleich.“

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11 1937 OD: „eindeutiger Zweck des Briefes“.

12 1937 OD: „in dem er wandeln soll“.

13 EK: „Der Rückzug von der Person auf das Amt bekommt erst an ganz anderer Stelle ein Recht.“

14 EB: „Sein Handeln an der Gemeinde beschränkt sich nicht auf amtliche Funktionen. Als einer der wandelt im Hause Gottes: ordnend, sprechend“.

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15 EB: „Timotheus weiß nicht [von] vornherein, was tun und wie, sondern bedarf der Belehrung, obwohl im Glauben des Römerbriefes stehend.“

16 „Nestle“ Luther–dt.: „ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit“; EK: „Säule und Pfeiler der Wahrheit Gottes“. 1937 OD: „Einzigartige Beschreibung. Dazu soll Gemeinde von Timotheus bereit gemacht werden, Pfeiler u. s. w. zu sein.“

17 EB: „Dazu die Gemeinde da, daß sie der Sockel ist, auf dem das Licht der Wahrheit brennen kann. Daß die Wahrheit Raum und Ehre bekomme.“ EK: „Nicht in erster Linie Prediger der Wahrheit, sondern: Träger der Wahrheit, der nicht unter der Wahrheit des Evangeliums zusammenbricht. Auf diesem Sockel steht das Licht des Evangeliums.“

18 Dt.: „Gottesfurcht“, „Frömmigkeit“. Von solchem ‚Geheimnis‘ handelte B’s Londoner Trinitatispredigt zu I Kor 2,7–10 am 27. 5. 1934 DBW 13, 359–363.

19 Stellenangabe bei EK: „I 3,16“.

20 1937 OD: „Gottessohnschaft Christi soll sich als Wahrheit auf Gemeinde niederlassen und diese Wahrheit soll die Gemeinde bewahren. Wandel im Hause Gottes, in dem diese Wahrheit sichtbar ist, dazu wird Timotheus berufen, zu schlichtem Wandel angesichts dieser Wahrheit.“

21 EB: „Timotheus nicht Missionar. Paulus war es und baute das Haus, darin Timotheus wandeln soll.“ EK: „Paulus baute das Haus Gottes und war dort Meßingenieur, Timotheus soll darin wandeln angesichts der Wahrheit des Sohnes Gottes.“

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22 EB: „Nichts ausgesagt über seine innere persönliche Geschichte.“

etc. et cetera („und die übrigen“), und so weiter

23 EB hat anstelle dieses Satzes: „Es gibt schlechterdings kein Idealbild, der aufopfernden Hingabe …“.

24 EB: „Bilder unseres Kirchenwesens“.

25 EB: „ ‚primitivste Voraussetzung‘ für den Pfarrer!“

26 EB: „Offenbar Paulus hat geringe Ansprüche an den Diener am Wort gestellt.“

27 EB: „Nicht von seiner Seite gewichen.“

28 EK: „1 Th 3,2“.

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29 1937 OD: „Beansprucht auch nicht evangelische Freiheit eigener Lebensgestaltung.“

30 1937 OD: „nicht spontan, sondern mit den προθέσεις [„Vorsätze“ oder „Gesinnung“] des Paulus“, s. II 3,10.

31 EK: „II 3,11“.

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32 Textangabe bei EB: „II 3,11“.

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33 1937 OD: „Wer mit solchem Wissen an die Seite des Apostels trat, war bereit, nichts mehr selber zu sein.“

34 1937 OD: „für apostolischen Dienst“.

35 1937 OD: „Paulus allein in Rom. Verlangt ihn nach Gemeinschaft des Mannes, der in seinem Leben nichts wollte als Gemeinschaft des apostolischen Lebens und Lehre.“

36 1937 OD: „Auch dies eine Beschreibung“.

37 Vgl. I Kor 4,1 und I Petr 4,10.

38 EB: „2 Tim 1,3 doch schwer.“ GS IV 348 (DBW 15, 305): „Aber der Apostel ist Tag und Nacht im Gebet bei ihm II 1,3.“

39 EB: „Rechtssatzungen, die ihn decken und auf die er sich zurückziehen könnte.“

40 EB: „Nirgends kann er seine Person hinter Amt verstecken.“

41 1937 OD ergänzt: „und zu überzeugen?“

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42 EK: „Fragen nach seiner Legitimation“.

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43 1937 OD: „Die Gabe von 2. Tim 1,6 kein character indelebilis [„unzerstörbarer“ („unverlierbarer“) „Charakter“]. Der Zuspruch ist hier alles und nicht der Zustand.“ Einen character indelebilis behauptet die katholische Lehre von der einmal erteilten Priesterweihe.

44 1937 OD: „nun“.

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45 EK: „So ist Timotheus gesichert gegen die, die sein Wort unwirksam machen wollen unter Berufung auf ihre größeren Gaben, Gelehrsamkeit, Alter, Erfahrung. Er selbst wäre vielleicht geneigt, den unteren Weg zu gehen und darin das Amt zu lästern.“ 1937 OD: „Braucht sich nicht zu fürchten vor denen, die frommer, asketischer, älter sind. Timotheus ist sicher gemacht und fest gemacht vom Apostel gegen Vorwürfe, die sich von einem menschlich wirklich höheren, asketischeren Standpunkt gegen ihn erheben werden.“

46 1937 OD: „Neben Handauflegung [ist] die entscheidende Voraussetzung (1. Tim. 1,19) Glauben und gutes Gewissen. Ein anderer kann die Gemeinde nicht bauen.“

47 1937 OD: „Paulus rechnet nicht allzu schnell mit der Möglichkeit, daß auch ein Judas das Evangelium verkündigen kann.“

48 EK: „kraftlos in seinem Ermahnen“.

49 EB: „Verliert er den Glauben, macht er den Beruf zunichte.“

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50 EK: „aber meine Person hängt am Wort.“ 1937 OD: „Ich bin wohl gebunden. Daß das Wort frei, [ist] kein Ruhekissen für Faule, sondern Trost in Anfechtung.“

51 EK: „‚Glauben und gutes Gewissen‘: schützt den Glauben vor Mißbrauch.“

52 EK: „entlastet von der Sünde“.

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53 EK ergänzt: „im unreinen Gefäß verdirbt der Glaube.“

54 EB: „Auch bei der Beschreibung der anderen Ämter in I 3[,15–16] fordert Paulus mit keinem Wort besondere Erkenntnisse und Erlebnisse“.

55 EK: „Keine Forderung besonderer Erkenntnis usw. Der Mann des Amtes ist lediglich gesund im Glauben und Gewissen, nach innen und außen I 5,21.“

56 1937 OD ergänzt: „kein Genie, Virtuos u. s. w.“.

57 EB: „Das [ist] dieselbe Charakterisierung wie bei Timotheus.“

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58 Vgl. G. E. Lessing (Eine Duplik, 1777/78): „Vater, gib [„den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren“]! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!“

59 EK statt „die Heiligen“: „die wirklich Gerechtfertigten“.

60 EB: „und Askese“.

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61 1937 OD ergänzt: „Müssen wir nicht [ihr] Streben anerkennen?“ Vgl. I Kor 13,3; zu I Kor 13,1–3 predigte B in London am 14. 10. 1934 DBW 13, 378–386.

62 Vgl. unter der Überschrift „Von der Verborgenheit des christlichen Lebens“ die Auslegung von Mt 6,1–18 DBW 4 (N), 150–166.

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63 EB und 1937 OD: „Heiligkeit“.

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64 I Tim 6,4 f.

65 EB: „Diese Heiligkeit sind [ist] vor Gottes Evangelium dasselbe wie Wollust.“ 1937 OD: „Laster und falsche Heiligkeit hängen hier immer zusammen. Paulus begreift das unter einem und verwirft es.“

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66 EK: „Soll Timotheus … mit ihnen [diesen Irrlehrern] diskutieren?“ Auch 1937 OD: „diskutieren“.

67 Sc. alles.

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68 1937 OD ergänzt: „Durch Diskutieren kann man jedes Wort der Schrift totschlagen. Fehler liegt nicht im Intellekt, sondern in der Bereitschaft zu gehorchen.“

69 1937 OD: „Aus Gehorchen kommt Erkenntnis, nicht aus rechter Erkenntnis Gehorsam. Durch Diskutieren kommen wir in Gefahr, unseren Ungehorsam zu verdecken.“

70 Vgl. Joh 16,13. EB: „Darum keine Gemeinschaft, als die Gemeinschaft der Predigt der Buße und [des] Evangeliums allein.“ EK: „Gottes Wahrheit wird durch Gehorsam erkannt! Daher darf Timotheus keine andere Gemeinschaft mit ihnen haben, als die der Predigt der reinen Lehre.“

71 EK: „Nur die kranke Lehre kann das nicht begreifen, sie schleicht auch dann noch nach I 1,19 [f] II 2,17.“

72 1937 OD: „Gibt auch kranke Seelsorge.“

73 Zur Aufhebung unwahr gewordener Gemeinschaft vgl. in B’s Aufsatz „Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft“ II/19.1 bes. S. 676.

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74 EK: „Wesen der ‚Gesundheit‘ der Lehre: daß der Glaube an den Gekreuzigten und Auferstandenen besteht in der Kraft eines guten Gewissens. ‚Krankheit‘: daß der Glaube zur Befriedigung irgendwelcher Menschenbedürfnisse dienen soll. ‚Gesund‘ heißt nicht Anpassung an die Welt.“ 1937 OD: „Gesundheit der Lehre besteht darin, daß Lehre vom Kreuz besteht in Kraft eines guten Gewissens und [in] Gehorsam. Krankheit der Lehre ist, wenn Offenbarung zur Befriedung der menschlichen Spekulation usw. [dient].“

75 1937 OD: „befiehlt“.

76 EB ergänzt: „Niemals kann für den, der apostolischen Auftrag trägt, Frage nach Gunst und Ungunst bestimmend sein.“

77 EK: „Da apostolischer Auftrag, kann nie Gunst oder Ungunst der Zeit die Predigt bestimmen“.

78 EB und EK: „für Gottes Wort“.

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79 1937 OD ergänzt: „der Geschichte“. Vgl. II/7 (Vergegenwärtigung neutestamentlicher Texte).

80 Dt.: „Zeit(punkt)“.

81 Aus II 4,2 ergänzt EB: „ἔλεγξον. Keine Menschenfurcht. ἐπιτίμησον, παρακάλεσον [„Nestle“: „strafe, drohe, ermahne“]. Der Überführte bestraft, der Bestrafte ermahnt (mit Trost des Evangeliums)“; EK: „κήρυξον: Die Predigt der gesunden Lehre ist öffentliche Predigt, im Gegensatz zur kranken Lehre. Daher nicht Beschränkung auf Sonntagspredigt, sondern ständiges Wachen über die Gemeinde: ἔλεγξον, παρατίμησον.“ 1937 OD: „Predigt ist öffentliche Verkündigung, im Gegensatz zum privatisierenden Durch–die–Häuser–Schleichen.“

82 EK und 1937 OD: „Wahrheit“.

83 EB: „Schwermut, daß so viel abfallen. Superbia [„Stolz“] wenn er so viel fallen sieht.“ EK: „ ‚nüchtern‘: nicht der Schwermut verfallen, weil er nicht alle gewinnen kann, und nicht dem Hochmut verfällt, weil er soviele fallen sieht.“

84 1937 OD: „Wenn Timotheus mit Paulus einer Meinung bleibt in der Nüchternheit der Lehre und des scheidenden Wortes, kann Paulus ihm auch zumuten κακοπάθησον [„leide Böses“, II 4,5]. Das ganz selbstverständlich und nüchtern gesagt.“

85 EB: „Nichts Dramatisches aus dem Leiden machen.“ EK: „Nichts Dramatisches sondern Summe“ (hiermit endet EK).

86 1937 OD: „Das apostolische Leben ist Kriegsdienst II 2,3.“

87 1937 OD: „letzte Gemeinschaft“.

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88 1937 OD: „der bewährte Zeuge“.

89 1937 OD ergänzt: „in der Gottseligkeit“.

90 EB fährt fort: „damit nicht stolz.“

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91 EB: „Den Alten nicht unehrerbietig, Jungen ein Bruder. Nur das [hat er ihnen] voraus, daß er ihnen dienen darf.“

92 EB ergänzt: „Damit dem Wort nicht Schaden oder Unehre tun“.

93 EB: „Harter Seelsorger, der ihn so ganz bestätigt hat eben.“

94 EB: „Für uns soll sich von selbst verstehen, was sich für ihn nicht von selbst versteht: die einfachsten Dinge.“

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95 EB: „Je echter die εὐσέβεια [„Frömmigkeit“], je näher der Fall.“

96 EB und 1937 OD: „dem Timotheus“.

97 1937 OD ergänzt: „Bleibt dem Richttag, dem jüngsten überlassen.“

98 EB ergänzt: „an der Art, wie er [sein] Amt ausführt.“

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1 NL A 48,2: masch. Hektographie, Beilage zum 13. Finkenwalder Rundbrief 25. 10. 1936 (vgl. NL A 53,5: masch. Abschrift); Abdruck: GS IV 193–196 und PAM II 128–132. Nicht nachweisbar in Mit- bzw. Nachschriften der homiletischen Übungen, also wohl für einen anderen Zweck abgefaßt. Mit fast allen Rundbriefen wurden Predigthilfen, von Mitgliedern des Bruderhauses erstellt, an die Ehemaligen versandt. Die Beilage des 13. Rundbriefs hat die Überschrift „Predigt-Meditationen“ und enthält, außer B’s Auslegung („I.“), als „II.“ eine „Predigtmeditation über Luk 16,1–12“ von Horst Lekszas. Zu Apk 2,4 f.7 hielt B eine Reformationsfest-Predigt in Berlin am 6. 11. 1932 DBW 12, 423–431.

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2 Vgl. I/127 (B’s Jahresbericht 1936).

3 Zu dem Eingreifen der staatlichen Kirchenausschüsse in die Arbeit der BK und den damit verbundenen Erschütterungen vgl. (außer B’s Jahresbericht 1936) DB 570 f.

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4 In der Haft formulierte B in „Gedanken zum Tauftag“ Mai 1944 DBW 8, 435: „Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein.“

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5 Vgl. Apk 22,2.

1 NL A 51,2: masch. Hektographie, Beilage zum 18. Finkenwalder Rundbrief 17. 4. 1937; Abdruck: GS IV 406–413 und PAM II 64–71. Die Predigt wurde am 14. 3. 1937 (Sonntag Judica) in der Notkirche des Seminars gehalten.

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2 Vgl. die Leidensankündigungen Mk 8,31–33; 9,30–32; 10,32–34.

3 Vgl. Mt 26,20–25.

4 Mt 26,40.

5 Mt 26,56.

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6 Vgl. Lk 4,28–30; Joh 18,4–6.

7 Mt 26,22.

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8 Vgl. Joh 6,70.

9 Vgl. Mt 10,1–8.

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10 Joh 12,6.

11 Vgl. Joh 13,26–30.

12 Mt 26,24.

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13 Vgl. Auslegung von Gen 3,4 f in DBW 3 (SF), 103.

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14 Vgl. Röm 11,1 f. 11–16.25–32 und III/6 (zu Röm 9–11).

15 Strophe 5 des Passionsliedes „O Welt, sieh hier dein Leben“ EG.BP 46, EKG 64 (Paul Gerhardt 1647).

16 Mt 27,3–5.

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17 Beginn einer Strophe aus mittelalterlichen Passions- und Osterspielen, oft als Spottlied gebraucht, um unliebsame Gegner lächerlich zu machen. In der Reformationszeit wurde durch Hermann Bonnus (1542) aus dem Spottlied ein Büßlied: „O wir armen Sünder“ EG.BP 363, EKG 57. Vgl. Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch III/1, 275–278.

18 Passionslied EG.BP 35, EKG 56,8 (Michael Weiße 1531).

1 NL A 51,3: masch. Hektographie, Beilage zum 22. Finkenwalder Rundbrief 29. 7. 1937; Abdruck: GS IV 413–422 und PAM II 72–80. Die Predigt wurde am 11. 7. 1937 (8. Sonntag nach Trinitatis) in der Notkirche des Seminars gehalten. Sie löste unter den Kandidaten eine lebhafte Kontroverse aus. Kritisiert wurden vor allem die David–Christus–Beziehung, die David kaum noch erlaube, wirklicher Mensch mit so menschlichen Reaktionen wie Rachegefühlen zu sein, und die zu ausschließlich gepredigte Verifizierung von Gottes Rache durch das Kreuz Christi. Ein Ergebnis dieser Diskussion war eine Meditation, die ein anderer, wahrscheinlich das Bruderhausmitglied Horst Thurmann, verfaßte. Horst Lekszas erklärte im Rundbrief: „Wir geben diesem Brief eine Predigt und eine Meditation über denselben Text, einen Rachepsalm, mit. Um zu einer besseren Durchdenkung der exegetischen Schwierigkeit zu verhelfen: von verschiedenen Verfassern!“ Der Text des Psalms steht in der Rundbriefbeilage nicht. Er wird im folgenden so wiedergegeben, wie B ihn gegenüber dem Drucktext in LB hsl. verändert hat.

2 Drucktext LB: „und richten, was gleich ist, ihr Menschenkinder? Ja, mutwillig tut ihr Unrecht“.

3 Drucktext LB: „verschmachtet“.

4 So das durchgängige Verständnis liberaler Psalmenauslegung, wonach Rachepsalmen von unterchristlichem Niveau seien.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

5 Zur hier gepredigten David–Christus–Typologie vgl. in der Bibelarbeit „König David“ III/7 bes. die Vorbemerkung.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

6 B greift hier und im folgenden zurück auf die Übersetzung des Ps 58 von Hermann Gunkel, Die Psalmen, 249.

7 Vgl. Röm 7,24.

8 Vgl. II Sam 24,14.

9 Vgl. II Thess 2,3–8.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

10 Vgl. in B’s Londoner Predigt zu Jer 20,7 am 21. 1. 1934 DBW 13, 347: das „überredende, betörende, verführende Wort der Liebe des Herrn, den es nach seinem Geschöpf verlangt“.

11 Vgl. Mk 4,12; zu ‚Verstockung‘ s. in der Seelsorgevorlesung II/12.1 S. 556–558.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

12 Vgl. Dtn 32,35 und Röm 12,19.

13 Vgl. Gal 6,7.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

14 Vgl. II/3.2 (Predigtentwurf zu Röm 3,23–26) und in der NT–Vorlesung im dritten Kurs 1936 „Das neue Leben bei Paulus“ II/15.2.

[ Hinzufügungen der Herausgeber

] Hinzufügungen der Herausgeber

15 Lk 23,34.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

16 Vgl. hierzu das Lied „Christi Blut und Gerechtigkeit“ EG.BP 154, EKG 273.

| Seitenwende (bei Neuabdruck)

BONHOEFFER, D., Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935–1937, XIV, Dietrich Bonhoeffer Werke, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015Sonderausgabe, 820–988.

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Von UWE

CV of Archbishop Dr. Uwe Alfred Erich Rosenkranz, MA,DD.

Born Pentecoast Sunday 1960 as first son of Ernst-August Otto Gustav Emil Rosenkranz und Angret Hedwig Rosenkranz.
Brother Bernd Rosenkranz, Sister Kerstin Rosenkranz
 married since 1998 with Elke Christa Rosenkranz
School: Groundschool Mönchengladbach-Hardt 1966-1970
Gymnasium Math.Nat.Gymn. MG 1970 - 1979 -Abitur
Apprentice: Dresdner Bank MG, 1979-1982 - Bankkaufmann (Banker)
Studies: University of Bonn, Germany, Agrarwissenschaft (Agrar Sience), Organischer Landbau (Organic Farming)
1982 - 1992 - Diploma- Bachelor
ALANUS Highschool of Arts and social leadership 1983 - 1990 - Profect leader
Bio-Seal EU2000 
Bioseal globally (IFOAM) 2010
Sales Engineer Minister Highschool- 2000-2001
Global University/ICI/Berean 2000 - 2010
Religious Education , Second BA
Perpetual Incardination as Priest (Reverend) at Rosary Center, Portland, Oregon, USA -2009
Inauguration as Bishop (Bischof) RMI Rosary Ministries International 2009
accredited and embedded as Archbishop at AIIC-Dioceses 2012
Granted Master of economical and social affairs, MSCS, UN-DESA 2014
D.D. Doctor Divinae 2015, MSCS, WAHOD (WORLD ASSOCIATION HUMANITARIAN OF Doctors)
granted Dr. economics/socionomics at UN-DESA United Nations Department of Economical and Social Affairs 2016,
President of MSCS with IGO status at UNECOSOC and UNDESA
Climate fund 200 Millions at UNFCCC, Bonn, Germany, founder of ROSARY Holding (i.G.)
Knight Templaar at Knights Templaar International, Roselyn, UK. 

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